- Enduro, Rallye, und Expedition
- Potentes Basismodell
- Neues Fahrwerk für harte Touren
- Über Stock, Stein und Wasserrohr
- Regen, Sand und Bodenfreiheit
- Vom Einpacken und Draufsitzen
- Windschutz für Große
- Großartige Elektronik
- Fazit
Die breite Piste mit dem typisch südafrikanischen, rot-braunen Sand spannt sich weit über den mächtigen Hügel. Dahinter warten schon die Berge östlich von Kapstadt mit tief ausgewaschenen Trails. Im Rückspiegel steigt der aufgewirbelte Staub hoch hinauf gen Himmel, unter mir zieht die Norden 901 Expedition stoisch ihre Bahn. Bei 120 km/h kann man auf dem Untergrund per Gasstoß und mit der richtigen Menü-Wahl herrlich das Hinterrad hin und her tänzeln lassen.
Enduro, Rallye, und Expedition
Den Lenker fest im Griff, mit den Stiefeln locker auf den griffigen Rasten stehend, den Blick weit voraus die Piste entlang. Herrlich. Das ist Enduro-Feeling pur, fühlt sich an wie auf einer Rallye. Genau mit diesem Anspruch tritt die Expedition an. Sie erlaubt es ihrem Besitzer, weiter vorzustoßen als auf die Alpentour und gelegentliche Ausflüge über Schotter- oder Waldwege. Husqvarna selbst spricht von einem 50/50-Einsatzkonzept für die Expedition, also geht der angepeilte Kunde mindestens genauso oft mit dieser Husqvarna jenseits von Asphalt räubern und nimmt sie gelegentlich sogar richtig hart ran.
Potentes Basismodell
Beim Basismodell sehen sie die Verteilung eher 70/30 pro öffentliche Straßen. Für die verschärfte Offroad-Tauglichkeit war ein Eingriff am potenten 889-cm³-Reihentwin nicht nötig. Warum auch? Hier wie da leistet er 105 PS, und gerade die 100 Nm Drehmoment schieben dich satt durch tiefen Sand. Das Chassis aus Chrom-Molybdän-Stahlgitterrohr ist ebenfalls identisch mit der Standard-Norden, genau wie die 21- und 18-Zoll Speichenräder mit den sehr guten Pirelli Scorpion Rally STR.
Neues Fahrwerk für harte Touren
Damit die Expedition dem härteren Gelände besser begegnen kann, bringt sie einiges an Eigenständigkeit mit. Allem voran das Fahrwerk, das auf den Namen Xplor hört und vom hauseigenen Hersteller WP stammt. Die 48er-Gabel hat einen Federweg von 240 Millimetern. Satte 20 Millimeter mehr als an der Basis-Norden. Außerdem ist sie, aufgeteilt auf je einen Holm, in Druck- und Zugstufe einstellbar. Die Federbasis-Einstellung bieten beide. Ein Open-Cartridge-System übernimmt die Dämpfung und die gesteigerte Progression bewahrt einen davor selbst bei härteren Schlägen auf Block zu gehen.
Über Stock, Stein und Wasserrohr
Nachdem ich im harten Offroad ein quer verbautes Wasserrohr übersehen hatte und das Vorderrad mit voller Wucht dort eingeschlagen war, freuten sich meine Handgelenke mächtig, dass die Eigenschaften der Gabel nicht bloß der WP-Werbung entstammen. Der Einstellbereich ist ebenfalls recht weit, denn perfekt fürs Gelände und komfortabel abgestimmt, reagierte die Gabel mit der sehr sportlich agierenden Vorderradbremse dann auf Asphalt etwas zu sehr auf die Verzögerung, weshalb mit mehr Druckstufe flugs nachgeholfen wurde – mit Erfolg.
Das Federbein der Expedition, das ohne Umlenkung auskommt, gehört ebenfalls zum Xplor-Programm und hat 240 mm Federweg. Wiederum ist alles einstellbar. Allerdings fehlt das Handrad zum einfachen Anpassen der Vorspannung auf größere Zuladung, wie es die Basis-Norden bietet. An der Expedition muss Werkzeug bemüht werden. Dafür spricht der Dämpfer ordentlich an. Wie die Gabel bietet er einen breiten Einstellbereich und agiert gerade im wilden Gelände akkurat auf alle Herausforderungen. Die Druckstufe lässt sich sogar in High- und Lowspeed abstimmen.
Dass der Lenker trotz Lenkungsdämpfer bei hohen Geschwindigkeiten auf Sandpisten mit Querrillen hin und wieder zappelig wurde, sei hier der fehlenden Zeit für echte Set-up-Versuche geschuldet. Das werden wir in den anstehenden Tests noch detailliert klären. Mit diesem Fahrwerk aber müsste auf Asphalt jeder gut klarkommen. Im Gelände kann es definitiv mehr als man als Normalo braucht.
Regen, Sand und Bodenfreiheit
Die eingangs erwähnte Sandpiste wich einem engen, verschlungenen Pfad den teilweise dicht bewaldeten Berg hinauf. Die letzten Regentage haben tiefe Furchen gezogen, den Sand und Kies hat es ausgewaschen, überall lauern wild hervorstehender Fels und harte Verwerfungen. Beruhigend, dass der robuste, vier Millimeter starke Alu-Motorschutz zum Paket der Expedition gehört. So können Baumstümpfe, Geröllfelder und Felskanten dem Twin nichts anhaben, selbst wenn einem die größere Bodenfreiheit der Expedition (270 mm gegenüber 245 mm an der Standard-Norden) dabei schon in die Karten spielt. Sollten die Reifen bei all der Abenteuerlust etwas abbekommen, freut sich der "Expeditionsleiter" über den serienmäßigen Hauptständer. Das Bordwerkzeug ist übrigens gut ausgesucht, sodass für Enduristen fällige Standard-Arbeiten, etwa das Entnehmen und Ausklopfen des einfach zugänglichen Luftfilters, überhaupt kein Problem sind.
Vom Einpacken und Draufsitzen
Wer mehr auf seiner Abenteuerreise benötigt, packt es in die Softbags (36 l Stauraum), die wie deren Tragbügel bei der Expedition zur Grundausstattung gehören. Nach zwei Tagen im teilweise Hard-Enduro-Einsatz haben die wasserdichten Taschen allerdings an den Nähten gelitten. Die Produktverantwortlichen versprachen schon Abhilfe in den nächsten Wochen und Monaten. Gut so, denn praktisch sind sie allemal und sowohl das Verschlusssystem als auch der Haltemechanismus sind absolut praxistauglich. Wer mehr Volumen benötigt, das noch härteren Ausfahrten standhalten muss, findet im Zubehör Alu-Koffer, die allerdings andere Träger nötig machen.
Windschutz für Große
Ebenfalls hervorzuheben ist der serienmäßig höhere Windschild, der auf der Straße mit Crosshelm zumindest bis knapp über 1,80 Meter Körpergröße fiese Verwirbelungen minimiert. Beim Stehen hält es den großen Druck weg vom Körper. Und wo wir bei Körpergröße sind: Die Sitzbank lässt sich mit einfachen Handgriffen noch einmal um zwei Zentimeter nach oben setzen. Damit erreicht die Expedition eine maximale Sitzhöhe von 895 Millimetern. Damit dürften sich Menschen unter 1,75 Meter – besonders im Gelände – wohl schwertun.
Großartige Elektronik
Ein ganz großes Plus der Norden ist generell das Elektronik-Package mit transparenter Menü-Führung. Zur Standard-Norden mit den Modi Rain, Street und Offroad gesellt sich bei der Expedition noch der Explorer-Modus, in dem die Unterkategorien wie Gasannahme (Street, Offroad, Rallye), das ABS, Wheelie-Erkennung und die Traktionskontrolle frei wählbar sind. Letztere lässt sich dann während der Fahrt per Tastendruck von Aus bis Stufe 9 verstellen.
Jede Einstellung zeigt übrigens spürbar Wirkung. Gerade im Offroad-Einsatz gefiel mir die Gasannahme Street am besten, weil sie am kraftvollen Zweizylinder direkt und sehr linear die Drosselklappen öffnet. Auf den festeren Sandpisten war Rallye die spaßgewaltigste Wahl, weil ihr Initialbiss das Hinterrad im Handumdrehen zum Driften brachte. Das ABS funktioniert im Offroad-Modus übrigens top, weil es vorn das volle Blockieren sicher verhindert und hinten gewünschte Bremsdrifts zulässt.
Fazit
Sie ist ein tolles Motorrad geworden, diese Expedition. Sie gefällt mir persönlich nicht nur durch ihr Design, sondern vor allem durch ihre Fahreigenschaften. Auf der Straße vor allem aufgrund des quirligen Twins, im Gelände durch ihre Balance, das Fahrwerk und die fein austarierten Elektronik-Features. Dass sie durch das Expedition-Zubehör um zehn Kilo auf 230 kg Gesamtgewicht trocken zulegte, merkt man ihr kaum an. Die 16 249 Euro sind gegenüber der Standard-Norden für 15 199 Euro gut investiert, wenn man sich mit ihr wirklich auch auf Abenteuer einlassen will. Und für die schwachen Momente des Alltags bietet sie dann auch noch als einzige Version serienmäßig Griff- und Sitzheizung.