Motorradjacken und -hosen
Das Zauberwort lautet „Risikoabschätzung”. Schutzkleidung dient dazu, die Folgen eines Motorradunfalls erträglich zu halten. Wer also - beispielsweise aufgrund eines Paktes mit einer höheren Macht - sicher ist, nie in einen Unfall verwickelt zu werden, kann in Badehose Motorrad fahren. Und mit Helm, denn der ist vorgeschrieben.

Doch selbst der harte Kern der Motorradgottesdienst-Besucher trägt häufig das volle Programm an Schutzmaßnahmen - bis hin zur Warnweste; die Deals mit „oben” scheinen wenig zuverlässig zu sein. Wer es gern sehr sportlich angehnt, die StVO ausreizt, sich gelegentlich gar auf die Rennstrecke begibt, kommt um eine sportliche Lederkombi nicht herum. In puncto Abriebfestigkeit und Schutzwirkung gibt es nichts Besseres. Der enge Sitz verhindert zudem, dass die Protektoren verrutschen.

Die Kehrseite: Leder ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schönwetter-Spezialist und auf dem Motorrad weniger komfortabel zu tragen als Textilkleidung. Mit einer vernünftigen Membran ausgestattet übersteht diese auch mal einen handelsüblichen Sommerregen. Sie schränkt den Fahrer außerdem weniger in seinen Bewegungen ein und trägt so zur aktiven Sicherheit bei. Solange man nicht stürzt, ist sie im Vorteil. Und wenn es doch einmal dazu kommt, machen CE-Protektoren und abriebfeste Kunstfasern ihre Sache auch nicht schlecht. Die Entscheidung für mehr aktive oder mehr passive Sicherheit liegt bei jedem Biker selbst.

Zweiteiler, ob aus Leder oder Textil, brauchen unbedingt einen stabilen Reißverschluss, damit die Jacke bei einem Sturz nicht hochrutscht und ihre Schutzwirkung verloren ist. Der Reißverschluss sollte über eine möglichst lange Strecke um den Rumpf verlaufen - nicht nur 10 Zentimeter im Bereich der Wirbelsäule - und fest mit den Obermaterial, nicht etwa mit dem Futter vernäht sein. Noch stabiler sind natürlich Einteiler - aber da stellt sich wieder die Komfort-Frage.

Motorradbekleidung mit Klimamembran legt seit 20 Jahren einen Höhenflug hin. Das gilt für Fahranzüge, aber auch die meisten Handschuhe und Stiefel sind dank „Folientechnik“ regenfest und sommertauglich. Ein Angriffspunkt war bislang die Abriebfestigkeit der Außenstoffe. Wer höchste Sicherheit wollte, griff doch zum Leder. Gore-Tex hat 2008 mit Lederlaminat einen praxistauglichen Neuanfang gemacht, andere Anbieter folgten. Interessante Ansätze zeigt die C-Change-Membran des Schweizer Textilveredlers Schoeller, die sich wechselnden Temperaturen anpasst. Bei Wärme öffnet sich die Struktur, um die Dampfdurchlässigkeit zu erhöhen. An kalten Tagen schließt sie sich und isoliert. Der ganz große Markterfolg lässt zwar noch auf sich warten, aber die Richtung stimmt.

Es gibt verschiedene Konstruktionen einer Klimamembran, die jeweils besondere Eigenschaften haben. Bei der Direkt-Beschichtung wird die Membran wird mit dem Außenstoff verklebt.

Bei der Z-Liner-Konstruktion hängt die Membran lose zwischen dem Gewebe.

Bei der Futterliner-Konstruktion wird die Membran mit dem Futter verklebt.

So kompliziert, wie menschliche Hände aufgebaut sind, so schwierig ist es, einen guten Motorradhandschuh anzufertigen. „Gut” bedeutet hier drei Dinge auf einmal: Erstens abriebfest, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird ein stürzender Motorradfahrer reflexhaft versuchen, sich mit den Händen abzufangen. Zweitens sollen Handschuhe irgendwie schlagdämpfend wirken. Allerdings steht für Protektoren deutlich weniger Raum zur Verfügung als beispielsweise an einem Fahreranzug. Drittens sollen sie möglichst exakt passen, dabei rutsch- und abstreifsicher sitzen.

Dazu kommen Anforderungen an Tragekomfort, Griffgefühl, möglicherweise Wetterfestigkeit und natürlich an den Preis. Einen maßgeschneiderten Handschuh werden wohl die wenigsten Motorradfahrer bezahlen wollen. Hier greift wieder die Risikoabschätzung, jeder muss sich fragen, welchen Kompromiss er einzugehen bereit ist. Maximale Sicherheit auf Kosten des Tragekomforts? Oder ein paar Euro sparen, dafür Lederfalten in der Innenhand in Kauf nehmen? Wer zu billig kauft, kauft bekanntlich zweimal.
Scheibenwischer am Handschuh

Manchmal sind die praktischsten Erfindungen ganz einfach: Scheibenwischer am Handschuh zum Beispiel. Wenn bei Regen die Tropfen auf dem Helmvisier hängen, ist so eine Gummilippe am linken Zeigefinger eine grandiose Sache. Vereinzelt wurden auch schon separate Wisch-Überzieher gesichtet (bei Louis für 3,99 Euro; Best.-Nr. 20018000), aber die sind nur zweite Wahl gegenüber der fest eingenähten Lösung. Ja, es mag ein bisschen seltsam aussehen - aber es erfüllt seinen Zweck. Und darauf kommt es an.

Der Kompromissgedanke zwischen Sicherheit und Komfort wird nirgends so deutlich wie beim Schuhwerk: Helm, Jacke und Handschuhe kann man mal schnell ausziehen, um in den Biergarten einzukehren. Aber wer hat schon ein Paar Adiletten im Gepäck, um mal eben die Fußbereifung wechseln zu können? Was für Sportfahrer die Mindestausstattung darstellt, kann für Tourenfahrer, die in ihren Motorradschuhen auch mal ein paar Meter laufen wollen, schon zu viel sein: Zu viel Steifigkeit - die natürlich den Knöchel schützt, aber das Gehen erschwert. Zu glatte Sohlen - die auf der Rennstrecke das aktive Fahren erleichtern, auf festem Boden aber gern mal Gripverlust verursachen. Zu enge Verschlüsse - die verhindern, dass der Stiefel bei einem Sturz abgestreift wird, aber wenig Bewegung im Unterschenkel zulassen. Austauschbare Zehenschleifer - die dem engagierten Kurvenwetzer helfen, Geld zu sparen, aber den Schuh im Alltag unnötig groß werden lassen.

Für den touristischeren Motorradstiefel sind andere Qualitäten entscheidend: Mindestens knöchelhoch allerdings müssen sie sein, um sich das Attribut „motorradtauglich” zu verdienen. Ein langer Reißverschluss, der unter einer Klettlasche verschwindet, ist eine komfortable und haltbare Lösung. Eine Schnellschnürung mit Riegel und Klettlasche taugt ebenfalls gut als Mechanismus. Lose Schnürsenkel sind hingegen kaum eine gute Option - ganz egal, ob sie sich unter einer Lasche verbergen lassen. Eine Membran gegen Regen ist kein Luxus; ein herausnehm-barer Innenschuh schon. Eine Verstärkung auf dem linken Oberfuß erleichtert das Schalten, die Sohle muss aus dem gleichen Grund einen guten Tritt vertragen, darf aber etwas weicher sein als beim Sportstiefel.

Nein, hier folgt keine Mario-Barth-Pointe über Frauen. Auch die wenigsten Herren der Schöpfung sind vollkommen uneitel und legen Wert darauf, dass die Ausrüstung nach irgendetwas aussieht. Wer eine 48-PS-Allerweltsmaschine fährt und wenigstens den Klamotten nach wie ein Doppelweltmeister wirken will, dafür in einen maßgeschneiderten Leder-Einteiler, 200-Euro-Rennhandschuhe sowie Helm und Stiefel aus der GP-Replika-Kollektion investiert - bitte sehr, dagegen ist nichts einzu-wenden. Wer nach seiner persönlichen Risikoabschätzung zu der Erkenntnis gelangt, dass ihm ein Jethelm, feste Schuhe, eine Lederjacke, Jeans und Kurzhandschuhe sicher genug für die 15 Sonntagskilometer zur Eisdiele und zurück sind - auch recht. Verzicht auf Sicherheitsfeatures ist eine Sache, das vorsätzliche Anbringen von Unfug (und dazu gehört der Stiefelabsatz rechts) ist eine ganz andere. Finger und Füße weg.

Die Zeiten, da sich Integralhelme noch als „Aquarium” oder „Astronautenzeug” titulieren lassen mussten, sind lange vorbei. Unter Sport- und Normalfahrern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein intakter Unterkiefer eine feine Sache ist. Ganz abgesehen davon hält so ein rundum geschlossener Kopfputz Wind und Insekten beim Motorradfahren prima vom Antlitz des Trägers fern. Manch einer fühlt sich allerdings dermaßen unwohl mit dem Balken vorm Kinn, dass er bewusst auf dessen Sicherheitsgewinn verzichtet und zum Jethelm greift - mit Brille oder Visier.

Manche Old- und Youngtimerfahrer halten es auch für einen Stilbruch, moderne Motorradhelme mit klassischen Fahrzeugen zu kombinieren. Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt Gründe, Jethelm zu tragen. Nicht gelten kann allerdings, dass ein Jethelm bequemer anzuziehen sei als ein Integralhelm und darüber hinaus für Brillenträger komfortabler. Die Mischform, die diese Vorteile mit der Sicherheit eines Integralhelms verbindet, heißt Klapphelm. Auch er hatte in den ersten Jahren seiner Existenz mit unsachlichen Kommentaren und despektierlichen Spitznamen zu kämpfen (der Autor will sich aus der Reihe der Lästermäuler gar nicht ausnehmen). Aber zumindest das Design moderner Exemplare gibt kaum Anlass für Häme.

Einige lassen dem Fahrer sogar die Wahl, ob er sie offen als Jethelm oder geschlossen als Integralhelm fahren möchte - zu erkennen an der Kennzeichnung „P/J” auf dem Zulassungsaufnäher. Hartgesottene Sportfreaks, die um jedes Gramm feilschen, werden noch gern darauf verzichten. Alle anderen greifen verstärkt nach Integral-, Jet- und Klapphelmen mit Sonnenblende. Kein Wunder - irgendwie muss man sich ja gegen Gegenlicht wehren.
Getönte Visiere sind in der Dämmerung gefährlich, und einfacher als das Herumhantieren mit Brillenbügeln ist eine klappbare Blende allemal. Ob sie nun nach Schuberth-Manier per Schieber am Kinn, à la Shark per Hebel auf Höhe des rechten Ohrs oder wie bei HJC gegen eine Feder entlang des Scheitels aktiviert wird, ist zweitrangig. Hauptsache, sie ist zur Fahrernase und einer eventuell darauf befindlichen Brille kompatibel.

Tragen Sie Schuhe mit fest eingearbeiteten Socken? Wahrscheinlich nicht. Hätte uns auch gewundert. Aber beim Helmfutter ist man bisweilen nicht ganz so konsequent und behilft sich mit Polsterreiniger und Geruchskiller. Wenn Ihr Helm mit herausnehmbarem Futter ausgestattet ist, dann nutzen diese Option von Zeit zu Zeit. Und belassen Sie es nicht beim Herausnehmen, sondern waschen Sie das Futter gründlich durch. Wagen Sie danach ruhig mal einen Blick aufs Abwasser. Sie werden nie wieder einen Helm mit fest verklebtem Futter kaufen, Ehrenwort.