Triumph Trophy SE im 50.000 km-Dauertest

Triumph Trophy SE im 50.000 km-Dauertest S-Klasse auf zwei Rädern

Geborgen und behütet trägt der Top-Tourer Triumph Trophy SE einen über längste Distanzen. Mit viel Komfort, klasse Ausstattung und großer Reichweite. Himmlisch. Aber klappt das auch auf Dauer?

S-Klasse auf zwei Rädern Jörg Künstle
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Hannah war im Tourer-Himmel: ­Ende September 2014 saß die Neunjährige auf dem Rücksitz der Triumph Trophy SE. Papa Jörg Lohse, Service-Mann in der Redaktion, schwang sie kurz vor Dauertestende auf kleinsten Sträßchen durchs Kurvenparadies der Vogesen. Geborgen wie in Abrahams Schoß fühlte sich die Kleine auf dem MOTORRAD-Dauertester. Das Topcase als Rückenlehne, und auch die breiten Seitenkoffer vermitteln genau das richtige Maß an ­Sicherheit. Motorradfahren als entspanntes Erlebnis, wohlbehütet und extrem komfortabel. Genau dafür steht der britische Top-Tourer seit zwei Jahren.

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Feinfühlig und souverän tasten die WP-Federelemente der Triumph Trophy SE das Asphaltrelief ab. Sie sind bei der in Deutschland ausschließlich angebotenen SE-Version elek­trisch in Dämpfung und hinten zudem in der Federbasis einstellbar. Wenn Hannah aufsteigt, muss Papa Jörg sich nur kurz durchs umfangreiche Bordmenü zappen, schon stimmt die Einstellung. Maßstäbe setzt der Fahrkomfort des Briten-Tourers, seine Sitze sind plüschig und gegen Aufpreis beheizt. Allerdings ist selbst ein tief gestellt 82 Zentimeter hoher Fahrersattel für kleinere Piloten ein wenig hoch. 317 Kilogramm Maschinengewicht (inklusive Koffern) und hoher Schwerpunkt wollen im Stand erst mal beherrscht werden.

Selbst Kleinigkeiten kosten Zeit und Nerven

markus-jahn.com
Die Trophy SE ist ein großes Motorrad.

"Schwer, wuchtig und beim Rangieren kippelig", befand nicht nur MOTORRAD-Nachrichtenmann Mike Schümann. Er kam sich bei über 30 °C im Hochsommer zudem "wie auf einem Grill" vor. Kehrseite des unerreichten Windschutzes, den die im Dauertest durchgehend montierte höhere wie breitere Tourenscheibe an der Triumph Trophy SE bietet. Sie fährt elektrisch 16,4 Zentimeter auf und ab. Hinzu kommen unterhaltsame Serienausstattung mit Audioanlage (logisch, mit mp3-/iPod-Anschluss), Bordcomputer und elek­trisch einstellbare, hell strahlende Scheinwerfer. Alles eitel Sonnenschein also über 50.000 Kilometer Dauertest, dank kompletten Wohlfühlprogramms an Bord?

Nun, in der ersten Hälfte der Testdistanz hielt die Triumph Trophy SE die Tester auf Trab. Es begann bei Kilometerstand 9308 mit einem defekten Heizgriff und einem undichten Gabelsimmerring. Doch selbst Kleinigkeiten kosten Zeit wie Nerven. Daher wird jeder außerplanmäßige Werkstattaufenthalt in der MOTORRAD-Dauertestwertung mit Abzug von einem Punkt der 100 erreichbaren bestraft, Garantiefall hin oder her. Insgesamt musste unsere Trophy fünfmal ungeplant zum Triumph-Händler.

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Motor der Triumph Trophy ging während der Fahrt aus

mps-Fotostudio
Kuriose Startschwierigkeiten bescherten der Triumph neue Lenkerarmaturen.

Der 134 PS starke 1.215-Kubik-Kardan-Triple ist technisch in dem Tourer Trophy SE und der Reiseenduro Tiger Explorer identisch, bloß Airbox und Edelstahlauspuffe sind individuell. Der elastische und dank wuchtiger Ausgleichswelle laufruhige Dreizylinder irritierte zu Beginn mitunter durch ruckelnden Motorlauf und Zündaussetzer. Bei Kilometerstand 17.228 ging er während der Fahrt sogar ganz aus, musste per Transporter abgeholt werden. Die einzige echte Panne, die weitere fünf der maximal möglichen 100 Punkte kostet.

Als Ursache der Zündaussetzer vermutete Triumph ein defektes Drosselklappen-Potentiometer. Also ab zum Tausch. Erst später stellte sich heraus, dass tatsächlich das Motorsteuergerät die Ursache war. Es wurde daraufhin komplett überarbeitet. Und rückwirkend in allen betroffenen Triumph Trophy- und Tiger Explorer-Modellen nachgerüstet. Die Umrüstaktion lief ganz offiziell per Rückruf übers Kraftfahrtbundesamt. Betroffen waren die Fahrgestellnummern 524 056 (Tiger Explorer/XC) bzw. 561 284 (Trophy/SE) bis 637 165. Seit Kilometerstand 24.655 erledigte bei unserem Dauertest-Exemplar der neue Zentralrechner zuverlässig seinen Dienst. Den zweiten offiziellen Rückruf erledigte Triumph in diesem Zug gleich mit: die Montage eines zusätzlichen Anschlags am Hauptständer (bei Fahrgestellnummern 561 284 bis 590 855).

War sonst noch was? Ja, Kleinkram. Nach 26.745 Kilometern traten Startprobleme auf. Kurioserweise abhängig davon, ob das Vorderrad beim Starten gerade oder eingeschlagen stand. In der Folge gab’s für die Triumph Trophy SE neue Lenkarmaturen mit verlängerten Leitungen.

Tourer
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Reifen halten rund 10.000 Kilometer

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Ihre Kilos sind in Fahrt schnell vergessen.

Ab der Dauertest-Halbzeit kehrte allmählich Ruhe ein. Okay, bei Kilometerstand 34.405 gab es nach Steinschlag noch einen neuen Lüfter, außerdem noch einen neuen Heizgriff. Ansonsten lief und lief dieTriumph Trophy SE; fraß dank ihres 26-Liter-Tanks Kilometer "wie das Krümelmonster seine Kekse" (Testredakteur Johannes Müller). Für die optische Gestaltung der stark an die RT-BMW erinnernden Trophy war übrigens KTM-Hausdesigner Gerald Kiska verantwortlich. Der kann also nicht nur kantig und zackig, sondern auch rund und geschwungen. Die Triumph Trophy SE belegte jedenfalls, wie frech ein XXL-Tourer fahren kann: Ihre Kilos sind in Fahrt schnell vergessen, locker und leicht schwingt der dicke Brummer ums Eck. Neutral und zielgenau, erstaunlich handlich. Aber nur, so lange die Reifen frisch sind. Mit abgefahrenem Profil fährt sie plötzlich unrund, kippelig, lenkt unharmonisch ein, stellt sich in Schräglage auf. Eine Tendenz, welche die ohnehin noch besseren Pirelli Angel GT (Sonderkennung "A") statt der serienmäßigen ST (vorne "A") zu mildern scheinen. Immerhin halten die Originalreifen lange durch, vorn wie hinten rund 10.000 Kilometer.

Und das trotz hohen Autobahnanteils und viel Gewichts auf dem Vorderrad, was den Frontpneu stärker belastet. Triumph gibt generell keine Reifenfreigaben vor, bloß Herstellerempfehlungen ohne Bindungscharakter: Diese hat Triumph "getestet und für gut befunden", alles andere sei Sache des Reifenherstellers und des Kunden. Ähnliches gilt für ein Thema, das sich wie ein roter Faden durchs Fahrtenbuch zog und die Demontage des Motors der Triumph Trophy SE trotz null Komma null Ölverbrauchs spannend machte: auffällige mechanische Geräusche aus dem Zylinderkopf. Triumph merkte nach Produktionsbeginn, dass die Führungen der Auslassventile bei frühen Exemplaren leicht zu kurz und die Durchmesser der Tassenstößel minimal zu gering bemessen waren. Und verbaut seither komplett geänderte Zylinderköpfe.

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Praktisch jedes Bauteil kann weiter benutzt werden

Bilski

Das Angebot an "Altbesitzer", einen Kopf der neuen Serie nachgerüstet zu bekommen, war eine freiwillige Ser­vicemaßnahme: Sie konnte, aber musste nicht durchgeführt werden. Umrüstungsquote: rund 80 Prozent. MOTORRAD verzichtete bei der Triumph Trophy SE auf die Maßnahme, weil der beteiligte Händler die Geräusche "noch unbedenklich" befand. Ein Spezialtest: Wie lange dürfen Ventile minimal kippen? Antwort: mindestens 50.000 Kilometer. Denn obwohl die Ventilsitzbreite das Verschleißmaß erreicht hat (als einziges Bauteil des Motors), hielt der erste Kopf komplett durch. Klar, dass man beim Zusammenbau nun einen komplett neuen Zylinderkopf einbauen wird.

Ansonsten aber kann praktisch jedes Bauteil der Triumph Trophy SE wieder benutzt werden. Lediglich eine Stahlscheibe der Kupplung sowie eine Distanzscheibe in selbiger sollten besser getauscht werden. Davon abgesehen traten im zerlegten Motor lediglich kleine Schönheitsfehler zutage. Dazu zählen ein winziger Materialausbruch an der Nockenwelle und minimales Pitting an einzelnen Nocken. Ferner leichte Laufspuren an den oberen Pleuelaugen samt Kolbenbolzen sowie am ziemlich dicken Steuerkettenspanner. Alles nicht schlimm. Kurios ist das ungleichmäßige Tragbild an den äußeren Kurbelwellenlagern. Möglich, dass die Bohrung hier nicht exakt fluchtet oder sich das Motorgehäuse minimal verzogen hat.

Überschaubare 900 Euro reine Inspektionskosten

Froberg
... Motor und Nebenaggregate verbergen sich unter vielen Abdeckungen. Man beachte die unkonventionelle Tankform.

Triumph zeigt sich von dem Befund überrascht, er sei in eigenen Dauertestern nicht aufgetreten. Die seien allerdings nicht mit Motoröl der Marke Elf betrieben worden. Stichhaltiger erscheint die Erklärung, dass man besser bei der vorgeschriebenen Viskosität 10W40 bleiben solle, bloß bei Temperaturen über 40 °C das im heißen Motor dickflüssigere 10W50 nutzen solle. Das Tragbild der Kurbelwellenlager beeinträchtigt nach Ansicht von Triumph jedenfalls nicht deren weitere Funktion. Der Zusammenbau des zerlegten Motor-Puzzles, den die Berufsschule für Kfz-Technik in Mattighofen übernimmt, kann also losgehen. Alles in allem ist die Triumph Trophy SE eine komplexe Konstruktion. "Wenn man die Kniffe kennt, ist sie logisch aufgebaut, dann fallen Wartung und Service nicht so schwer", erwidert Triumph. Und verweist auf wegweisend lange 16.000er-Wartungsintervalle. Auf den ersten 48.000 Kilometern gibt das Werk nur 10,95 Wartungsstunden vor. Tatsächlich fallen knapp 900 Euro reine Inspektionskosten (ohne Material) überschaubar aus. Wer weniger pro Jahr fährt, kann eine günstigere, "abgespeckte" Jahresinspektion mit weniger Prüfpunkten machen lassen.

Der mächtige Dreizylinder-Kardantourer ist eine ziemlich massive Konstruktion, materialmäßig gehen die Engländer auf Nummer sicher. "Uns sind Hochgeschwindigkeitsstabilität und eine solide Bauweise wichtiger, als 500 Gramm Gewicht zu sparen", sagt Pressesprecher Uli Bonsels. Das spiegeln Haltbarkeit von Kardan wie Motor-Innereien wider. Und der Benzinverbrauch fällt trotz schneller Autobahnpassagen mit durchschnittlich 6,1 Litern je 100 Kilometer günstig aus, möglich sind auch knapp über fünf Liter. Günstige Unterhaltskosten bescheren derTriumph Trophy SE  trotz einiger Kinderkrankheiten den 15. Platz unter allen Dauertest-Maschinen. Ein versöhnliches Ende für Abrahams Schoß, liebe Hannah.

Verschleiß nach 50.000 Test-Kilometern mit der Tiumph Trophy SE.

Zylinderkopf: Alle Ventile mit geringen Ablagerungen. Auslassventile sind undicht, die Kompression ließ an allen Zylindern etwas nach. Die Auslassventilsitze sind ungleichmäßig eingeschlagen und stark verbreitert. Einige Nocken zeigen minimales Pitting.

Zylinder/Kolben: Die Kolben präsentieren ein gleichmäßiges Tragbild mit wenig Laufspuren und Ablagerungen, die tadellosen Zylinder weisen ebenfalls nur minimale Laufspuren auf.

Kurbeltrieb: An einem Pleuellager zeigt sich eine Fremdkörpereinbettung. An allen drei Pleuelaugen und Kolbenbolzen zeigen sich einseitig stärkere Laufspuren. Die äußeren Kurbelwellenlager weisen am Rand einen verstärkten Materialabtrag auf, das Tragbild aller Kurbelwellenlager ist ungleichmäßig.

Kraftübertragung: Eine Stahlscheibe der Kupplung ist etwas verzogen mit Überhitzungsspuren, ansonsten präsentieren sich die Kupplung sowie das üppig dimensionierte Getriebe in einem sehr guten Zustand. Einzelne Zähne am hinteren Tellerrad des Kardans weisen etwas stärkere Laufspuren auf.

Rahmen/Fahrwerk: Der Rahmen, die Schwinge sowie die übrigen Anbauteile befinden sich in gutem Zustand, auch die Lackierung macht einen sehr haltbaren Eindruck. Schwingen- und Lenkkopflager sind spielfrei. Die hintere Bremsscheibe ist verschlissen.

Messwerte

Leistungsdiagramm der Triumph Trophy SE.

Schön berechenbar, extrem linear, entwickelt der 1215er-Triumph-Triple seine Leistung über die Drehzahl. Zum Testende ist die Bilderbuch-Kurve minimal parallel nach unten verschoben, eine Folge undichter Auslassventile.

Fahrleistungen

Messung nach   2391 km   49 291 km Beschleunigung 0–100 km/h sek 3,8 3,8 0–140 km/h sek 6,2 6,2 0–180 km/h sek 14,6 14,7 Durchzug 60–100 km/h sek 4,8 4,8 100–140 km/h sek 5,3 5,2 140–180 km/h sek 7,4 8,0 Durchschnittlicher Verbrauch über 50 000 kmKraftstoff (Super)l/100 km6,1Motoröll/1000 km-

Leistung an der Kurbelwelle; Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %.

Kosten und Wartung

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Kosten

Betriebskosten auf 50 000 km   16 Liter Öl à 15,74 Euro 251,84 Euro 4 Ölfilter à 9,80 Euro 39,20 Euro 3 Luftfilter à 32,30 Euro 96,90 Euro 3 Zündkerzen à 10,78 Euro 32,34 Euro 2 Satz Bremsbeläge hinten à 35,90 Euro 71,80 Euro 2 Satz Bremsbeläge vorn à 35,90 Euro 71,80 Euro 1 Benzinfilter 19,70 Euro 1 Glühlampe H4 9,72 Euro Kleinteile, Schmierstoffe 44,72 Euro Dichtungen 34,64 Euro Inspektionen und Reparaturen 894,22 Euro Reifen (inkl. Montage, Wuchten und Entsorgen)    1664,00 Euro Kraftstoff 4825,35 Euro Gesamtkosten 8056,23 Euro Anschaffungskosten 19.040,00 Euro Wertverlust 9290,00 Euro Schätzpreis (Händlerverkaufspreis) 9750,00 Euro Kosten pro Kilometer ohne Benzin 6,5 Cent Kosten pro Kilometer (ohne Wertverlust) 16,1 Cent Kosten pro Kilometer (mit Wertverlust) 34,7 Cent

Wartung und Reparaturen

km-StandReifen vorne und hinten erneuert Pirelli Angel ST 8933 Gabelsimmering links und Heizgriff rechts
erneuert (Garantie) 9308 Motor geht öfter aus, Fehler Drosselklappe festgestellt 17.228 Reifen vorne und hinten erneuert Pirelli Angel ST 17.320 Drosselklappen-Potentiometer erneuert (Garantie) 17.426 Motorsteuergerät erneuert (Garantie), Anschlagwinkel am
Hauptständer getauscht (Rückruf) 24.655 Bremsbeläge vorne und hinten erneuert 25.240 beide Lenkerarmaturen getauscht (Garantie) 26.745 Heizgriffe funktionieren nicht richtig 29.123 Reifen vorne und hinten erneuert Metzeler Interact Z8 29.850 Lüfter rechts erneuert (Steinschlag),
Heizgriff links erneuert (Garantie) 34.405 Reifen vorne und hinten erneuert Pirelli Angel ST 37.202 Reifen vorne und hinten erneuert Pirelli Angel GT 41.329 Reifen vorne und hinten erneuert Bridgestone T30 47.715 Bremsbeläge hinten erneuert47.825

Stellungnahme von Triumph