- 10 Jahre Wachstum
- Moderne Mittelklasse
- Erste Fahrt mit der neuen Transalp
- Einfaches, teils gutes Fahrwerk
- Große Pläne in Deutschland
- Fazit
Als Honda Ende 1986 die XL 600 V Transalp vorstellte, war sie, der ebenfalls zweizylindrigen BMW R 80 G/S zum Trotz "a class of it’s own". Denn so viel Plastik hatte man bis dato noch nicht an einem mittels 21-Zoll-Vorderrad zum geländegängigen Gerät geadelten Gefährt gesehen. Die offroadigere Variante kam ein Jahr später in Form der Africa Twin, doch das ist eine andere Geschichte.
Beide Konzepte verkauften sich gut und erarbeiteten sich schnell das Image der Unzerstörbarkeit. Doch wo nichts kaputtgeht, gibt es keinen Ersatzbedarf und da die Konkurrenz nicht schlief, liefen die Africa Twin mangels Nachfrage 2003 und die Transalp 2012 nach insgesamt 20 823 und 36 425 in Deutschland verkauften Einheiten aus.
10 Jahre Wachstum
In 10 Jahren Abwesenheit der Transalp vom Markt tut sich einiges und so ist die neue hauptsächlich motorisch mächtig gewachsen: 755 statt 680 cm³, 92 statt 60 PS, 75 statt 60 Nm. Allerdings: 210 gegenüber 220 Kilogramm stehen in den Datenblättern. Damit ist die Honda die stärkste und gleichzeitig leichteste Reiseenduro in ihrem Segment. Die V2-Motoren der Vorgängerinnen sind passe, wie die Africa Twin wird die Transalp von einem Reihentwin angetrieben, der in identischer Form die ebenfalls neue Hornet antreibt.
Moderne Mittelklasse
Wo sich einst bei der Ur-Transe zwei 32er-Vergaser um die Gemischbildung kümmerten, sorgt heute standes- und zeitgemäße Elektronik mit 46er-Saugrohrdurchmesser für viel Kraft bei wenig Durst. 4,3 Liter sollen für 100 Kilometer genügen, das Standgeräusch beträgt 94 dB(A). Vier sich spürbar unterscheidende Mappings, (Sport, Standard, Rain und Gravel) sowie ein frei konfigurierbarer User-Modus entsprechen den aktuellen Gepflogenheiten. Traktionskontrolle und ABS sind in fünf und zwei Stufen einstell- sowie komplett, respektive hinten abschaltbar. Eine leichtgängige seilzugbetätigte Antihopping-Kupplung schickt die Kraft via ebenfalls knackig und präzise arbeitender Sechsgang-Schaltbox ans 18-zöllige Hinterrad.
Interessant: Weder das Honda-typische DCT-Doppelkupplungsgetriebe noch ein Tempomat sind derzeit an der Transalp vorgesehen. Weil: Keep it simple.
Erste Fahrt mit der neuen Transalp
Die Unterbringung vorn ist sehr angenehm, Hände wie Füße fallen wie von allein auf die ihnen zugedachten Plätze. Besonders der Kniewinkel ist dank recht tief liegender Fußrasten sehr entspannt. Schon der kleinere der beiden Windschilde bietet ordentlichen Schutz vor den Elementen.
Der Twin klingt ungewöhnlich hart und metallisch, etwas so wie die alten Aprilia Shiver. In den Sound des Twins habe man viel Zeit investiert, hieß es bei der Präsentation. Ab rund 2.500/min akzeptiert er den Sechsten, wobei 3.000/min in etwa 80 km/h entsprechen und rund 3.800/min 100 km/h. Richtig lebendig wird er dann so ab 4.500/min und entwickelt mit zunehmend rauerem Lauf einen sportlichen Ehrgeiz, der Kennern der alten Transe die Tränen der Rührung in die Augen treibt.
Einfaches, teils gutes Fahrwerk
Sonstige Rührung zu unterbinden, ist Aufgabe des Fahrwerks. Wobei die USD-Gabel ihren Job richtig gut macht, hinten fehlt es sowohl an Ansprechverhalten als auch an Dämpfung, sodass selbst im Solobetrieb bei zügiger Fahrt das Heck sehr viel in Bewegung ist. Die Fußrasten haben deutlich öfter Bodenkontakt, als man es von Bikes dieses Genres gewohnt ist. Da fragt man sich, wie das mit Sozius und/oder Gepäck (Zuladung 207 kg) wird. Das Erhöhen der hinteren Vorspannung brachte Besserung. An den Bremsen gibt es wenig auszusetzen. Mit wenig Handkraft und ebenso guter Wirkung wie Transparenz halten sie die Transalp im Zaum. Was doch stört, ist der bei nur halbwegs dynamischer Verzögerung sicherheitshalber, jedoch völlig grundlos aktivierte Warnblinker. Wenn sich ein Rudel Transalps den Berg hinunterschwingt, wirkt das auf Außenstehende etwas wie ein Betriebsausflug des ADAC. Doch gemessen am insgesamt sehr guten Gesamteindruck sind das Petitessen.
Große Pläne in Deutschland
2.000 Einheiten sind geordert, und es ist unwahrscheinlich, dass es am Jahresende Rabattaktionen wird geben müssen. Und wenn Honda alle 2.000 Stück an den Mann oder die Frau bringt, wäre sie das erfolgreichste Honda-Modell im Vergleich zu den Zulassungszahlen 2022. Ab 29.4. ist sie zu haben. Dass sie wieder zur "class of it‘s own" wird, ist nicht auszuschließen.
Fazit
Ohne an dieser Stelle das Ergebnis der bevorstehenden Vergleichstests vorwegnehmen zu wollen darf man sagen, dass die neue Transalp ein richtig großer Wurf ist. Gute, aber nicht überbordende (Grund)-Ausstattung als Basis, dazu jede Menge Originalzubehör zur individuellen Anpassung. Obendrein kommt ein ebenso lebendiger wie harmonischer Antrieb. Beim Fahrwerk beschränkt sich Honda auf das Wesentliche. Dazu kommt ein sehr attraktiver Grundpreis. Das Federbein könnte mehr Dämpfung vertragen, die Aufkleber einen Lacküberzug, Tempomat wäre auch schön. Dennoch ist sie eine Kampfansage an die Konkurrenz.