Frostbeulen bilden sich zuerst immer an den Extremitäten, zur Thermokombi gehören daher weitere Zutaten.
Frostbeulen bilden sich zuerst immer an den Extremitäten, zur Thermokombi gehören daher weitere Zutaten.
Eigentlich sollte man meinen, dass ein Messwert wie die Temperatur etwas wissenschaftlich Exaktes, absolut Unangreifbares ist. Fünf Grad, das ist eine präzise, für jedermann nachvollziehbare, unbestechliche Angabe. Aber so einfach ist die Sache eben doch nicht. Selbst Wetterpropheten verunsichern ihre Zuhörer seit einiger Zeit mit neuen Begriffen wie »gefühlte Temperatur«. Was uns die Wetterfrösche damit sagen wollen? Dass je nach Luftfeuchtigkeit und vor allem Windgeschwindigkeit subjektiv eine ganz andere Temperatur empfunden wird als die gemessene. Bei fünf Grad, trockener Luft, absoluter Windstille und Sonnenschein kann man fast schon Frühlingsgefühle bekommen. Dagegen wird einem bei zehn Grad, nassem Klima und Sturmböen eher winterlich zumute.
Relativ gesehen herrschen auf dem Motorrad bei Windgeschwindigkeiten um 120 km/h praktisch Orkanverhältnisse. Wer bei 10 Grad nackt Motorrad fahren würde, könnte dabei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt fühlen (bitte nicht überprüfen). Demzufolge muss sich der Motorradfahrer noch erheblich mehr als ein Bergsteiger oder Skifahrer gegen Wind und Wetter schützen.
Eine denkbare Konsequenz: langsamer fahren. Aber davon wird es dem Biker auch nicht viel wärmer, zumal die Fahrt dann entsprechend länger dauert. Die andere Möglichkeit bringt mehr, nämlich möglichst viel Windschutz an der Maschine. Eine Verkleidung reduziert den Orkan zu einem Lüftchen. Noch angenehmer ist es, wenn außerdem durch Schächte oder Ritzen der warme Luftstrom von Motor und Kühler spürbar wird. BMW-Boxer-Fahrer kennen den angenehmen Effekt, dass die Zylinder die Füße wärmen.
Aber egal, ob mit oder ohne Verkleidung, ob mit langsamem oder hohem Tempo, an isolierender Bekleidung von den Zehen bis zu den Fingerspitzen kommt der Winterfahrer keinesfalls vorbei. Gute Anzüge und sinnvolle Handschuhe wurden auf den vorhergehenden Seiten bereits vorgestellt, in den Kästen auf diesen Seiten finden Sie weitere Tipps für die übrigen Körperteile. Wer sich optimal für Fahrten im Spätherbst, Winter oder an den ersten Frühlingstagen rüsten will, muss ein paar Mark fuffzig in vernünftige Thermobekleidung investieren. Für einige wenige Ausflüge vielleicht eine teure Sache. Aber sind nicht gerade diese Fahrten im Schnee oder bei Kälte auf einsamen Sträßchenin schöner Winterlandschaft sehr intensive Erlebnisse, die man nicht missen möchte? Wer will da von Kosten und Nutzen sprechen?
Schon für die Übergangszeit empfehlen sich Halskrausen. Gerade mit Lederkombis, die oft nur einen kurzen Kragen besitzen, holt man sich sehr schnell eine Erkältung. Im Winter ist der nahtlose Übergang vom Anzug zum Helm besonders wichtig. Großflächige Halswärmer, die den gesamten Brustbereich abdecken, sind erste Wahl. Wirksam ist die Kombination von Halswärmern plus Sturmhauben. Einige Möglichkeiten: Die Faserpelz-Haube von Louis (40 Mark), die allerdings nicht winddicht ist und daher mit einem Halswärmer kombiniert werden muss. Außerdem trägt sie dick auf, oft passt dann der Helm nicht mehr. Restless Windstopper-Sturmhaube (50 Mark), sehr lang und winddicht. Ähnlich: Rukka-Sturmhaube (70 Mark). Für Extremtouren sind Halskrausen gedacht, die direkt am Helm ansetzen, die gibt es zum Beispiel von Ixs oder Dainese. Prinzipiell eine gute Lösung mit dem Nachteil, dass der Luftaustausch eingeschränkt ist und das Visier entsprechend schnell beschlägt.
Nur die Luft macht´s möglich: Wer seinen Körper warm halten will, muss sich möglichst »luftig« einkleiden.
Das beste Material zur Isolation ist Luft, den Luft verringert den Wärmetransport. Isolierende Kleidung baut auf diesen Effekt, ob Thermokombi oder Unterbekleidung. Um den Körper mit möglichst viel Luft zu umgeben, ist das Zwiebelprinzip ratsam: Viele Schichten sinnvoll übereinander angeordnet sorgen für Schweißtransport, Isolation und ein wohliges Klima. Während Opa und Oma noch auf Baumwollunterwäsche schworen, gibt es heute High-Tech-Materialien mit besseren Eigenschaften, meist aus Polypropylen, Polyester oder Polyamid gefertigt. Markennnamen sind beispielsweise Tactel, Transtex, Thermolite oder Thermastat. Solche Kunsrfasern werden häufig mit Baumwolle oder Angora kombiniert. Funktions-Unterbekleidung gibt es im Sportgeschäft in der Winterabteilung, bei Outdoor-Spezialisten oder aber von den Motorrad-Zubehörketten. Zwischen Unterbekleidung und Thermoanzug kann man eine Lederkombi oder aber normale Straßenbekleidung tragen. Einige Beispiele für funktionelle Unterbekleidung: Der IXS-Zweiteiler (Jacke 129 Mark, Hose 89 Mark), obwohl nicht besonders dick, isoliert durch das Angora/Baumwolle-Gemisch sehr gut. Der flauschig dicke Helly-Hansen-Overall (260 Mark) von Louis hält durch einem hochflorigen, feuchtigkeits-transportierenden Material besonders warm. Wohlige Wärme garantiert auch die Twin Loop-Garnitur (Jacke 180 Mark, Hose 120 Mark) von Gericke, die aus zwei Schichten aufgebaut ist. Weitere Unterbekleidung liefern etwa Dainese, Restless oder Rukka. Als Ergänzung zum Anzug sind Nierengurte in der kalten Jahreszeit generell empfehlenswert, da eine Unterkühlung im Nierenbereich unangenehme Konsequenzen haben kann. Gerade bei zweiteiligen Textilanzüge ist die Verbindung von Jacke und Hose immer eine Schwachstelle, zusätzlicher Schutz dementsprechend wichtig.
Im Winter ist die Luft nicht nur kalt, sondern auch feucht, unbeschichtete Visiere beschlagen daher extrem schnell. Abhilfe: gute Visierbeschichtungen, beispielsweise bei Uvex und Schuberth. Bei anderen Helmen kann man sich mit Fogcity-Antibeschlagfolie von Held (ab 29 Mark) helfen, die einfach von innen in das Visier geklebt wird. Nachteil: Bei Dunkelheit gibt es mehr Verzerrungen und Reflexe. In diesem Punkt ist das Pinlock-Innenvisier (etwa xx Mark) besser, ein speziell beschichtete Scheibe, die von zwei Stiften gehalten wird. Lazer bietet für Wintertouren den Klapphelm Revolution an, bei dem eine Atemmaske die feuchte Luft ableitet (699 Mark). Wenn auch das nicht mehr nützt und das Visier langsam innen zufriert, dann bleibt als letzte Rettung nur noch ein beheiztes Doppelscheiben-Visier (149 Mark), wie es Gericke für die HJC-Helme ZR 7 und FG 11 anbietet. Winfried Richter baut heizbare Visiere für einige Schuberth- und BMW-Helme (xx Mark).
Heizbare Unterbekleidung für Extremtouren bei Kälte gibt es auch, jedoch sind dann Batterie und Lichtmaschine schnell am Ende (Hersteller: ). Ohne Energiezufuhr hingegen kommen Heizöfen (mit Benzibetrieb) und Heizkissen (auf chemischer Basis) aus. Man muß sich allerdings darüber klar sein, dass man sich mit diesen Helferchen nicht dauerhaft vor dem Auskühlen schützen kann. Aber sehr angenehm ist etwas wohlige Wärme zwischendurch auf jeden Fall. Werden die Magic Heat-Kissen bei Louis 15 Mark pro Paar) aktiviert, erhitzen sie sich in Sekunden auf über 50 Grad und spenden einmalig für eine gute Stunde Wärme. Zuhause lassen sie sich durch Aufkochen wieder aktivieren. Ein guter Tipp für den Nierenbereich, von dort aus verteilt sich die Wärme über den ganzen Rücken. Beim Restless-Nierengurt Alaska (99 Mark bei Louis) sind zwei kleine Kissen bereits integriert. Mit Benzin betriebene Handwärmer (12 Markbei Louis) können beliebig oft entzündet werden und sind so eher für Pausen zwischendurch interessant, um sich zum Beispiel durchfrorene Finger wieder aufzuwärmen.
Zuerst kriecht die Kälte in die Zehenspitzen, dagegen helfen nur richtige Winterstiefel. Doch die gibt´s gar nicht mehr.
Vor zwanzig, dreißig Jahren, als Motorradfahrer echte Ganzjahresfahrer waren, gab es noch richtige Winterstiefel, derbes Schuhwerk mit dicker Lammfellausstattung. Heute werden stattdessen von vielen Händlern Gore-Tex-Stiefel als wintertauglich empfohlen. Das trifft jedoch nur mit Einschränkungen zu: Die Membran hält vielleicht Wind und Wasser ab, nicht jedoch Kälte. Da gibt es nur eine Lösung: Möglichst viele isolierende Schichten zwischen Haut und Leder bringen. Und das geht nur, wenn der Stiefel groß genug ist. Ein gut passender Sommerstiefel kann sich daher zwangsläufig nicht als Winterstiefel eignen. Für den Winter müssen also spezielle Treter her. Der Daytona Trans Open (489 Mark) ist eigentlich ein gemäßigter Enduro-Stiefel, eignet sich wegen des derben Leders, des robusten Aufbaus und der Gore-Tex-Membran aber besonders gut für Wintereinsätze. Einen etwas zivileren Eindruck macht der Thermoboy-Stiefel von Polo, der Name verspricht allerdings mehr, als der Stiefel hält: Er verzichtet weitgehend auf Isolierung, die muss also mit Socken erst geschaffen werden. Wer für die wenigen Winterfahrten auch wenig Geld ausgeben will, findet bei Gericke den nur 70 Mark teuren Six Days-Stiefel. Ein einfacher, ganz aus Kunststoff gespritzter Stiefel mit Webfell, der eher einen Gummistiefel ähnelt, jedoch bei Kälte warme Füße garantiert.In allen Fällen gilt: Stiefel ein bis zwei Nummern größer wählen und mit isolierenden Socken kombinieren. Bei Frostfahrten empfehlen sich zwei paar Socken: Über einer dünneren Funktionssocke eine dicke Version, zum Beispiel Faserpelz von Louis (40 Mark), sehr gut sind auch Windstopper-Innenschuhe (60 Mark) von Polo. Nach unten halten Einlegesohlen die Kälte ab, gibt es zum Beispiel bei Louis entweder als Alutherm-Version (neun Mark) oder mit Schaffell (15 Mark).