Sie wurden einst konzipiert, um höchste Ansprüche zu erfüllen: BMW R 1100 RS, Kawasaki ZZ-R 1100 und Yamaha YZF 1000 Thunderace. Können die aktuellen Topmodelle R 1100 S, ZX-12R und YZF-R1 entscheidend mehr bieten?
Sie wurden einst konzipiert, um höchste Ansprüche zu erfüllen: BMW R 1100 RS, Kawasaki ZZ-R 1100 und Yamaha YZF 1000 Thunderace. Können die aktuellen Topmodelle R 1100 S, ZX-12R und YZF-R1 entscheidend mehr bieten?
Als BMW 1994 die R 1100 RS vorstellte, staunte die Zweiradwelt. Nicht nur, dass ihr neuer Vierventil-Boxermotor mit satten 90 PS und Katalysator alle bisherigen Zweizylinder aus München um Längen übertraf. Sondern auch mit ihrem revolutionären Fahrwerk aus einem tragenden Motor-Getriebe-Verbund, dem am Motor angelenkten Telelever und der Paralever-Hinterradführung setzte BMW Zeichen. Heute wirkt die R 1100 RS reichlich barock. Hoch aufgeschossen die Verkleidung, klobig die Lenkerarmaturen und die Sitzbank wenig elegant, wenngleich stimmig zu dem kantigen Heck. Im Vergleich demonstriert die BMW R 1100 S Eleganz. Geduckt und fast schon grazil, mit schlanker Taille und hübschem Heck, wirkt sie zeitlos modern.
Obwohl sich Lenkerbreite, Sitzbank- und Fußrastenhöhe nicht dramatisch unterscheiden, fühlt sich der R 1100 S-Treiber völlig anders als der RS-Fahrer. Er ist vorderradorientiert sportlich untergebracht, der RS-Pilot sitzt aufrecht hinter einem Aufbau aus Verkleidung und getönter Scheibe. Ersterer dynamisch kurvensuchend, letzterer gemütlich lange Etappen erwartend. Und der S-Besitzer freut sich über ein leicht zu schaltendes, sportlich gestuftes Sechsganggetriebe, während der RS-Fahrer viel Gefühl für sein hakeliges, klackendes Fünfganggetriebe braucht. Und viel Kraft, denn die über Seilzug betätigte Kupplung mit ihrem ungünstig geformten Handhebel erfordert Schmackes im Unterarm. Mit der hydraulischen Betätigung bei der R 1100 S geht das leichter.
Auch die Charaktere der beiden Boxermotoren unterscheiden sich mehr als vermutet. Der Sound der S aus den beiden Schalldämpfern unter der Sitzbank begeistert, kein Vergleich zu dem blechernen Getöne der RS. Gasannahme, Leistungsentfaltung und Drehfreude gerieten beim jüngsten Vierventilboxer wesentlich spontaner und sportlicher als beim trägen Erstversuch. Der außerdem noch als besondere Schmankerln ein Leistungsloch bei 4000/min aufweist sowie Konstantfahrruckeln, im Kolonnenverkehr äußerst lästig. So hängt die sportliche 1100 S ihre Ahnin auf jeder Strecke ab. Und zwar so deutlich, als hätte sie 30 und nicht nur acht PS mehr.
Das liegt nicht allein an den besseren Fahrleistungen. Die Qualitäten eines Motors lassen sich nur mit einem entsprechenden Fahrwerk umsetzen. Und da glänzt die R 1100 S. Direkt lenkt sie in Kurven ein, leichtfüßig tanzt sie durch Kurvenkombinationen. Wellen in Schräglage? Drückt sie einfach weg. Haarnadelkurven auf der Lieblingsbergstrecke? In die sticht sie ohne Gnade hinein und wieder raus. Vorn und hinten straff abgestimmt, aber dank Telelever sauber ansprechend und mit einem Anti-Dive-Effekt beim Bremsen ausgestattet es darf geheizt werden. Zumal die gut dosierbare ABS-Bremsanlage viel Sicherheit bietet.
Dagegen wirkt die RS schwerfällig. Und teigig. Denn der Lenker ist in Gummi gelagert, dazu nicht kippentkoppelt, schwingt also beim Einfedern des Vorderrads mitsamt der Gabelbrücke um das Kugelgelenk der oberen Lagerung vor und zurück. Man kann sich daran gewöhnen, aber mit nicht kippbaren, an der Gabelbrücke montierten Stummeln fährt sichs tausendmal angenehmer wie der R 1100 S-Fahrer weiß. Hier sind die beiden Teleleverholme in der oberen Gabelbrücke schwenkbar gelagert. Bei der RS sorgen außerdem Lastwechsel durch die geringe Dämpfung vorn für blödes Nicken.
Freilich hat die RS auch positive Seiten. Die werden spätestens nach 400 Kilometer Tagesetappe offenbar. Man lernt die breitere und besser gepolsterte Sitzbank schätzen. Die Verkleidung schützt effektiver vor Wind und Wetter, die Instrumente sind leichter ablesbar, die Reichweite ist deutlich höher. Und der Motor vibriert weniger als das Raubein in der S. Zu zweit lässt sich auf beiden BMW gut leben, aber auf der RS komfortabler.
Das Konzept der alten RS überzeugt auch heute noch. Ein Tourensportler, hervorragend für den Zweipersonenbetrieb geeignet. Technik und Design gehören allerdings deutlich überarbeitet. Zumindest die bessere Technik fände man im Regal.
Kawasakis Big-Bikes glänzten schon immer mit brachialen Leistungswerten und Langstreckenqualitäten. Wie die beliebte ZZ-R 1100, die auch ihre neun Jahre jüngere Hightech-Schwester ZX-12R nicht aus dem Kawasaki-Programm verdrängen konnte. Bei diesem Pärchen ist die Neue ebenfalls wesentlich schlanker und zierlicher. Ja, richtig fett wirkt die ZZ-R heute. Die mächtigen, um den Zylinderkopf geschwungenen Rahmenprofile machen sie ganz schön breit. Immer noch überzeugend ist die gut schützende Verkleidung, die sogar ein kleines, abschließbares Staufach besitzt. Luxus, auf den der ZX-12R-Treiber verzichten muss oder eh als unnötigen Ballast ansieht.
Der freut sich über die einzigartige Rahmenkonstruktion, die Tank und Luftfilter in einer Alublechkonstruktion aufnimmt und so für ein zwar recht hohes, aber vergleichsweise schlankes Big Bike sorgt. Mit ihrer ausgefeilten Aerodynamik und der im Helmbereich noch besser schützenden Verkleidung kann die ZX-12R bei schneller Fahrt glänzen. Mit keiner anderen Maschine der Welt kann man die Tachonadel so ungestört auf die Höchstgeschwindigkeit klettern lassen.
Die ZZ-R lässt es bei gemessenen gut 280 km/h bewenden kein Grund, sich über mangelnde Power zu beklagen. Zumal der alte 1100er-Triebsatz viel Dampf in allen Lagen bietet und dank Vergasern weicher ans Gas geht als der Einspritzmotor der ZX-12R. Dieser ist schlicht ein brutales Tier. Reißt ab 8000/min so an der Kette, dass nichts mit Straßenzulassung hinterherkommt, setzt bei 10000/min 175 PS frei. Und ist ständig präsent mit lautem Getriebeheulen und teilweise kernigen Vibrationen in der Sitzbank. Aber er geht so gut wie kein anderer Motor. Unglaublich, diese Gewalt.
Eine echte Kawasaki in der Tradition einer Mach 3, einer H2, einer Z 900 und einer GPZ 900 R. Das galt bei ihrem Erscheinen 1991 auch für die ZZ-R 1100. Ein Jahrzehnt später verblasst ihr brachialer Charme. Heute begeistert sie mit spielerischem Handling, großer Reichweite und akzeptabler Zweipersonen-Tauglichkeit. Mit überarbeiteten Federelementen und einer verbesserten Bremsanlage ließe sich aus der ZZ-R sogar ein richtig guter Tourensportler machen. So hoppelt sie ein wenig unkommod über Bodenwellen, und die Bremsen sind bei weitem nicht so gut dosierbar wie die der Neuen.
Die ZX-12R zeigt, wie schnell die Entwicklung voranschreitet. Bei ihr dämpft und federt es vorn wie hinten viel satter, die vordere Doppelscheibenbremse gehört zu den besten überhaupt. Seit Kawasaki mit einem Distanzring am Federbein das Heck um einen knappen Zentimeter höherlegt und die Gabelholme zwei Millimeter weiter durch die Gabelbrücken steckt, geht auch das Handling in Ordnung. Endlich lenkt sie, zumindest mit neuen Reifen, sauber ein und lässt sich zielgenau durch Kurvenkombinationen scheuchen. Auch bei der ZX-12R ist die Sitzposition sehr vorderradorientiert und sorgt so für besseren Kontakt zum Asphalt wie auf der ZZ-R 1100.
Deren Pilot sitzt weiter weg von den Lenkerstummeln, bequem, aber weniger sportlicher. Und nicht so sicher, denn beim harten Beschleunigen hebt die 278-Kilo-Wuchtbrumme schon mal das Vorderrad, im Bereich der Höchstgeschwindigkeit wird sie unruhig. Das Gewicht auf dem Vorderrad ist dann zu gering.
Lange Jahre das Flaggschiff der Kawasaki-Palette, gebührt diese Position 2001 eindeutig der ZX-12R. Sportlich, aggressiv, extrem stark und anders als die ZZ-R 1100. Deren Zukunft könnte im Tourensportler-Bereich liegen.
Yamaha stellte 1996 mit der YZF 1000 R Thundercat einen bärenstarken 1000er-VierzyIinder-Sportler auf die Räder doch die Favoritin der Supersportfraktion blieb weiterhin eine andere: die leichtere Honda CBR 900 RR Fireblade. Yamahas Entwickler gingen in Klausur und schenkten der Welt im Frühjahr 1998 die YZF-R1. Superleicht, bärenstark und begehrenswert. Ein Mega-Erfolg. Was trotzdem nicht das Aus für die Thunderace bedeutete. Im Vergleich zu den Pärchen von BMW und Kawasaki mögen die Unterschiede zunächst nicht so gravierend erscheinen, bei der Motorleistung beträgt die Differenz gerade einmal fünf PS in der Papierform. Dennoch kann die R1 den ohnehin schon eindrucksvollen Fahrleistungen der Thunderace spielerisch das Sahnehäubchen aufsetzen: deutlich besserer Durchzug und auch strammere Beschleunigung. Yamahas Diät bei der R1 zeigt Wirkung. Die Thunderace ist satte 29 Kilogramm schwerer als ihre Nachfolgerin. Der Leichtbau der R1 muss mit 4000 Mark Mehrpreis bezahlt werden.
Dafür erhält der YZF-R1-Kunde eine völlig neu entwickelte Konstruktion sowohl, was das Chassis als auch das wegen seiner übereinander angeordneter Getriebewellen sehr kurz bauende Triebwerk betrifft. Der Vierzylinder der Thunderace dagegen entspricht in seinen Grundfesten dem 1989er-Exup-Triebwerk der FZR 1000, der in einem modifizierten Alurahmen der YZF 750 steckt. Gemeinsamkeiten der beiden 1000er: Exup-Walze im Sammler zur Verbesserung des Drehmomentverlaufs im mittleren Drehzahlbereich und fünf Ventile je Zylinder. Einspritzung oder gar G-Kat sucht man beim aktuellen Topmodell R1 vergeblich. Yamaha gibt sich in puncto Gemischaufbereitung konservativ und setzt weiterhin auf Vergaser, Garanten für einen weichen, homogenen Leistungseinsatz beider Triebwerke. Durchaus beruhigend, wenn Befehle der Gashand von solch bärigen Motoren so weich und dennoch spontan in Vortrieb umgesetzt werden.
Wobei sich im direkten Vergleich natürlich Welten auftun. Die ausladende Thunderace vermittelt eher das Gefühl von Gemütlichkeit. Wegen des breiten Tanks müssen die Beine zwar stark gespreizt werden, aber die Sitzposition ermöglicht problemlos lange Touren, ebenso der gute Windschutz. Auf der R1 wähnt man sich zunächst im falschen Film. Das soll eine 1000er sein? Niemals. Allerhöchstens eine 600er. Viel kompakter die Sitzposition, wegen der tiefer angebrachten Lenkerhälften deutlich mehr über dem Vorderrad. Im Vergleich zu aktuellen Supersportlern gilt die R1 zwar nicht gerade als Ausbund an Handlichkeit, verglichen mit der »Ace« fährt sie jedoch geradezu spielerisch leicht, außerdem direkter und präziser.
Aber auch nervöser, sobald das Tempo anzieht. Dann nämlich will sie von kundiger und bedachter Hand auf Kurs gehalten werden. Mangels Lenkungsdämpfer tendiert die YZF-R1 auf holperigem Asphalt zum Lenkerschlagen. Dazu neigt die Thunderace lediglich auf der Rennstrecke, fährt sich alles in allem gutmütiger und folglich ausgewogener.
Wer also weniger auf die durchweg gewaltige Show der R1 Wert legt, dem bietet die »Ace« eine echte Alternative zum Supersport-Überflieger aus gleichem Hause. Im Gegensatz zu BMW R 1100 RS und Kawasaki ZZ-R 1100. Diese können ihr Alter nicht verleugnen, hier sind die Abstriche gegenüber der jüngsten Generation eindeutig.
Schade, dass BMW die R 1100 RS nicht stärker modellgepflegt hat. Denn vom Konzept her ist sie immer noch ein wirklich toller Tourensportler. Bestens für den Soziusbetrieb geeignet, mit großer Reichweite, aber trotzdem kein riesiger Tourer, sondern eher ein Grand-Tourisme-Bike. Was technisch inzwischen mit ABS, Telelever, Vierventilboxer und Getriebe möglich ist, zeigt die sportliche R 1100 S. Sie funktioniert fast in jedem Bereich deutlich besser. Und ist dazu fast 3000 Mark günstiger. Also, liebe Münchner, macht uns eine neue RS!
Das neue Flaggschiff der Marke ist die ZX-12R. Extrem leistungsstark, sehr sportlich und aggressiv. Dank der Fahrwerksänderungen ist sie nun viel handlicher, liegt deutlich besser und trotzdem noch präziser in Kurven. Schade, dass die Kawasaki nicht gleich so auf den Markt kam. Die ZZ-R 1100 schlägt sich immer noch erstaunlich gut. Ihr bärenstarker Motor, die große Reichweite und die komfortable Verkleidung gefallen. Mit einigen Fahrwerksverbesserungen wäre sie ein toller Tourensportler.
Gewaltig und beeindruckend, das Leistungsvermögen der beiden 1000er von Yamaha. Die filigrane R1, neben der Ducati 996 sicherlich der radikalste Supersportler, fasziniert dabei noch ein wenig mehr. Wie sie in jeder Lebenslage marschiert einfach unglaublich. Konsequenter Leichtbau hat aber seinen Preis: in diesem Fall 4000 Mark mehr. Wer einen bärigen Alleskönner mit stabilem Fahrwerk und guten Bremsen sucht, der sollte deshalb die Thunderace in die engere Wahl ziehen und die 29 Kilogramm Mehrgewicht geflissentlich ignorieren.