Vergleichstest: 450-cm3-Motocross
Auch wenn das Sprichwort bereits abgegriffen sein mag, lässt sich sein Wahrheitsgehalt nicht leugnen: Nichts ist sicher, außer der Veränderung. Dies gilt auch für die Technik im Offroad-Sport. Erst in der Saison 2006 komplettierten mit KTM (250 SX-F) und Kawasaki (KX 450 F) die letzten beiden Hersteller den endgültigen Abschied des Zweitaktmotors aus den wichtigsten Motocross-Klassen.
Bereits vier Jahre später steht die Szene erneut Kopf. Nach der durch das Viertaktkonzept unbestritten verbesserten Leistungsentfaltung liegt nun das nächste Ziel vor Augen: agileres Handling durch zentralisierte Massen. Nach dem geglückten Einstand des quasi verdreht eigebauten Motors in den 2009er-Husaberg-Modellen überträgt nun Yamaha diesen Grundgedanken in die hochkompetitive Welt des Motocross. Nach hinten gekippter Zylinder, um 180 Grad gedrehter Zylinderkopf (Einlass vorn, Auslass hinten) und weit nach unten gezogener Tank (siehe "Aktuelle Änderungen" auf Seite 7) dienen alle dem Zweck, das Gewicht möglichst nahe am Schwerpunkt zu platzieren.
Doch trotz aller Euphorie über den Innovationsgeist stellt sich im Sport letztlich nur die eine Frage: Was bringts? Showdown auf zwei Motocross-Pisten nahe Madrid. Jede gegen jede. Wer fehlt? Die neue Husaberg FX 450 ist eher als enduristisch ausgerichteter Cross-Country-Renner konzipiert. Aprilia, Husqvarna und TM Racing ließen sich entschuldigen.
Kawasaki KX 450 F + Video

Mit dem Druck des Titelverteidigers aus dem letztjährigen Motocross-Vergleichstest in MOTORRAD (Heft 26/2008) geht die Kawasaki ins Rennen. Eine auf Anhieb erstklassig abgestimmte Einspritzanlage, ein spritziger, dennoch gut beherrschbarer Motor, exzellentes Startverhalten und hervorragend abgestimmte Federelemente bildeten vor Jahresfrist die Kombination zum Klassensieg. An dieser Grundlage hat sich auch in der Neuauflage nichts Wesentliches geändert - mit einer Ausnahme.

Gegenüber jener mustergültigen Balance hat die Federungsabstimmung der 2010er-KX deutlich verloren. Während die Kayaba-Gabel im Ansprechverhalten weiterhin zum Feinsten gehört, gibt das Heck Rätsel auf. In allen Fahrsituationen arbeitet sich die Hinterhand weit in den Federweg, vermittelt ein chopper-ähnliches Fahrgefühl. An der Federvorspannung kann es kaum liegen, bereits die Serien-Einstellung - neun Zentimeter Durchhang mit Fahrer - bewegt sich an der Obergrenze der üblichen Einstellwerte (10 bis 10,5 Zentimeter). Nachvollziehbar, dass die Kawasaki deshalb gerade in Sachen Handling und Einlenkverhalten Federn lassen muss. Schade, schließlich überzeugt der Rest des Gesamtpakets nach wie vor.
Technische Daten
MOTOR:
Eigenschaften | Wassergekühlter Einzylinder-dohc-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Hubraum (in cm³) | 449 |
Bohrung x Hub (in mm) | 96 x 62,1 | Verdichtungsverhältnis | 12,5 |
Leistung (Messung) | 35,2 kW (48 PS) | bei Drehzahl (in/min) (Messung) | 8250 |
Vergaser/Einspritzung, Durchmesser (in mm) | Einspritzung 43 | Gänge | 5 |
FAHRWERK:
Eigenschaften | Brückenrahmen aus Aluminium | Gabel | Kayaba |
Gleitrohrdurchmesser (in mm) | 48 | Federbein | Kayaba |
Gewicht (in kg) (Messung) | 108 | Preis ohne Nebenkosten (in Euro) | 789 |
Suzuki RM-Z 450

Die schlechte Nachricht zuerst: Der Preisvorteil, den die Gelben bislang in die Waagschale werfen konnten, ist geschrumpft. Mit 7490 Euro bleibt die RM-Z aber immer noch die Günstigste im Feld. Seis drum, mit Einspritzung, dohc-Motor und einem für die Saison modifizierten Alu-Brückenrahmen bewegt sich die Suzuki technisch schließlich auf gleicher Höhe mit den Mitbewerbern. Vor allem der mit sattem Schub aus dem Drehzahlkeller protzende Motor charakterisiert die Gelbe.

Druckvoll schiebt der allerdings etwas rau laufende Single aus den Kurven an, überspielt durch einen kräftigen mittleren Bereich gekonnt seine nur mäßig ausgeprägte Drehfreude. Erfreulich ist das neutrale Handling in engen Kehren inklusive ausreichender Stabilität auf holprigen Geraden. Und das trotz der im Vergleich zur Konkurrenz von Kayaba weniger feinfühlig ansprechenden Federelemente von Showa. Unterm Strich keine Höhen, aber auch keine Tiefen - das ergibt in der Bilanz punktgleich mit der Kawasaki Platz vier.
Technische Daten
MOTOR:
Eigenschaften | Wassergekühlter Einzylinder-dohc-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Hubraum (in cm³) | 449 |
Bohrung x Hub (in mm) | 96 x 62,1 | Verdichtungsverhältnis | 12,2 |
Leistung (Messung) | 38 kW (52 PS) | bei Drehzahl (in/min) (Messung) | 9000 |
Vergaser/Einspritzung, Durchmesser (in mm) | Einspritzung 43 | Gänge | 5 |
FAHRWERK:
Eigenschaften | Brückenrahmen aus Aluminium | Gabel | Showa |
Gleitrohrdurchmesser (in mm) | 47 | Federbein | Showa |
Gewicht (in kg) (Messung) | 109 | Preis ohne Nebenkosten (in Euro) | 749 |
Yamaha YZ 450 F + Video

Vom sanftmütigen, leisen Auftritt hat sich die komplett umgekrempelte Yamaha YZ 450 F endgültig verabschiedet. Das laute Auspuffgeräusch und vor allem das an die Husaberg-Enduros erinnernde Ansaugschnorcheln aus dem hinter dem Lenkkopf sitzenden Luftfilterkasten erinnern permanent an die neue Ära. Die der Motor eindeutig unterstreicht. Vom tiefsten Drehzahlkeller bis in höchste Regionen definiert sich das mit vier statt bislang fünf Ventilen und Einspritzung operierende Aggregat durch beeindruckende Power. Insbesondere im oberen Drehzahlbereich legt die Yamaha vehement zu, verlangt mit dem Rekordwert des Testfelds von 54 PS nach einem festem Griff am Lenker - und auf traktionsarmem Terrain nach einer fein dosierenden Gashand. Eine Charakteristik, welche die fahrerische High Society freuen, manchem Amateur-Crosser aber auch die fahrerischen Grenzen aufzeigen wird. In Sachen Federung blieb sich die YZ treuer - kombiniert die Ansprüche von Amateuren und versierten Piloten. Exzellentes Ansprechverhalten und eine im Vergleich zum Vorgängermodell deutlich progressivere Dämpfungsabstimmung der Kayaba-Federelemente schaffen mehr Reserven, ohne am Komfort wesentliche Abstriche machen zu müssen.

Zumal sich gerade beim Handling - auf dessen Optimierung der Fokus des konstruktiven Aufwands letztlich lag - die Geister scheiden. Ergonomisch bringt das 2010er-Modell nicht unbedingt eine Verbesserung, da die Kühlerverkleidung wegen der Airbox unangenehm breit baut. Geblieben ist hingegen das Yamaha-typische, Vorderrad-orientierte, mitunter auch etwas kopflastig wirkende Fahrgefühl. Wie auf Schienen lenkt die 450er ein, bleibt im Kurvenscheitelpunkt neutral und lässt sich stoisch ruhig aus den Kehren herausbeschleunigen. Eine Vertrauen erweckende Charakteristik, die vielen entgegen kommt. Die Erwartungen an eine neue Dimension der Agilität erfüllt die Neue jedoch nicht, schon allein durch das im Vergleich zum Vorjahresmodell um vier auf 108 Kilogramm gestiegene Gewicht. Für den Mix aus traditionellem Fahrgefühl und modernster Technik gibt es Platz drei.
Technische Daten
MOTOR:
Eigenschaften | Wassergekühlter Einzylinder-dohc-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Hubraum (in cm³) | 449 |
Bohrung x Hub (in mm) | 97 x 60,8 | Verdichtungsverhältnis | 12,5 |
Leistung (Messung) | 39,9 kW (54 PS) | bei Drehzahl (in/min) (Messung) | 9250 |
Vergaser/Einspritzung, Durchmesser (in mm) | Einspritzung 44 | Gänge | 5 |
FAHRWERK:
Eigenschaften | Brückenrahmen aus Aluminium | Gabel | Kayaba |
Gleitrohrdurchmesser (in mm) | 48 | Federbein | Kayaba |
Gewicht (in kg) (Messung) | 108 | Preis ohne Nebenkosten (in Euro) | 8495 |
KTM 450 SX-F

Nur geringfügig geändert geht die KTM in die neue Saison. Dass die Österreicherin als einzige 450er noch von einem Vergaser befüttert wird, nimmt ihr niemand übel. Im Gegenteil. Mit Elektrostarter sowie bulliger Leistungscharakteristik und exzellentem Getriebe schiebt sich das Triebwerk der SX-F an die Spitze der Motorenwertung. Charakterlich dazu passend das in Kehren handliche und agile Fahrwerk, das in schnellen Passagen mitunter ein wenig zur Nervosität tendiert.

Als Bonus gibts obendrein eine exzellente Vorderradbremse. Das passt. Woran es krankt: An der großen Serienstreuung der Federelemente von WP Suspension. MOTORRAD kennt vom internen KTM-Zulieferer Besseres als das unkomfortabel agierende PDS-Federbein und die hakelige Gabel der Testmaschine. Dennoch, das Gesamtpaket stimmt. Platz zwei.
Technische Daten
MOTOR:
Eigenschaften | Wassergekühlter Einzylinder-dohc-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Hubraum (in cm³) | 449 |
Bohrung x Hub (in mm) | 97 x 60,8 | Verdichtungsverhältnis | 12,5 |
Leistung (Messung) | 38,3 kW (52 PS) | bei Drehzahl (in/min) (Messung) | 9000 |
Vergaser/Einspritzung, Durchmesser (in mm) | Vergaser 41 | Gänge | 5 |
FAHRWERK:
Eigenschaften | Einschleifenrahmen aus Stahlrohr | Gabel | WP Suspension |
Gleitrohrdurchmesser (in mm) | 48 | Federbein | WP Suspension |
Gewicht (in kg) (Messung) | 107 | Preis ohne Nebenkosten (in Euro) | 849 |
Honda CRF 450 R

Nach einer Komplettrenovierung im vergangenen Jahr tritt die Rote nur sanft retuschiert in den Ring. Was sofort auffällt: Das widerspenstige Startverhalten des letztjährigen Modells haben die Techniker in den Griff bekommen. Der Single ballert - kalt oder warm - spätestens nach dem zweiten Tritt auf den Kickstarter los. Und schon auf den ersten Metern unterstreicht die 450er, dass sie auch 2010 ihrer konzeptionellen Neuausrichtung treu bleibt. Kräftig und doch jederzeit gut beherrschbar schiebt der Unicam-Motor aus dem Drehzahlkeller und läuft in mittleren Regionen zur Hochform auf.
Dass das Aggregat im oberen Bereich diesen Schub nicht fortsetzen kann, liegt höchstwahrscheinlich an der wohltuend leisen Auspuffanlage. Amateure kommen mit dieser Leistungscharakteristik blendend zurecht, Profis wissen sich mit Nachrüstschalldämpfern zu helfen. Was sich wenig spektakulär anhört, fährt sich auch so, und das im allerpositivsten Sinn. Müheloser und effizienter als mit dem CRF-Motor lässt sich keine Motocross-Piste umrunden. Mit einer Ausnahme: Straffe Kupplungsfedern verlangen einen außer-ordentlich beherzten Griff zum Kupplungshebel. Bei diesem Kritikpunkt am Motor bleibt es aber auch.

Dass die höchst kompakt bauende CRF die Latte in Sachen Handling legt, hat bereits das letztjährige Modell bewiesen. Nun strafften die Kayaba-Techniker die im vergangenen Jahr zu weich ausgefallene Druckstufendämpfung der Gabel, balancierten damit die CRF besonders in Anbremswellen fühlbar besser aus. Addiert man dazu eine einzigartige Lenkpräzision, das gegenüber jedem Konkurrenz-Modell um mindestens vier Kilogramm geringere Gewicht und die für Honda typische erstklassige Ergonomie und Verarbeitung steht der neue Chef im Ring der 450er-Crosser fest: Honda CRF 450 R.
Technische Daten
MOTOR:
Eigenschaften | Wassergekühlter Einzylinder-ohc-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder |
Hubraum (in cm³) | 449 | Bohrung x Hub (in mm) | 96 x 62,1 |
Verdichtungsverhältnis | 12 | Leistung (Messung) | 36,1 kW (49 PS) |
bei Drehzahl (in/min) (Messung) | 9750 | Vergaser/Einspritzung, Durchmesser (in mm) | Einspritzung 50 |
Gänge | 5 |
FAHRWERK:
Eigenschaften | Brückenrahmen aus Aluminium | Gabel | Kayaba |
Gleitrohrdurchmesser (in mm) | 48 | Federbein | Kayaba |
Gewicht (in kg) (Messung) | 103 | Preis ohne Nebenkosten (in Euro) | 7910 |
Aktuelle Änderungen auf einen Blick

Honda
- Federungsabstimmung modifiziert
- Mapping optimiert
Kawasaki
- Größere Kühler
- Auspuffkrümmer um 40 mm verkürzt
- Umlenkung modifiziert
KTM
- Fünf statt bisher vier Gänge
- Fahrhöhe um 10 mm abgesenkt (Federbein verkürzt, Lenkkopf höher an Rahmen angeschweißt)
- Krümmer mit Resonanzkammer
Suzuki
- Nockenwellen geändert
- Mapping überarbeitet
- Lenkkopfwinkel flacher
- Rahmenprofile modifiziert
Yamaha
- Zylinder vier Grad nach hinten geneigt
- Zylinderkopf um 180 Grad gedreht
- Bohrung/Hub-Verhältnis geändert (97 x 60,8 mm 2009: 95 x 63,4 mm)
- Vier statt bisher fünf Ventile
- Benzineinspritzung statt Vergaser
- Luftfilterkasten hinter dem Lenkkopf
- Tank weiter hinten und tiefer platziert
Testergebnis: 450-cm³-Motocross

Platz 1:
Honda CRF 450 R
Ein hervorragend abgestimmter Motor, das geringste Gesamtgewicht und vor allem ein erstklassiges Handling summieren sich zum homogenen Gesamtpaket.
Platz 2:
KTM 450 SX-F
Nur ein Punkt fehlt zum Sieg. Was wäre, wenndie SX-F eine besser ansprechende Federung hätte? Dennoch: Potenter Motor, Elektrostarter und tolles Handling überzeugen.
Platz 3:
Yamaha YZ 450 F
Erfolg oder Niederlage für das spektakuläre Konzept? Klar ist: Die Yamaha hat sich vom Softie zum Profi-Gerät gewandelt. Ob das gut ist, bleibt Geschmackssache.
Platz 4:
Kawasaki KX 450 F
Das Feld ist eng. Vor einem Jahr holte sie den Sieg, nun reicht eine seltsam abgestimmte Hinterhand sie nach hinten durch - trotz spritzigem Motor und gelungener Peripherie.
Platz 5:
Suzuki RM-Z 450
Kein Zweifel, die RM-Z ist gut. Doch in Sachen Verarbeitung und Laufkultur hinkt sie eine Nuance hinterher. Und: Ihren bisherigen Preisvorteil hat sie aufgegeben.

Gesamtwertung:
Maximale Punktzahl | 250 |
Honda CRF 450 R | 213 |
KTM 450 SX-F | 212 |
Yamaha YZ 450 F | 207 |
Suzuki RM-Z 450 | 206 |
Kawasaki KX 450 F | 206 |