Suzukis große V-Strom – seit Jahren renommierter Budget-Tipp für Genrefans und Protagonistin Nummer eins dieser Geschichte – hat sich gegenüber 2020 um knapp 23 Prozent verteuert, bei sehr überschaubarer Modellpflege.
Moto Guzzis Stelvio – heißester Neuzugang im Genre und Protagonistin Nummer zwei dieser Geschichte – war 2020 weder existent noch akut bevorgängert, aber: Für den damaligen Kurs einer großen Suzuki V-Strom bekommt man bei den Italienern heute "nur" noch die deutlich bescheidener portionierte V85 TT. In der Basis.
Apropos Basis: BMWs große GS – dauerpolarisierende Genrekönigin und Protagonistin Nummer drei dieser Geschichte – gab und gibt es allen Unkenrufen zum Trotz auch als solche. Heißt, wenn man tat, was sonst keiner tut, konnte man 2020 eine ziemlich nackte GS und damit astreine Premium-Testsieg-Ware für den Kurs einer heutigen Neu-V-Strom erwerben. Das geht aktuell nicht mehr unter knapp 20 Mille. Aua.
Gebraucht-Kauf um 34 Prozent teurer
"Die Inflation kickt halt hart rein", wie die Gen Z zu sagen pflegt. Was will man machen? Einen gezielten Gebrauchtkauf tätigen? Ein gut abgehangenes Premium-Krad in Maximalstufe zum Beispiel aus … sagen wir mal, Bayern? Nun ja, einerseits sind auf einer bekannten Online-Börse die Gebrauchtofferten von 2019 auf 2023 im Schnitt um 34 Prozent teurer geworden. Und andererseits ist eine gebrauchte BMW R 1200 GS traditionell höchstens preiswert, aber nie billig. Was aber trotz der selbstbewussten Einpreisung unserer Sahneschnitten-Leih-GS nichts daran ändert, dass sich hier für den flexiblen Reiseenduro-Freund mit Big-Twin-Vorliebe ein interessantes Triumvirat der Möglichkeiten ergibt. Und für uns die nicht minder interessante Forschungsfrage, ob ein Superstar von gestern auch heute noch mithalten kann. Also Querkopf (und -zylinder) aus Mandello, Arbeitstier aus Hamamatsu oder gut eingefahrener Altstar aus München?
Moto Guzzi Stelvio: stramme Hydraulik-Kupplung
Zeit für den Feldversuch. Und Zeit für die Moto Guzzi Stelvio. In ihr steckt unverkennbar viel der zugrunde liegenden V100 Mandello und doch wurde ihr mit punktgenauem Verkleidungsupdate, Speichenfelgen, Gepäckbrücke und etwas weniger güldenem Glanz ein eigener, rustikaler Charakter gegeben. Dazu ragt sie deutlich mehr in die Höhe, was natürlich den verlängerten Federwegen (jeweils 170 statt 130 Millimeter) sowie dem 19-Zoll-Vorderrad geschuldet ist. Und dem auffällig hohen Lenkergeweih, das zusammen mit den tiefen Fußrasten und der bekannt einbetonierenden Sitzbank bei Normgröße eine zwar hochkomfortable, aber auch auffällig passive Sitzposition ergibt.
Passiv ist ein gutes Stichwort, denn die "aktive" Aerodynamik der V100 mit verstellbaren wie wirkungsarmen Flaps fehlt. Dafür gibt es ein Radarpaket mit gut funktionierendem Totwinkelassistent und Abstandswarner, der aber leider ebenfalls passiv ist. Es blinkt und piept also zuverlässig, wenn Gefahr an Bug oder Heck droht, aber der gebotene Sicherheitsabstand zum Vordermann muss anders als bei den Systemen der Konkurrenz selbst reguliert werden. Bis jene bereits angekündigte Funktionalität im PFF ("Piaggio Fast Forward") implementiert ist, sei die Überlegung erlaubt, sich die fälligen 800 Euro kurzerhand zu sparen. Was die Moto Guzzi Stelvio preislich eh passender für unser unkonventionelles Trio macht. Oder Raum für sinnvollere Kreuze schafft: Ein Hauptständer für 199 Euro steht auch mit Kardan jedem Reisemotorrad gut und der Quickshifter zum selben Kurs macht das Leben mit dem vergleichsweise langwegig-knorrigen Getriebe und der strammen Hydraulik-Kupplung deutlich einfacher. Nur den auch an dieser Testmaschine Harley-würdigen Schlag beim Einlegen des ersten Ganges umgeht man auch so nicht.
Zeitgemäße Laufkultur, sanftere Gasanahme
Nun, die organisch gewachsene Klischee-Folklore um Betonmischer, Landmaschinen-Charme und großem Mechanik-Rumms muss wohl auch 2024 im Hause Guzzi noch gepflegt werden. Kein Wunder, denn der längsliegend kurbelgewellte V2 der Moto Guzzi Stelvio bietet abseits der traditionellen Bauform wenig Futter hierfür. Stattdessen gibt es zeitgemäße Laufkultur, sonoren Twin-Schlag und ein kräftiges Power-Fenster zwischen 3.000 und 7.000 Touren mit feinem Nachschlag genau in der Mitte. Knapp da drunter lässt er sich dank kurzer Übersetzung auch schon easy bewegen, nur die Kraft muss sich noch ein wenig sammeln, während sie knapp darüber langsam etwas nachlässt und auch die Vibrationen vom Wohligen ins Kribbelige gehen. Schön, dass die dreistufige Gasannahme verteilt auf vier Fahrmodi nun spürbar sanfter wirkt als noch auf der V100, einen leichten Schlag aus Richtung Kardan gibt es aber nach wie vor. "Sport" öffnet die Drosselklappen immer noch ein wenig überambitioniert, aber "Road" und "Tour" schaffen eine sinnliche Verbindung in den Motorraum. Den Stelvio-spezifischen Modus "Off-Road" ignorieren wir mangels passenden Untergrunds und Praxisrelevanz frech, aber mahnen zur Vorsicht: Das Hinterrad blockiert dann fröhlich vor sich hin, wenn eifrig gebremst.
Feines Ansprechverhalten der Moto Guzzi Stelvio
Eifriges Bremsen kann die Moto Guzzi Stelvio zwar überaus gut, aber nötig ist es nicht unbedingt. Auch mit den 16 Extrakilos haben die kräftigen Brembo-Stopper keine nennenswerten Probleme, stellen die Fuhre aber in Schräglage spürbar auf. Objektiv hat der Twin am Mehrgewicht sowie an der höheren Stirnfläche ein bisschen mehr zu schleppen, subjektiv ist man aber längsdynamisch bekannt souverän aufgestellt. Erst querdynamisch offenbaren sich spürbare neue Realitäten. Radstand länger (45 Millimeter), Nachlauf auch (12 Millimeter), Lenkkopfwinkel flacher (0,9 Grad), besagte Mehrkilos und natürlich das größere Vorderrad: Das alles macht die Stelvio einen gut spürbaren Zacken träger. Das auffällig leichte Einlenken hat sie sich trotz allem bewahrt, aber tiefe Schräglagen und schnelle Seitenwechsel verlangen nach einer starken Führungshand. Körpereinsatz hilft, wenn man sich gegen Sitzbankkante und Entspannungs-Ergonomie behaupten kann.
Dafür geht es aber ziemlich satt und stabil durch die Kurve. Das Feedback der schön dämpfenden Gabel leidet etwas unter dem hohen Lenker und feines Ansprechverhalten darf man am qua mächtiger Kardanschwinge straffen Heck nach wie vor nicht erwarten. Klassische V100-Tugenden also, hier und da in kondensierter Form. Weswegen sich auch hier eher der entspannt-flotte als der sportlich-getriebene Gang empfiehlt. Mal wieder. Tiefes Wummern im Ohr, schöne Formen im Blick und beseelte Erhabenheit im Herzen, weil man ja doch irgendwas sehr Schönes sehr anders macht als die meisten. Irgendwie ja auch ganz charmant, dass Guzzi-Fahren bei aller notwendigen Umarmung der Neuzeit noch was für bewusstes Genießen ist.
Suzuki V-Strom 1050: Fokus auf befestigte Wege
Eine Sicht auf unser aller Hobby, mit der man üblicherweise selten beim örtlichen Suzuki-Händler vorspricht. Aber offenkundig auch eh keine Mehrheit darstellt. Die Japaner werden es verschmerzen, denn es kommen genug andere. Seit Erscheinen 2014 nämlich über 7.000, die der großen V2-Reiseenduro aus Hamamatsu bereits den Vorzug gaben. Kein Zufall, denn die große V-Strom steht seit jeher für ein fein geschliffenes, souveränes und vor allem in Wesen und Preis nahbares Multifunktionstool. Dass mittlerweile auch die Japaner mit 80er-Jahre-Scheinwerfer, dem DR-Big-Gedenkschnabel und ein bisschen schickem Branding hier und da moderat den Besitzerstolz anzapfen, wärmt das Herz, ändert aber wenig an dem Charakter der Suzuki V-Strom 1050 . Geländeausflüge überlässt sie seit dem letzten Update der stark in diese Richtung justierten DE-Variante, wodurch ihr klarer Fokus auf befestigte Wege noch konsequenter erscheint. Was den fahraktiven Straßenfahrer erfreut. Lenker tiefer und schmaler, Fußrasten höher, knackiges Sitzabteil: Das fühlt sich schon fast Naked-Bike-mäßig an, ohne den obligatorischen Ergonomie-Komfort zu vernachlässigen. Dazu hat man subjektiv, aber auch objektiv mit 242 Kilo spürbar weniger Motorrad unter sich: knackig. Sicher auch ein Verdienst der zwar umfänglichen, aber fettfreien Ausstattung bar jeglicher elektrischer Stellmotoren.
Die Suzuki V-Strom mit feinste Laufkultur
Fettfrei fühlt sich auch der Antrieb an, der – wie so oft im Hause Suzuki – eine lange, aber auch legendäre Geschichte hat. Als astreiner Sport-V2 in der seligen TL 1000 aus den ebenso seligen 90er-Jahren geboren, hat er auch nach vielen Jahren Feinschliff und Domestizierung noch attraktive Qualitäten: bäriger Druck, breites Band und feinste Laufkultur. Heißt: In der Realität hat er einen ähnlichen Charakter wie der Guzzi-Schlegel, steigt aber schon etwas früher ein, drückt linearer und vibriert beim Aufdrehen weniger. Auch seine Peripherie zeigt sich geschliffen und kooperationsfreudig: Leichtgängige Kupplung, präzises Getriebe mit kurzen Wegen (und serienmäßigem Quickshifter) und geschmeidige Gasannahme, solang man das doch etwas harsche Mapping "A" der drei möglichen Optionen meidet. Elektronische Settings für den Offroad-Ausflug fehlen der Suzuki V-Strom 1050 konsequenterweise.
Geringer Kraftaufwand und elegante Federung
Ein feiner Antriebsstrang, der die konservative Suzuki V-Strom 1050 mit Nachdruck in Bewegung setzt und der glücklicherweise auf ein ebenso lebendiges wie gütiges Chassis trifft. Der im Vergleich zur Guzzi kürzere Nachlauf, das geringe Gewicht und der fast schon oldschoolig schmale 150er-Hinterreifen machen ein Leichtes daraus, die V-Strom von Schräglage zu Schräglage zu pilotieren. Das erste Einlenken ist nicht ganz so behände wie bei der Stelvio, dafür ist der Kraftaufwand im Gesamten deutlich geringer und auch die Aktivierung der starken Tokicos an der Front hat spürbar weniger Einfluss auf die Kurvenfahrt. Front und Spüren sind übrigens zwei Vokabeln, die gut zusammengehen auf der Suzuki, denn die im Vergleich etwas kürzeren Federwege (je 160 Millimeter), vor allem wohl aber die deutlich vorderradorientiertere Ergonomie tragen zum rauscharmen Funken zwischen Front und Fingerspitzen bei. Da geht richtig was durch für eine Reiseenduro. Glücklicherweise aber nur Gutes, denn die ganz und gar konventionelle Fahrwerkshardware dämpft und federt trotz feiner Rückmeldung ausgewiesen elegant. Handelsübliche Zweiarmschwinge, umgelenktes Federbein und schöne Abstimmung: So einfach kann es sein.
Das würde übrigens auch für die Höhenverstellung des Windschilds gelten. Tolle Sache, aber warum der zugehörige Hebel nur durch Absteigen erreichbar ist, wird wohl auf ewig japanische Verschlusssache bleiben. Da lässt sich über die etwas harte und kantige Sitzbank und das gut gemeinte Lendenschürzchen von Motorschutz dank Zubehörmarkt fast schon schmunzeln.
BMW R 1200 GS in Triple-Black
Nichts zu schmunzeln, aber viel zu lachen gibt es beim Thema BMW R 1200 GS. Und je nachdem, wen man fragt, kann das Gutes oder Schlechtes bedeuten. Sie wird gehasst oder geliebt, beides mit Inbrunst. Unzweifelhaft muss sie aber irgendwas sehr richtig machen, denn wo GS ist, da ist oben. Ewiger Zulassungskönig, ständiger Testsieger, bla, bla, bla … Aber wie langlebig sind diese Qualitäten? Kann eine 1.200er-GS im Falle unserer freundlichen Leihgabe von BMW Motorrad Martin knapp sieben Jahre nach der Geburt mithalten, gar brillieren und so eine echte Alternative sein?
Nun, man kann ihr bei allem kantig-kruden Stilmix eine gewisse Zeitlosigkeit im Design erst mal nicht abstreiten, vor allem im eleganten Triple-Black-Ton. Jedenfalls sieht man ihr die Altershoheit in der Gruppe nicht sofort an. Was auch daran liegt, dass BMW in den obersten Regalen meist früh mit innovativen Features am Start ist. LED-Licht, semiaktives Fahrwerk, Fahrmodi, Keyless, Reifendruckkontrolle: Die obligatorisch maximalkonfigurierte GS hat es. Genauso unvermeidbar: das Gefühl, auf einer Supermoto auf Anabolika zu sitzen, nur viel bequemer. Ein fahraktiver Thron mit überbreiter Segelstange. Ja, der Analog-LCD-Mix im Cockpit sieht reichlich angejahrt aus und die Bedienung per Drehrad-Schalter-Overkill an den Armaturen war auch damals schon gewöhnungsbedürftig. Aber analoge Instrumente für Tacho und Drehzahl sind eigentlich wie das Rad: perfekt, so wie sie sind.
BMW R 1200 GS: explosive Drehfreude
Zündung. Frech, wie plötzlich sich der erste "präzisionsgekühlte" Boxer ins Leben bellt. Und unverschämt, wie lässig er sich auch in dieser modernen Runde noch an die Spitze setzt. Zwischen Leerlauf und 8.000 Touren klatscht es. Immer, gewaltig und nahezu gang- und drehzahlunabhängig. Dabei kombiniert der Flat-Twin massiven Kellerbums und explosive Drehfreude in jeweils so großer Ausprägung, dass man bei der BMW R 1200 GS viel mehr Hubraum- und Leistungsvorteil vermutet. Kein Vergleich zu den schwungmassenbetonten Drückern von Guzzi und Suzuki. Dabei verliert der Boxer trotz akustisch reichlich unsexy Nähmaschinen-Mechanik nie die Contenance, geht selbst im schärfsten Fahrmodus "Dynamic" cremig ans Gas und nippt nur asketisch am Spritfass.
Breiter Lenker und kurzer Nachlauf
"Ja gut, ihr BMW-Werksschreiber, aber dafür fährt der Kübel mit dem ganzen Ge-Lever doch sicher wie ein Sack Zement in der Schubkarre???" Ähhh, nein. Auch hier gibt es Fabelleistungen zu bekunden. Der breite Lenker, der kurze Nachlauf und der tiefe Schwerpunkt zusammen mit der Zauberei ganzer Heerscharen bayerischer Ingenieure schneiden gefühlt einfach mal 50 Kilo Schwarte raus. So leicht geht die BMW R 1200 GS auf Zickzack und liegt trotzdem mindestens genauso satt im Radius wie Guzzuki. Der Fairness halber sei erwähnt, dass der Boxer als einziger in der Runde auf reinen Tourensportreifen steht. So oder so, es ist so easy mit ihr schnell zu fahren, als wäre man in einen großen Topf Rennfahrer-Trank gefallen. Und auch wenn ich die Geister, die ich in Form von Leserbriefen mit dem Vorwurf der Parteinahme rief, schon jetzt fürchte: Die Federelemente planieren den Asphalt auch noch auf äußerst angenehme Weise. Das tun sie per se nicht besser als jene der V-Strom, aber dank Dynamic ESA naturgemäß flexibler. "Soft" bettet auf Wolken, aber wird schwammig, wenn’s pressiert, "Normal" passt fast immer und "Hard" bietet Reserven fürs Heizen.
Rustikales Getriebe bei der BMW R 1200 GS
So gesehen kann die Forschungsfrage mit Ja beantwortet werden. Die BMW R 1200 GS hält nicht nur mit, sie brilliert. In vielem. Aber nicht in allem. So wundersam stabil und unbeirrbar der Telelever, bei dem Radführung und -dämpfung getrennt sind, die GS macht, so gewöhnungsbedürftig teilt er sich in dieser Modellreihe noch mit. Anders als heute packt er alles, was von Vorderrad zum Fahrer geht, in eine große Portion Watte. Transparenz, Feedback, knackig übers Vorderrad in die Kurve rein: nope. Gottvertrauen und einfach machen ist die Devise. Klappt, aber fühlt sich anfangs arg komisch an. Dazu lösen Lastwechsel spürbar mehr Bewegung im komplexen Vorderbau aus als dieser Tage, was aber natürlich auch zum Teil verschleißbedingt sein könnte. Gleiches gilt für die Bremse, die zwar immer noch eleganter ihr ABS moduliert als das Neuzeit-Duo, aber an der Leihmaschine etwas zahnlos agierte. Bekannte GS-Krankheit: das doch recht rustikale Getriebe. Zwar schon mit Quickshifter, aber ohne die heute übliche Geschmeidigkeit beim kupplungslosen Gangwechsel.
Kleinigkeiten vielleicht im famosen Gesamtauftritt. Aber dann wäre da ja noch die große Preisfrage. Denn der Preis ist genau das: wirklich groß für ein altes Motorrad mit vielen Kilometern. Testkönig und Pflegezustand hin, Wertstabilität und Premium-Faktor her. Man muss also für sich entscheiden, ob einmal mit allem und scharf oder ob es nicht auch der kleine Döner tut. Schmecken tun beide.