Fahrbericht Honda CRF 1000 L Africa Twin - Teil 2 Offroad

Fahrbericht Honda CRF 1000 L Africa Twin - Teil 2 Offroad Offroad-Test in Südafrika

"Be careful, beware of the ruts", mahnte der Tourguide noch in einem Afrikaans-Englisch-Mix. "Roots?" - "Yes, ruts!" Okay, nicht Wurzeln, sondern Rillen, verstanden. Genutzt hat es nichts. Und es gab weitere Überraschungen beim Offroad-Test in Südafrika.

Offroad-Test in Südafrika Honda
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Pffffft – die Luft ist raus. Beim Fahrer nach zig Kilometer Offroad-Piste bei Touws River östlich von Kapstadt so ganz allmählich, beim Vorderreifen hingegen schlagartig. Die unplanmäßige Schlauchsprengung mündet in eine herzergreifende Rudereinlage am Lenker. Puh, war knapp. Eine dieser kaum erkennbaren, 20 Zentimeter tiefen Querrillen übersehen, und mit einem heftigen Schlag knallt die Gabel bis zum Anschlag durch. Da helfen keine Clicks an der Gabel, kein hoher Luftdruck, in so einem Fall gibt der Klügere nach. Besser der Schlauch als die Felge.

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Okay, ein Fahrfehler sicherlich. Hätte eine härtere Federung die Auswirkungen mindern können? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sicher ist, dass eine Honda Africa Twin kein Crosser ist, sondern eine Reiseenduro mit dem Schwerpunkt auf Fahrkomfort auf Asphalttouren, und der ist hervorragend. Das bedeutet im Gelände Kompromisse. Für Extremsituation wie die solcher „ruts“ kann die Federung nicht ausgelegt werden, schon gar nicht bei 230 Kilogramm Lebendgewicht plus Fahrer.

Feedback, Dosierbarkeit, Traktion

Erstaunlich, was mit solch einem Kaliber im Gelände möglich ist. Solange die Piste einigermaßen plan ist, arbeitet die voll einstellbare Federung der Honda CRF 1000 L Africa Twin gut, spricht auf Steine und Löcher fein an und hält die Räder tapfer am Boden. Also gemach, schließlich sind wir ja nicht in einer Enduro-Sonderprüfung bei der Jagd nach Bestzeiten, auch wenn bei manchem Journalisten gelegentlich die Racer-Gene durchschlagen.

Sieht man von mehr oder weniger geplanten Stunts ab, ist es erstaunlich, was mit solch einem Kaliber im Gelände möglich ist. Wir reden hier schließlich nicht von einem planierten Alpen-Schotterpass, wir reden hier von richtigen Wüstenpisten, von Sandpassagen, lockeren Geröllfeldern. Ernsthafte Herausforderungen also, an denen schon manche Möchtegern-Enduro gescheitert ist. Beim Zirkeln über schmale Singletrails vergisst man mitunter, mit welch einer Gewichtsklasse man es eigentlich zu tun hat. In puncto Handling muss die Honda CRF 1000 L Africa Twin den Vergleich mit den 800ern von Triumph und BMW keineswegs scheuen. Das mag damit zu tun haben, dass Honda erheblichen Aufwand betrieb, die Massen zu zentralisieren und den Schwerpunkt abzusenken.

Gute Fahrwerke sind das eine, der Antrieb ist sicher genau so wichtig. Im ersten Teil des Fahrberichts war der Unicam-Twin auf Asphalt schon durch seine enorme Geschmeidigkeit aufgefallen, das hilft abseits der Straßen schon mal enorm. Sanft und sauber kontrollierbar hängt der Motor der Honda Africa Twin am Gas. Sein unrhythmischer Puls bringt beim Driften oder Beschleunigen auf rutschigem Terrain viel Feedback, feine Dosierbarkeit sowie eine hervorragende Traktion.

Assistenzsysteme der neuen Honda Africa Twin

Ob man offroad überhaupt Assistenzsysteme braucht, darüber lässt sich trefflich streiten. Anfängern helfen elektronische Helferlein möglicherweise, wahre Offroad-Experten winken dankend ab. Die Traktionskontrolle der neue Honda Africa Twin ist in drei Stufen regelbar, man kann sie auch ganz abschalten. In Stufe eins lässt sie auf rutschigem Untergrund ordentlich Schlupf zu, fängt aber allzu wilde Drifts wieder ein. Praxisgerecht, dass das Um-/Ausschalten jederzeit während der Fahrt möglich ist, ohne eine Hand vom Lenker zu nehmen. Etwas umständlich hingegen: Nach jedem Stopp muss neu justiert werden. Das ist im Sinne der Fahrsicherheit okay, wenn der Schüssel umgedreht wurde. Aber bei der Honda Africa Twin muss es auch dann gemacht werden, wenn nur der Killschalter betätigt wurde.

Das gilt auch für das ABS der Honda Africa Twin, das jedoch nur im Stand abschaltbar ist. Dabei wird der Blockierverhinderer nur am Hinterrad deaktiviert. Eine praxisgerechte Lösung, mit der auch angriffslustiges Personal gut zurechtkommt. Denn am Vorderrad greift das ABS auf losem Untergrund einigermaßen spät und mit nicht allzu langen Regelintervallen ein.

Was sonst noch auffiel? Kleinigkeiten: Wer wie der Autor norddeutsche Quadratlatschen hat, stößt in den Rasten stehend rechts mit der Hacke an der Auspuffabdeckung an. Und wenn man dann noch zwecks Gewichtsverlagerung balanciert, stoßen die Waden an die Trägerplatten der Soziusrasten. Apropos Rasten: Die für den Fahrer sind arg mickrig. Old school, würde der Crosser sagen. Honda will als Zubehör breitere Rasten ohne Gummieinlage anbieten.

Automatik im Gelände?

Doch nun zur zweiten Überraschung: Es geht es um das DCT-Doppelkupplungsgetriebe der Honda Africa Twin. Automatik im Gelände? Da winkt der Profi-Tester mit jahrzehntelanger Offroad-Erfahrung zunächst müde ab – um schon nach wenigen Kilometern eines Besseren belehrt zu werden.

Beginnen wir einmal mit einer einfachen Trial-Übung: langsames Jonglieren über dicke Steine. Kein Problem, die Bodenfreiheit ist mit 250 mm ordentlich. Schalten ist hier nicht nötig, der Erste bleibt drin. Nun müsste eigentlich viel und fein koordiniert mit Kupplung und Gas gearbeitet werden. Nicht so beim DCT, da geht alles allein über den Gasgriff, der die elektrohydraulische Kupplung und damit den Leistungseinsatz wunderbar einfach und ganz exakt steuert. Wie eine Rekluse-Kupplung für Sportenduros. Abwürgen ist mit der neuen Honda Africa Twin kein Thema, weil schlicht unmöglich.

Gravity-Knopf für bergauf oder bergab

Übung Nummer zwei, ein Hang: Auch hier erleichtert der automatische Gangwechsel das Fahren enorm. Lose Steine, rumpelndes Geröll, da hat man ohnehin schon alle Hände voll zu tun. Da freut sich der Bordrechner – der des Fahrers –, wenn er sich nicht mit Kupplung und Schaltung beschäftigen muss, sondern auf wesentliche Dinge konzentrieren kann. Und dann gibt es noch den Gravity-Knopf, ein weiteres neues Honda-Patent. Wird der betätigt, erkennt die Honda Africa Twin anhand der Relation von Gasstellung und Fahrleistungen, ob es aktuell bergauf oder bergab fährt. Entsprechend bleiben die Gänge länger drin (bergauf), oder es wird früher runtergeschaltet (bergab). Außerdem laufen Schaltvorgänge dann schneller und härter ab. Dramatisch sind die Auswirkungen nicht, vielleicht war das Höhenprofil der Testrunde noch zu flach.

Übung Nummer drei: sportives Fahren auf Schotterpisten. Also DCT auf Sport, Stufe drei, Traktionskontrolle aus, G-Taste on, ABS aus. Man muss eben ein bisschen mitdenken, leider gibt es keine individuell kombinierbaren und speicherbaren Fahrprogramme. Beim Driften sorgt das DCT für kontinuierliche Traktion, auch wenn gefühlt mitunter der falsche Gang drin ist und das Runterschalten nach plötzlichem Dreh am Gasgriff immer noch ein bisschen lang dauert. Weitere Nachteile des DCT: Man kann in bestimmten Situationen nicht einfach die Kupplung ziehen, um das Schleppmoment des Motors abzukoppeln. Vor allem aber ist das Mehrgewicht von zehn Kilogramm spürbar. Auch wirkt der Motor immer etwas indirekter, was wiederum mitunter von Vorteil sein kann. Bei der spritziger wirkenden Schaltversion muss die Traktionskontrolle mehr eingreifen. Fazit: Crosser und Sportenduristen werden sicher weiter selbst schalten und kuppeln wollen, doch für das Gros der Gelegenheits-Enduristen bringt die Schaltautomatik der Honda Africa Twin im Gelände eine Erleichterung.

DCT hin oder her: Beeindruckend, was die neue Honda Africa Twin kann. Die aktuelle Version knüpft nahtlos an den Spirit der legendären Vorgängerin an, deckt einen weiten Bereich zwischen Touring und Adventure ab: Back to the roots.

Daten Honda CRF 1000 L Africa Twin

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Honda CRF 1100 L Africa Twin
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