Zum Offroad-Vergleichstest mit der BMW R 1300 GS Adventure und der ebenfalls neuen, dirt- und traveloptimierten Ducati Multistrada V4 Rally in den Norden Spaniens, wo es im Hinterland (noch) genügend legale und asphaltfreie Wege und Sträßlein gibt, um dem Adventure-Spirit auf den Zahn zu fühlen.
BMW R 1300 GS Adventure: 600 Kilometer Reichweite
Mit "offroad" meinen wir hier Pisten und nicht Hardcore-Gelände. Denn dort hält sich der Spaß mit den riesigen, zudem vor allem vollgetankt doch arg kopflastigen Reiseenduros auch für Routiniers durchaus in Grenzen, während der Hobby-Endurist bei steigendem Schwierigkeitsgrad schnell große Fortschritte in Richtung Minimierung des Zeitwerts macht. Das Risiko ungewollter Bodenkontakte lässt sich verringern, wenn man gewahr wird, dass es in den seltensten Fällen wirklich 500 (Reichweite der Ducati Multistrada V4 Rally) oder gar 600 (BMW R 1300 GS Adventure) Kilometer bis zur nächsten Tränke sind, und man folgerichtig dem Impuls des Volltankens widersteht.
Bleibt dann nur die Sitzhöhe, die auf der BMW R 1300 GS Adventure im Extremfall dank Verstellmöglichkeit hier wie dort mit 910 mm wahrer Höhe 65 mm über der Ducati Multistrada V4 Rally liegen kann. Zudem sollte man sich gut überlegen, wo man besonders die BMW parkt. Denn leicht hangabwärts auf dem Seitenständer geparkt, kann schon das Aufrichten in die Senkrechte zu einer Aufgabe werden, die nicht immer ohne externe Unterstützung zu lösen ist. Die Multistrada V4 Rally gibt sich diesbezüglich deutlich verbindlicher.
Adventure-GS mit adaptivem Tempomat und aktiver Sitzhöhenverstellung
Sowohl BMW R 1300 GS Adventure als auch Ducati Multistrada V4 Rally sind neben einem Übermaß an Leistung und Drehmoment auch reich mit elektronischen Helfern ausgerüstet. Und obschon die BMW sowohl auf den adaptiven Tempomaten wie auch die aktive Sitzhöhenverstellung verzichtet (unter 25 km/h wird um 30 mm abgesenkt, ab 50 km/h geht es wieder aufwärts), gibt es deutlich mehr Infos, Mappings und Settings zu verwalten, als es Platz am Lenkerende gibt.
Weshalb die Dreh-, Drück- und Wippschalter zwangsläufig mehrfach belegt sind und es schon einer gewissen Einarbeitungszeit bedarf, bis man zielsicher zum gewünschten Menüpunkt gelangt. Man kann unter insgesamt fünf Modi (Eco, Rain, Road, Dynamik und Enduro, die letzten beiden zusätzlich noch als Pro) auswählen, wobei sich die Pros in Sachen Dämpfung, Gasannahme, TC- und ABS-Verhalten feintunen lassen.
Ducati Multistrada V4: umfangreiche Abstimmungsmöglichkeiten
Das Nämliche gilt in verschärftem Maß auch für die Ducati Multistrada V4 Rally, nur dass hier ein Vier-Wege-Schalter das Drehrad ersetzt. Die Informationsfülle ist ebenso umfangreich wie bei der BMW, die Abstimmungsmöglichkeiten aber deutlich umfangreicher und komplexer. So sind die Modi Urban, Enduro, Touring und Sport zwar entsprechend vorkonfiguriert, lassen sich aber sowohl in der Federvorspannung und Dämpfung (vorne und hinten getrennt) als auch bei den Eingriffsschwellen von ABS, Traktions- und Wheeliekontrolle sowie der Motorbremse individuell abstimmen. Auch bei der Ducati dauert es, bis man in den Tiefen der Menüs zielsicher unterwegs ist.
An dieser Stelle sei ein kleiner Einschub gestattet: Die Fotoproduktion und ein Teil der Testfahrten fand im Rahmen des diesjährigen Reifentests in Nordspanien statt. Dort war die BMW R 1300 GS Adventure mit den Enduro-Schmiederädern ausgerüstet, auf die Michelin Anakee Wild-Pneus gezogen waren. Die Verbrauchs- sowie die Messfahrten wurden dann mit den Standard-Kreuzspeichenrädern sowie ebenfalls Metzeler Karoo 4-Gummis durchgeführt.
Beide Motorräder waren mit identischen Größen (120/70 R 19 und 170/60 R 17) mit Lastindex 60 bzw. 72 T bestückt, die bis 190 km/h zugelassen sind. Bis zu diesem Tempo (und auch darüber hinaus) läuft die BMW R 1300 GS Adventure auf Asphalt bockstabil und gelassen geradeaus, während die Ducati Multistrada V4 Rally leichte, wenngleich harmlose Rührbewegungen an den Tag legt. Im Gegenzug lässt sie sich trotz der Grobstöller verhältnismäßig leicht abwinkeln und umlegen, die BMW wirkt im direkten Vergleich deutlich träger und behäbiger, vor allem beim Einlenken.
Wie mit einem Messer bei einer Schießerei
Generell gilt: Konfrontiert mit 145 bzw. 170 PS fühlt sich der Reifen wie jemand, der mit einem Messer zu einer Schießerei kommt: chancenlos! Dank je nach Modus mehr oder weniger fein dosierbarer Leistungsabgabe hier wie dort und Rettungsankern in Form von ABS und TC lässt sich die Power jeweils zwar gut beherrschen, in der oberen Hälfte des Drehzahlbandes ist man dennoch unabhängig vom Untergrund ein seltener Gast. Was vor allem bei der Ducati Multistrada V4 Rally schade ist. Denn ihr V4 kann, obwohl seine 16 Ventile nicht mehr via Desmodromik, sondern per schnöder Schlepphebel betätigt werden und er gegenüber der Panigale 46
PS weniger leistet und auch stark domestiziert wurde, nicht verhehlen, dass er im Grunde seines Herzens ein Sportmotor ist.Drehzahlen unter 3.000/min betrachtet er als unter seiner Würde, im Fünften und Sechsten sollten definitiv nicht weniger auf der Uhr stehen, soll die Sache sich rund anfühlen. Zudem läuft er bis zu dieser Marke recht rau und rappelig und spart auch nicht mit feinen Vibrationen. Ab etwa 6.000/min ändert sich der Charakter dann deutlich. Die Laufruhe steigt, ebenso der Kampfgeist. Bei 12.200/min bereitet der Begrenzer diesem dann ein Ende. Verteilt über sechs Gänge heißt das 95, 129, 163, 197, 231 und theoretisch 270 km/h. Wohlgemerkt, bei einer Reiseenduro!
Nicht ganz überraschend zeigt sich der Einskommadrei-Liter-Boxer von ganz anderem Wesen. Er akzeptiert den Sechsten bereits ab rund 1.500/min und schiebt die fette Fuhre ohne Murren voran. Drehzahlen über 6.000/min gehen ihm zwar auch locker von der Hand, pardon Kurbelwelle, sind aber im Alltag schlicht nicht notwendig. Der Begrenzer greift bei 9.000/min ein, die dazugehörigen Tempi lauten 83, 118, 155, 190, 222 und ebenfalls theoretisch 254 km/h. Die deutlich kürzer übersetzte Ducati Multistrada V4 Rally dreht bei gleichem Tempo und Fahrstil stets mindestens 1.000 Touren höher und so verwundert es nicht, dass sie sich auf der Verbrauchrunde mit 6,0 einen Liter mehr genehmigte als die BMW R 1300 GS Adventure. In freier Wildbahn beherzt bewegt dürfen es hier wie dort auch gut und gerne bis zu zwei Litern mehr sein.
Multistrada mit verstellbaren Windschild
Nicht nur motorisch, auch in der Ergonomie unterscheiden sich die beiden deutlich. Auf der Ducati Multistrada V4 Rally sitzt man mehr im als auf dem Bike, die Tankflanken sind deutlich schmaler als bei der BMW R 1300 GS Adventure, der Lenker sitzt genau da, wo er bei einem Reisemotorrad hingehört. Der relativ breite, händisch um 80 mm verstellbare Windschild sorgt für ordentlich Windschutz. Ganz anders dagegen die Trophy: Ihr Sitzpolster ist deutlich schmaler, wenngleich weicher gepolstert, man sitzt gefühlt näher am Lenker, der sich trotz gleicher Breite und Höhe wesentlich tiefer anfühlt. Zudem sind die Fußrasten höher und weiter hinten motiert als bei der Rally. Das ganze Arrangement fühlt sich deutlich "crossiger" und aktiver an, weniger touristisch. Zum Fahren im Stehen taugt das aber gut. Ihr kleiner Schild ist zwar elektrisch um 90 mm variabel, kommt aber in seiner Wirkung an die Duc nicht heran.
Was insofern egal ist, denn sowohl bei BMW wie auch bei Ducati lässt sich mithilfe der jeweiligen sehr umfangreichen Konfiguratoren das Objekt der Begierde nach Gusto gestalten. Was uns zum Thema Geld führt. In der gezeigten Ausführung kostet die BMW R 1300 GS Adventure 26.980 Euro, die Ducati Multistrada V4 Rally gar 32.300 (Stand: Dezember 2024. Viel Schotter, den man erst einmal übrighaben muss.