Brücken bauen - prima Sache. Etwa um trockenen Fußes über den Fluss zu kommen. Auch im übertragenen Sinne, zum Beispiel wenn man zur allgemeinen Völkerverständigung fremde Menschen zum Kaffee einlädt. Toll sind auch Eselsbrücken, die dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Richtig übel hingegen sind Kältebrücken. Kennen Sie nicht? Doch, ganz bestimmt. Falls wirklich nicht, hier ein Selbsttest zum Nachmachen: einfach warten, bis es draußen deutlich unter zehn Grad kalt ist, dann Motorrad rausholen und losfahren. Nur etwas falsch angezogen, und die Kälte wird binnen Minuten fies durch jede Ritze kriechen und den Fahrer so lange piesacken, bis dieser frierend klein beigibt. Die Einlässe für den kalten Fahrtwind brauchen nur winzig zu sein, aber eben diese kaum sichtbaren Schwachstellen machen dem Fahrspaß schnell den Garaus. Bei Motorradkleidung, selbst wenn diese als wetterfest ausgewiesen ist, entstehen besonders an den Ärmeln und am Kragen häufig besagte Kältebrücken. Nur wenige Kombis auf dem Markt erheben den Anspruch, wintertauglich zu sein.
Beim Kauf einer Kombi sollte man deshalb schon bei der Anprobe auf clevere Lösungen achten, etwa Ärmelabschlüsse als Labyrinthkonstruktion mit engen Stretchbündchen. Die Ärmel können dann die Handschuhstulpen überlappen, Wasser und Wind müssen draußen bleiben. Die Hände selber, noch schlimmer die Finger, werden bei Winterfahrten grundsätzlich am härtesten rangenommen. Ihnen sollte man für kalte Tage auf jeden Fall ein ordentliches Paar Winterhandschuhe gönnen. Hier ist die Auswahl groß, und der MOTORRAD-Test soll Orientierung bieten. Grundsätzlich unterscheiden sich Winterhandschuhe in Modelle mit fünf Fingern und Drei-Finger-Handschuhe. Bei den eine höhere Wärmeleistung versprechen-den „Schweinepfoten“, stecken der kleine und der Ringfinger sowie Mittel- und Zeigefinger jeweils zusammen in einer Kammer und sollen sich wie ein Pärchen unter einer Decke gegenseitig wärmen. Theoretisch, denn die Praxistests zeigten, dass die Fünf-Finger-Modelle teilweise ebenbürtig gut isolierten. Und starke Undichtigkeiten wie beim Difi Husky oder IXS Milton ließen bei nasskalter Witterung den angeblichen Vorteil eines Drei-Finger-Exemplars schnell in (eiskalter) Luft aufgehen.
Weiteres Problem dieser Modelle: Das Griffgefühl ist sehr gewöhnungsbedürftig. Motorrad-anfängern sei vorsichtiges Herantasten angeraten, ansonsten kann man sich bei unerwarteten Fahrmanövern auch mal vergreifen und böse auf der Nase landen. Und leider glänzten die eigentlich auf extremen Winter ausgelegten Handschuhe nicht unbedingt beim Kriterium Sicherheit. Die dreifingrigen ließen sich teilweise extrem leicht abstreifen (Held Talin, IXS Milton), die Ausstattung mit nur wenigen Materialdoppelungen, Polstern und Protektoren ließ generell zu wünschen übrig. Nur der erfreulich preisgünstige Probiker Cool Breaker und der fein gemachte Rukka GTX Lobster empfehlen sich mit klasse Kälteschutz und gutem Sturzschutz. Unbestritten ist, dass die Fünf-Finger-Winterhandschuhe bezüglich Sicherheit und Fahrdynamik aber die bessere Wahl sind. Bei den Sturmhauben spielt Sicherheit kaum eine Rolle, wobei die aktive Sicherheit nicht durch einen mangelhaften Tragekomfort beeinträchtigt werden sollte. Das ist bei keiner Haube der Fall, und beinahe jeder Testkandidat erfüllte das schwergewichtigste Testkriterium, Wetterschutz von Hals- und Nacken, mit Bravour.





Wer bei Kälte mit dem Motorrad fährt, ist an diesen Stellen durch Kältebrücken besonders gefährdet. In diesem Bereich verlaufen die Arterie Carotis und die Vene Jugularis knapp unterhalb der Hautoberfläche. Durch Fahrtwind kann hier viel Körperwärme abgeleitet werden, es drohen Unterkühlungen mit Erkältungsfolgen. Und ein verkühlter Nacken führt zu unangenehmen Muskelverspannungen. Geschlossene Sturm-hauben, am besten mit Extra-Windschutz und wärmendem Fleecematerial, sollten deshalb im Winter zur Grundausstattung gehören. Sehr sympathisch ist das vielseitig, also auch als Sturmhaube einsetzbare Multituch von Buff, denn außerhalb der Wintersaison sind die etwas kompliziert handzuhabenden Sturmhauben eher Geschmackssache, während auf ein Halstuch beim Motorradfahren besser nicht verzichtet werden sollte. Vollschutz bei super Tragekomfort bieten die Hauben von Held, IXS und Rukka.
Schafft man es als Winterfahrer, alle Kältebrücken durch gut harmonierende Handschuhe, Sturmhaube und Motorradkombi weitestgehend abzureißen, stellt sich die Frage: Was darunter an-ziehen? Viel hilft viel stimmt nur bedingt, denn wer drei, vier dicke Pullis übereinanderzieht, beraubt sich unnötig seiner Bewegungsfreiheit. Richtig ist, sich im Zwiebelprinzip mit mehreren, eng anliegen-den Schichten zu kleiden, zwischen denen die Luft die eigene Körperwärme gut speichern kann. Außerdem wird Feuchtigkeit so am besten nach außen transportiert. Erste Schicht (neudeutsch: Base-Layer) sollte eine dünne Sportwäsche aus reinem Synthetikgewebe (wahlweise auch Wollmix) sein, darüber kommt der Mid-Layer, ein atmungsaktives Set aus Microfleece oder einem mittelstarken Wollgestrick. Je nach Kälte passt dann noch komfortabel ein dicker Fleecepulli, ein Funktionsunteranzug oder sogar eine Heizweste unter die Kombi. So gerüstet steht einer Wintertour nichts im Wege. Doch Vorsicht bei Brücken, diesmal die ganz normalen: dort besondere Rutschgefahr wegen überfrierender Nässe. Fahrstil bitte genau wie die Kleidung den äußeren Bedingungen anpassen.
Tipps für kalte Tage





Hände, Hals und Gesicht gut verpackt? Wunderbar, zumindest mit den als gut und sehr gut bewerteten Produkten sollte bei Winterfahrten nichts anbrennen, besser gesagt: nichts abfrieren. Doch mit Handschuhen, Sturmhaube und richtiger Kleidung ist es oft nicht getan. An frostigen -Tagen kommt selbst gute Winterkleidung an ihre Grenzen. Besonders an den Füßen wird die Lage schnell prekär. Spezielle Motorrad-Winter-stiefel sind normalerweise nicht im Programm, deshalb empfiehlt sich für die kalte Jahreszeit ein hoher, absolut wasserdichter Tourenstiefel, der genügend Platz für zwei Paar Socken bietet. Direkt am Fuß sollte man auf dünne Sportsocken mit hohem Synthetikanteil setzen, die Feuchtigkeit optimal aufnehmen und weiterverteilen.
Als zweite Schicht empfehlen sich dicke Wollsocken - Outdoor-Produkte oder hochwertige Skisocken kosten unter 30 Euro, die Selbstgestrickten von Mutti tuns aber auch. Wichtig ist, dass ein isolierendes Luftpolster im Stiefel entsteht, und Nässe (schon normaler Fußschweiß fördert das Auskühlen) gut nach außen entweichen kann. Sollte die eigene Körperwärme nicht aus-reichen, bietet der Fachhandel spezielle Ein-heizer (siehe Fotos rechts) wie etwa eine -Fußheizung mit Akkus (z. B. Footwarmer von Hotronic, www.hotronic.de, ab rund 160 Euro) oder die schon ab 1,60 Euro erhält-ichen, recht praktischen Wärmekissen von Heat Pax (Infos über Nieman und Frey GmbH, Telefon 0 21 51/55 54 20, www.warmbleiben.de), die an der Luft chemisch rea-gieren und über Stunden angenehme Wärme spenden. Danach wandern die giftfreien -Mini-Einlagen in den normalen Hausmüll. Ähnlich funktio-nieren auch Gel-Wärmekissen zum Wiederverwenden (z. B. Probiker von Louis, Telefon 0 40/73 41 93 60, www.louis.de, 6,95 Euro pro Paar), die man am besten unterm Nierengurt platzieren sollte, um die Körpermitte nicht auskühlen zu lassen. Westen, die per Strom aufgeheizt werden, gelten als schweres Geschütz im Kampf gegen das Frieren - jedoch nur, wenn sie einwandfrei arbeiten.