3 Motorrad-Konzepte im Winter-Vergleichstest

BMW R 1250 RS, Kawa Versys 1000 S Tourer, Suzuki V-Strom 1050 XT
3 Motorrad-Konzepte im Winter-Vergleichstest

Veröffentlicht am 28.11.2023

Auch bei klirrender Kälte laden BMW R 1250 RS , Kawasaki Versys 1000 S Tourer und Suzuki V-Strom 1050 XT durchaus zu einer Ausfahrt ein. Sie verfügen über allerlei Komfort-stiftende Features, die sie zu Ganzjahres-Tourern qualifizieren. Hohe Scheiben mit viel Windschutz zum Beispiel oder geräumige Seitenkoffer für die Thermoskanne mit Tee und natürlich elektronische Helferlein für zusätzliche Sicherheit auf griparmem, kaltem Asphalt.

Und doch unterscheiden sie sich charakterlich, gehören gar unterschiedlichen Gattungen an. Die BMW R 1250 RS zählt zu den Sporttourern, Suzukis V-Strom 1050 XT ist eine Reiseenduro erster Güte, und die hochbeinige, aber auf 17-Zoll-Rädern laufende Kawasaki Versys 1000 S Tourer bildet die Crossover-Symbiose aus beiden. Jedes Konzept hat seine Vorzüge, die sich auf unserem gemeinsamen Winterausflug zeigen werden. In diesem Vergleich sind wir noch das 2022er-Modelle der Suzuki gefahren, den ersten Fahrtest der 2023er-V-Strom 1050 lest ihr hier.

Boxer-Motor der BMW R 1250 RS

Die BMW R 1250 RS schwingt unauffällig weiter über die im Herbst und Winter einsamen Serpentinensträßchen des Nordschwarzwalds. Ihr 1.254-Kubik-Shift-Cam-Boxer schiebt die Bayerin so kraftvoll die Berge hinauf, dass Drehzahl ebenso zur Nebensächlichkeit wird wie Spitzenleistung. Fürs Protokoll: 136 PS. Jeden Dreh am Gasgriff setzt die BMW in Vortrieb um – einfach, unkompliziert, mit leichtem Boxer-Vibrieren untermalt.

Vierzylinder der Kawasaki Versys 1000 S Tourer

Vibrieren, das der Kawasaki-Motor, der 1.043 Kubikzentimeter auf vier in Reihe angeordnete Zylinder verteilt, nicht kennt. Besonders bei niedrigen Drehzahlen verzückt er mit wunderbarer Laufkultur und die Versys 1000 S Tourer schnurrt sanft, aber weniger kraftvoll voran. Über das gesamte Drehzahlband verliert die 120 PS starke Kawa, wie auch die Suzuki V-Strom 1050 XT, deutlich auf die übermächtige BMW.

V2-Motor der Suzuki V-Strom 1050 XT

Der Suzuki-V2 schöpft "nur" 107 PS aus 1.037 Kubikzentimetern und stampft unterhalb von 2.500/min gar am unkultiviertesten auf der Kette herum. In mittleren und hohen Drehzahlen fühlt er sich dafür umso wohler, malt trotz zwei Zylindern weniger eine Leistungskurve ähnlich der des Kawa-Vierlings aufs Prüfstandsprotokoll und dreht erfrischend frei hoch.

Griffheizung, Getriebe, Quickshifter

Wenn man nach dem Ortsschild mal eben aus dem Keller auf Reisegeschwindigkeit beschleunigen möchte, sollte man bei V-Strom und Versys mindestens einen, besser zwei Gänge herunterschalten, sonst enteilt die R 1250 RS schnell. Der Suzuki-Fahrer muss die durchgefrorenen Finger der linken Hand vom unbeheizten Griff heben und die Kupplung betätigen (die optionalen Heizgriffe für ca. 340 Euro sind für Winterfahrer eine sinnvolle Investition), um im harten Getriebe mit klarem Druckpunkt die Fahrstufe zu wechseln.

Auf der Versys verweilt die Hand am wärmenden Griff, denn sie verfügt über einen Quickshifter mit Blipperfunktion. Er wechselt die Gänge im teigigen Getriebe mit langen Schaltwegen gut, bei niedrigen Drehzahlen aber mit leichtem Ruck. In der ausgewogenen Mitte zwischen den beiden sortiert sich die BMW-Schaltbox ein, die zusätzlich vom vorzüglichen Quickshifter unterstützt wird, der die Gänge beinahe ruckfrei wechselt, während die starken Heizgriffe Gas- und Kupplungshand durchgrillen. Ab 70 km/h profitiert der Versys-Pilot aber auf Dauer von den Handprotektoren, die, wie auch bei der Suzuki, die Hände gut abschirmen.

Windschutz auf BMW, Kawasaki und Suzuki

Ähnlich sieht’s beim Windschutz für Oberkörper und Helm aus. Die Scheibe der V-Strom leitet den kalten Fahrtwind gut um den Fahrer herum, die der Versys sogar noch etwas besser. Solange keine Regentropfen die Sicht beeinträchtigen, gefallen beide auf der Wintertour besser als die im Vergleich kleine (aber als einzige während der Fahrt verstellbare) BMW-Scheibe. Hinter den hohen Scheiben platzieren Kawasaki und Suzuki den Piloten zudem moderater, weil aufrechter als die sportlich ausgerichtete BMW R 1250 RS. Auf der BMW nimmt man spürbar weiter nach vorn gelehnt und mit spitzerem Kniewinkel Platz. Der Kawasaki-Crossover bedient sich bei der Ergonomie aus dem Reiseenduro-Repertoire: Man sitzt tief in die Kawa integriert auf einer komfortablen Sitzbank, mit dem breiten Lenker angenehm hoch vor sich. In dieser Position hält man es sogar noch länger aus als auf der Suzuki V-Strom, deren hartes Sitzpolster neben dem Reise- auch viel Enduro-Feeling vermittelt.

Schon am frühen Nachmittag scheint die Sonne in flachem Winkel zwischen den Bäumen der Waldstraßen hindurch. Lichtverhältnisse, die den Displays der Touring-Bikes alles abverlangen. Das üppige, matte BMW-Cockpit bleibt dabei sehr gut ablesbar, wie auch das kontrastreiche Kawa-Display. Auf der Suzuki erkennt man dagegen die aktuelle Reisegeschwindigkeit nur sehr schwer und ist froh, wenn der Vordermann das Tempo vorgibt.

3 Fahrwerke im Vergleich

Auch bei hoher Geschwindigkeit folgt die Kawasaki Versys 1000 S mit breitem Lenker und 17-Zöllern brav den Befehlen am breiten Lenker und zirkelt superhandlich durch die Radien. Das softe Fahrwerk dämpft komfortabel, schwingt aber nicht unangenehm nach. Auch beim Verzögern über die gut dosierbare Bremse bis in Schräglage stellt sich die Kawasaki Versys 1000 S auf den Bridgestone T31 (mit Sonderspezifikation "G") nur minimal auf. Noch weniger die V-Strom auf den Bridgestone A41 ("F"). In Kombination mit dem vergleichsweise straffen Grund-Setup gibt sie zudem auch bei niedrigen Temperaturen in Schräglage ein sehr vertrauenerweckendes Gefühl und ermuntert zum ambitionierten Abwinkeln. Das 19-Zoll-Vorderrad macht sich allerdings dadurch bemerkbar, dass die Suzi ab 70 km/h spürbar träger einlenkt als im niedrigen Geschwindigkeitsbereich.

Die BMW sortiert sich hier einmal mehr in der Mitte ein. Sie biegt nicht ganz so flink ab wie die Kawasaki, bleibt mit steigendem Speed konstant handlich und rollt insgesamt am stabilsten in Schräglage. Auf den am Testmotorrad montierten Metzeler Roadtec Z8 Interact (vorne "M", hinten "C") will sie aber stets mit etwas Krafteinsatz am tiefen Lenker auf die enge Linie gedrückt werden. Die letzte BMW R 1250 RS, die im Herbst auf Metzeler Roadtec 01 SE das Testprozedere durchlief, brauchte dafür keinerlei Nachdruck und stellte sich beim Bremsen in Kurven zudem weniger stark auf.

Brems-Performance im Vergleich

Apropos Bremsen: Die Brembo-Anker der BMW beißen initial so kräftig zu, dass man sich beim Umstieg von einem der anderen Tourer kurz an die Dosierung über wenig Hebelweg gewöhnen muss. Dann lässt sich die BMW R 1250 RS mit wenig Handkraft aber präzise verzögern und liegt dabei am stabilsten. Über rutschige Flecken, von denen es im Herbst und Winter eine ganze Menge gibt, regeln alle 3 ABS-Systeme zuverlässig, das der BMW mit den feinsten Intervallen.

Fahrmodi und Mappings

Ihr (aufpreispflichtiges) Elektronikpaket beinhaltet unter anderem das semiaktive, an die Fahrmodi gekoppelte ESA-Fahrwerk, das einen breiten Einstellbereich abdeckt und mit dem besten Ansprechverhalten besonders auf holprigem Untergrund positiv heraussticht. Insgesamt bietet die BMW außerdem viele Möglichkeiten, die Fahrmodi fein zu justieren.

Auch bei der Kawasaki lässt sich der "Rider"-Modus auf die persönlichen Vorlieben anpassen. Einen anderen Weg geht hier Suzuki. Die Mappings der V-Strom sind zwar festgeschrieben, ihre Spreizung fällt dafür besonders breit aus. Das Bike wandelt sich vom sanft ansprechenden Schmusetourer (Modus 3) auf Knopfdruck zum extrem spritzigen, motivierten Sportgerät (Modus 1). Die mittlere Stufe vereint beides gekonnt.

Mit den Winter-Bikes auf der Autobahn

Test-Endspurt über die Autobahn, die Sonne liegt schon beinahe auf dem Horizont. Trotz Koffern schweben alle 3 Bikes bei hohem Tempo jenseits der Richtgeschwindigkeit sicher über die linke Spur. Vorneweg die BMW, die auch ohne Anzeichen von Unruhe die 200-km/h-Marke überschreitet. Ab etwa 180 Sachen sind bei der Suzuki leichte und bei der Kawasaki etwas stärkere (aber nicht beunruhigende) Bewegungen um die Lenkachse spürbar.

Der winterliche Ausflug war mit allen 3 Bikes ein Genuss. Auf der BMW R 1250 RS vor allem bei schaltfaul-sportlicher Fahrweise, wenn der Boxer unbändig von einer Kurve zur nächsten schiebt. Die Suzuki V-Strom 1050 XT hält mit, wenn man den V2 drehen lässt, intuitiv reist man auf ihr aber weniger flott, genießt lieber das entspannte Unterwegssein in reiseenduristischer Position. Ähnlich wie auf der Kawasaki Versys 1000 S Tourer. Auch ihr Motor braucht Drehzahl, wenn’s vorangehen soll, doch die Versys springt wieselflink von einer Schräglage in die nächste. Schneller Galopp oder entspannter Trab – geht beides mit allen drei Bikes. Man muss sich nur entscheiden, wo man den persönlichen Schwerpunkt setzen möchte.