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MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie im Fahrbericht

Lucky Explorer 9.5 Vorserie im Fahrbericht Adventure-Bike von MV Agusta

Mit der Vorstellung des Lucky-Explorer-9.5-Projekts sorgte MV Agusta auf der EICMA 2021 für Aufsehen, denn dieses Modell spielt in einer Kategorie, die den Italienern bislang fern schien. MOTORRAD durfte nun, ein gutes Dreivierteljahr später, das Vorserienmodell testen – mit vielversprechendem Ergebnis.

 MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie Prototyp Fahrbericht Gigi Soldano/MV Agusta
MV Agusta Lucky Explorer 950
 MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie Prototyp Fahrbericht
 MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie Prototyp Fahrbericht
 MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie Prototyp Fahrbericht 16 Bilder

Dass ein Adventure-Bike einmal die Entwicklungsabteilung von MV Agusta voll und ganz in Beschlag nehmen könnte, hätte noch vor ein paar Jahren wohl niemand für möglich gehalten. Auch MV-Entwicklungsleiter Brian Gillen selbst nicht. Doch Zeiten ändern sich, und obwohl die Lucky Explorer 9.5 offiziell nicht den Markennamen MV Agusta tragen wird, kündigt sich die für radikale Straßenbikes bekannte italienische Edelschmiede mit diesem Modell nun im Endurosegment an. Für Gillen, ehemals selbst in der Rally-WM aktiv, ein Herzensprojekt. Seit der Präsentation auf der EICMA im November 2021 arbeiten er und sein Team noch intensiver an der Lucky Explorer 9.5. Vom derzeitigen Entwicklungsstand durfte MOTORRAD sich nun selbst ein Bild machen und den aktuellen Prototyp exklusiv ausprobieren.

Der Aufkleber, den man provisorisch auf dem Tank des Vorserienmodells befestigt hat, fasst diesen Entwicklungsstand gut zusammen: "No ABS! No Traction Control! No Front Lift Control! No Quickshift!" Diese Hinweise erinnern jeden Testfahrer beim Aufsteigen daran, dass noch keine Fahrassistenten verfügbar sind. "Bei der Elektronik stehen wir aktuell erst bei 15 Prozent", sagt Gillen. Deutlich erkennbar ist das auch beim Blick auf die nicht beschrifteten Schalter der Lenkerarmaturen. Ihre Funktion lässt sich nur erahnen, und die Informationen, die das neue, gut ablesbare Sieben-Zoll-TFT-Display mit matter Oberfläche gibt, scheinen ebenfalls eher willkürlich. 729 Kilometer Restreichweite verspricht es zum Beispiel bei Fahrtantritt – ein Fabelwert, schön wär‘s. Bei genauem Hinsehen zeigt sich auch abseits der Elektronik, dass die mattschwarze Lucky Explorer 9.5 noch ein gutes Stück bis zur endgültigen Serienreife vor sich hat. Einige GFK-Verkleidungsteile wurden von Hand zugeschnitten und weisen entsprechende Kanten auf. Die anstelle des hinteren Sitzpolsters montierte Tasche, gefüllt mit allerhand Messequipment, fällt ebenfalls sofort ins Auge.

Diesen Fahrbericht, den Fahrbericht der Brabus-KTM sowie den 1. Teil vom größten Motorrad-Test des Jahres und vieles mehr, lest ihr in MOTORRAD 15/2022 - gedruckt oder digital hier erhältlich.

Lichtanlage, Tank und Sitz haben Serienreife

An anderer Stelle hat der Prototyp der Lucky Explorer 9.5 aber bereits Serienreife erreicht. Lichtanlage, Tank und Sitz werden sich zum Beispiel nicht mehr verändern, und auch Geometrie und Chassis (Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohren) haben laut MV bereits alle Erprobungen durchlaufen. Ziel des heutigen Tages also: die mechanische Grundlage der Lucky Explorer 9.5 kennenlernen. Auf und abseits der Straßen rund um Varese dürfen wir Ergonomie und Handling erleben, bevor der Feinschliff von Elektronik und auch Fahrwerk erfolgt.

 MV Agusta Lucky Explorer 9.5 Vorserie Prototyp Fahrbericht
Gigi Soldano/MV Agusta
Diese Hinweise erinnern jeden Testfahrer beim Aufsteigen daran, dass noch keine Fahrassistenten verfügbar sind.

Im breiten Sattel der Lucky Explorer 9.5 bekommt man den nicht zu breiten Lenker durch nach hinten geschwungene, hohe Riser angenehm nah vor der Brust serviert. Die Rasten liegen Reiseenduro-gerecht weit unten, und der Tank ermöglicht einen für diese Klasse angemessen schmalen Knieschluss. Die Lucky Explorer formt eine sehr entspannte Sitzposition, die nach erstem Eindruck auch zu längeren Etappen einlädt. Heute steht jedoch nur eine 50 Kilometer kurze Testrunde an, auf der die Langstreckentauglichkeit keine Rolle spielen wird. Vom Start weg macht die 9.5 klar, dass sie keine der von MV bekannten Adrenalin-Raketen sein soll, deren Faszination nicht zuletzt darin liegt, sie zu bändigen. Auf den ersten Kilometern schlängelt sie sich unaufgeregt durch die kleinen Örtchen rund um Varese. Die dazwischenliegenden Kurvenstrecken wären auch ohne Testauftrag eine Reise wert, sie verbinden die idyllischen Dörfer herrlich abwechslungsreich miteinander. Dass sich der Asphalt hier und da in desolatem Zustand mit vielen Rissen und Bitumenstreifen befindet, gefällt Urlaubern zwar weniger gut, Testfahrern dafür umso besser. Wir können dem Chassis so nämlich gleich auf den Zahn fühlen – und werden nicht enttäuscht. Nachdem die Lucky Explorer über einen leichten Impuls am Lenker am besten kombiniert mit lockerem Hüftschwung in eine Kurve manövriert wurde, bleibt sie bis in tiefe Schräglagen angenehm neutral und stellt sich auf den Bridgestone-A41-Reifen auch dann nicht auf, wenn man etwas kräftiger in die Bremse fasst. Nicht übermäßig agil, dafür mit reichlich Souveränität wedelt sie von einem Radius zum nächsten, ohne sich dabei von Verwerfungen im Asphaltband aus der Ruhe bringen zu lassen.

Messebilder EICMA 2021
Enduro

Bäriges Drehmoment und akzeptables Ansprechverhalten

Gerade in engeren, langsam gefahrenen Passagen macht sich dafür bemerkbar, dass zur noch nicht abgeschlossenen Elektronik-Entwicklung auch das Motor-Mapping zählt. Unterhalb von 3.000/min hat der komplett neu entwickelte 931-Kubik-Dreizylinder noch spürbare Mühe, die Lucky Explorer in Fahrt zu bringen, und verschluckt sich immer wieder. Zum Wechsel der Gänge braucht es außerdem ohne Quickshifter viel Kraft, besonders beim Runterschalten gibt sich das Getriebe störrisch. Oberhalb von 3.500/min beginnt aber schon jetzt der Wohlfühlbereich des neuen Antriebs. Er offenbart ab hier bäriges Drehmoment und ein akzeptables Ansprechverhalten. Der Dreizylinder mit gleichmäßigen Zündintervallen und rückwärtsdrehender Kurbelwelle wird übrigens auch in der Lucky Explorer 9.5 das MV-Agusta-Logo auf dem Motordeckel tragen. Der einzige dezente Hinweis auf seine Herkunft, sieht man von der unverwechselbaren Sound-Entwicklung mit martialischem (aber nach MV-Angaben Euro-5-Plus-konformem) Fauchen ab.

MV Agusta Lucky Explorer 950
MV Agusta
Mit der Vorstellung des Lucky-Explorer-9.5-Projekts sorgte MV Agusta auf der EICMA 2021 für Aufsehen.

Als (Reise-)Enduro wird sich die Lucky Explorer 9.5 natürlich nicht nur auf asphaltierten Wegen beweisen müssen. Bevor wir die Straße verlassen, um ein paar Offroad-Kilometer zu sammeln, werden die Reifen gegen Bridgestone A41X getauscht. Für echte Enduroreisende soll auch diese Reifenvariante ab Werk verfügbar sein. Auf den Wald- und Wiesenwegen machen nicht nur die Reifen, sondern auch die Sachs-Federelemente einen guten Job. Bereits im aktuellen Entwicklungsstadium (das finale Setting steht noch nicht fest) sind sie diesem Einsatzzweck durchaus gewachsen. Das gute Ansprechverhalten spendete auf der Straße ordentlichen Komfort, und auf der welligen Schotterpiste halten Gabel und Federbein beide Räder stets in Kontakt mit dem Untergrund. Wenn man es über sehr grobe Löcher ambitioniert laufen lässt, stoßen sie zwar an die Grenzen ihrer Federwege (220 Millimeter vorn, 210 Millimeter hinten), doch das ist in der Klasse, in der sich die Lucky Explorer behaupten muss, nicht ungewöhnlich.

Mechanische Basis der Lucky Explorer 9.5 sehr vielversprechend

Die mit Brembo-Stylema-Sätteln und -Radialpumpe aufwartende Bremsanlage gibt auf rutschigem Untergrund ebenfalls ein gutes Gefühl. Sie fasst initial sanft zu und entwickelt ihre Bremskraft über viel Hebelweg, was die Dosierung besonders in stehender Position erleichtert. In dieser Position finden die Knie am Tank außerdem guten Halt, auch wenn die weit auseinanderliegenden Fußrasten einen verhältnismäßig breiten Stand ergeben.

Verkehr & Wirtschaft

Wieder im Vareser Werk angekommen, haben sich die Erwartungen an die für Mitte 2023 angekündigte Lucky Explorer 9.5 erhöht. Mit guter Balance und einem schon bei mittleren Drehzahlen kraftvoll anpackenden Motor ist die mechanische Basis des Bikes sehr vielversprechend, auch wenn bei der Elektronik noch viel Entwicklungsarbeit bevorsteht. Man darf also gespannt sein, wie konkurrenzfähig der erste Reiseenduro-Aufschlag aus Varese sein wird. Preislich sortieren sich MV-Bikes bekanntlich am oberen Ende der Nahrungskette ein. Mit rund 18 000 Euro soll die Lucky Explorer 9.5 aber nicht allzu weit über den Mitbewerbern liegen – gut, sie ist ja auch offiziell keine MV.

Fazit

Mit dem Chassis der Lucky Explorer 9.5 hat MV Agusta eine vielversprechende Basis für das Reiseenduro-Projekt geschaffen. Besonders die Neutralität beim Kurvenswing und die gelungene Ergonomie gefallen bei der Ausfahrt mit dem Prototyp sehr gut. Der neue Motor punktet außerdem mit  viel Mid-Range-Punch. Ihm müssen die Ingenieure aber im Zuge der Elektronik-Entwicklung noch Manieren beibringen.

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