- Das Buddy-Bike von KTM
- Neue Adventure, neue Optik
- Mehr Sitzhöhe der 890 Adventure
- Mehr Display bei KTM
- Kontroverser Demo-Modus
- Die erste Fahrt
- Vier Klicks für Offroad
- Fazit
Wie wird ein gutes Adventurebike noch besser? Um dies zu beantworten, hat KTM in die Nähe des Surfer-Mekkas Nazaré an der portugiesischen Atlantikküste geladen. Hier reitet die Big-Wave-Elite die größten Brecher Europas, lässt sich mit Jetskis gegen die Strömung zurück in die gigantischen Wasserberge ziehen. Gegen den schier endlosen Strom neuer Adventure Bikes mit Paralleltwin schwimmen will die neue 890 Adventure als das am stärksten offroad-orientierte Bike des Segments.
Das Buddy-Bike von KTM
Ein Extremsportler soll die Neuauflage nicht sein. Sondern dein zugänglicher Buddy, der dich ohne Stress zum nächsten Abenteuer bringt und dich anspornt, die eigenen Grenzen jenseits des Asphalts zu verschieben. Bei aller Gelände-Ambition betont KTM, die bisherigen Straßen- und Reisequalitäten verbessert zu haben. Wie schon beim Schritt von der 790 zur 890, handelt es sich bei der neuen Adventure um kein revolutionäres Re-Design. Vielmehr haben wir es für 2023 mit einem umfassenden Facelift zu tun, denn mit dem kultivierten 889-Kubik-Twin mit 105 PS und 100 Nm, sowie dem von der Duke vererbten Rohrrahmen bleiben die Kernzutaten unangetastet. An vielen anderen Stellschrauben haben die Österreicher aber gedreht, wobei zunächst die aufgefrischte Optik ins Auge sticht.
Neue Adventure, neue Optik
Neue, hochgezogenen Seitenverkleidungen schließen die vormals deutliche Lücke zur Frontmaske, letztere ist nun deutlich kompakter vor dem Lenker platziert. Ebenfalls neu ist der nicht einstellbare Windschild, der dank vieler Stunden der Windtunneloptimierung deutlich besser abschirmen soll. Eine verstärkte Aluminiumstruktur unter der Verkleidung soll dem Cockpit die nötige Stabilität für schwere Rally-Navigationsgeräte geben. Für das gefälligere Design stand, wie schon bei der im September gezeigten R-Variante, die 450 Rally Pate. Ein Stockwerk tiefer umschließt der neue, ausladende Motorschutz aus Aluminium und hochfestem Kunststoff den bekannten, weit herunter gezogenen 20-Liter-Tank.
Mehr Sitzhöhe der 890 Adventure
Für die Extraportion Offroad-Look sorgt auch die neue Serienbereifung in Form von Pirellis Scorpion Rally STR auf bekanntem 18/21-Zoll-Radsatz. Bei den Federelementen bleibt es bei WP-Material mit 200 mm Federweg und verbesserter Abstimmung, an der Front in Zug und Druckstufe einstellbar. Die betont straffe Sitzbank gab bisher Anlass zur Kritik. Die neue Sitzgelegenheit kommt mit deutlich weicherem Polster, baut jedoch nur 10 mm höher. Zudem lässt sie sich wahlweise auf 840 mm oder 860 mm Sitzhöhe einstellen. Im Zubehörkatalog finden sich darüber hinaus beheizte und einteilige Sitzbänke für 825 bis 865 Millimeter Höhe.
Mehr Display bei KTM
Im Cockpit findet sich ein neues Fünf-Zoll-TFT-Display mit verbesserter Ablesbarkeit dank großer Icons und optimierter Bedienlogik. So merkt sich das Fahrzeug beim erneuten Start den zuletzt eingestellten Fahrmodus mit sämtlichen Parametern. Stichwort Fahrmodi: Hier hat KTM optimiert. Der Offroadmodus aktiviert automatisch das Offroad ABS, welches vorne deutlich mehr Schlupf zulässt und das Hinterrad komplett blockieren lässt. Die Traktionskontrolle lässt sich im optionalen Rallymodus komplett deaktivieren.
Kontroverser Demo-Modus
Wie die extremere Schwester 890 Adventure R kommt die Basis Adventure mit dem sogenannten Demo-Mode. Unabhängig von der Konfiguration kann der Käufer 1500 Kilometer lang alle Extras wie Quickshifter+ oder Tempomat testen, bevor das System die hardwareseitig in jedem Bike verbaute Ausstattung via Software deaktiviert. Beim Händler können die Features anschließend gegen Bares reaktiviert werden. Das kann man kontrovers diskutieren, für unentschlossenen Käufer könnte es von Vorteil sein. Im Automobilbereich eine bereits gängige Praxis, die aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar ist.
Die erste Fahrt
Keine vier Grad zeigt das Thermometer, als wir unter der Morgensonne über gewundene portugiesischen Asphaltbänder rollen. Die 890er brabbelt kultiviert und nach entsprechendem Gasbefehl vehement aus den Ecken, gibt sich ab dem ersten Meter agil und souverän. Auch auf feucht-kalten Abschnitten gript der neue Pirelli-Pneu vertrauenerweckend, lässt einen sorgenfrei immer später verzögern. Gut integriert und abgeschirmt sitzt man hinter der neuen Verkleidung, auch bei höherem Tempo fallen Lärm und Verwirbelungen am Helm angenehm gering aus. Thema Lärm: Sämtliche Testbikes waren mit optionalen Sportschalldämpfern ausgestattet, gaben sich aber dennoch akustisch dezent.
Vier Klicks für Offroad
Nach knapp 40 Kilometern ist Schluss mit Teer, jetzt wirds ernst. Vier Klicks an der Lenker-Armatur später ist der Offroad Modus aktiviert, lässt das Hinterrad mit drifttauglichem Schlupf den ersten Feldweg umgraben. Zieht man zu ambitioniert am Kabel, greift die Traktionskontrolle sanft ein. Beim Bremsen lässt das Offroad-ABS am Vorderrad gerade genug Schlupf für verblüffend effektive Verzögerung zu. Beides macht gerade ungeübten Abenteurern auf losem Untergrund das Leben sehr viel leichter. Und für Pros gibt’s im Rallymode die volle, ungezügelte 105 PS-Offroadaction. Dabei bleibt die 890 auf losem Untergrund erstaunlich spurtreu und handlich, bügelt unbeeindruckt über Querrillen und kleinere Steinstufen. Erst heftige Schläge bei hohem Tempo und Flugeinlagen quittiert die neue 43-mm-Gabel mit Durchschlägen, wohlgemerkt im Basissetup und bei 90 Kilo Fahrergewicht. Der Grip auf Schotter und festem Dreck ist erstaunlich gut, auf nass-schlammigen Passagen oder im Sand kommen die Pirelli-Halbstollen aber ans Limit.
Eins steht fest: Die Reserven reichen für nahezu alle Abenteuer-Eventualitäten und auch in den Disziplinen Straße und Langstrecke gibt sich die Neue keine Blöße. Dabei spricht sie Einsteiger wie auch ambitionierte Fahrer an. Ob sich die Neuerungen gegenüber der Vorgängerin lohnen, wird am Ende auch der Preis entscheiden – den will KTM voraussichtlich im Januar 2023 verraten.
Fazit
KTM hat die Mittelklasse-Reiseenduro mit der 2023er-Auflage der 890 Adventure nicht neu erfunden. Eine Vielzahl an Optimierungen erweitert ihr Einsatzspektrum aber spürbar in Richtung Offroad, ohne Abstriche bei ihren anderen Talenten zu machen. Fast will man sich fragen, ob und für wen hausinterne Alternativen wie die Husqvarna Norden 901 oder die schärfere 890 Adventure R im Angesicht dieser Performance noch sinnvoll sind. Wir versprechen Aufklärung in kommenden Vergleichstests.