Die Lage war verdammt finster, selbst wenn sie heute – der Wahrheit trotzend – anders dargestellt wird: Die Brüder Claudio und Gianfranco Castiglioni hatten Ducati 1983 vorrangig übernommen, um einen Motorenlieferanten für künftige Cagiva-Modelle zur Hand zu haben, nicht etwa um dem Traditionsunternehmen neuen Ruhm zu bescheren. Klar war, dass die unprofitablen Königswellen-Ducs alsbald auslaufen sollten. Ob der kleinere Motor mit zahnriemengetriebenen Nockenwellen in fünf Jahren noch Ducatis befeuern würde? Wahrscheinlich nicht.
Das von Chefingenieur Fabio Taglioni konstruierte Meisterwerk hatte 1979 in der sportlichen 500 SL Pantah debütiert und sich mittlerweile als ebenso robust wie vielseitig erwiesen. Genau deshalb fand seine Sportkarriere über italienische Meisterschaften ruck, zuck den Weg auf die Isle of Man. Dort hatte sich nach der Aberkennung des GP-Status die sehr populäre Formula TT etabliert, quasi ein Vorläufer heutiger Superbike-Rennen. Hier wie da sammelte seit 1981 eine wunderschöne Duc gleich reihenweise Titel, die 128 kg leichte Ducati TT2 mit auf 600 cm³ gebrachtem, bis zu 78 PS starkem Pantah-Motor, Gitterrohrrahmen sowie Paralever-Schwinge.
1985 bekamen Fans die F1 Replica
Um unter anderem in den Langstreckensport einsteigen zu können, entstanden daraus weitere Renner, die in Bohrung und Hub vergrößerten Ducati 750 TT1 und Ducati 750 F1. Beide schlugen sich wacker, Erstere siegte gar 1983 bei den 24 Stunden von Montjuïc (in Barcelona). Das genügte, um die Fans anzufixen. Genau wie 1972, als Paul Smart bei den 200 Meilen von Imola die 750 SS unsterblich gemacht hatte, wünschten sie sich einen käuflichen Ableger – und bekamen 1985 die F1 Replica. Deren Gitterrohrrahmen gleicht jenem des Renners, ist kleinteiliger aufgebaut als bei der Pantah und auch deshalb noch stabiler.
Erstmals bei einer Serien-Duc stützt sich die – wie bei der Pantah im Motorgehäuse gelagerte – Schwinge gegen ein Zentralfederbein ab. Ganz hinten auf dem Rahmenheck der Ducati 750 F1 thront die Batterie, weshalb der Sitzbankhöcker etwas klobig ausfällt. Der Rest jedoch ist sportliche Eleganz in Reinkultur. Sehr eng liegt die Vollverkleidung an, der Tank fügt sich ins Rahmengeflecht.
Trotz Leistungsdefizits hat die Ducati 750 F1 ihre Mission erfüllt
Das 16-Zoll-Vorderrad mit seinen drei eleganten Doppelspeichen sorgt für die geduckte Haltung des Motorrads, die tief angeschlagenen Lenkerhälften für jene des Fahrers. Bummeln und Stadtverkehr gehen in die Gelenke, erst beim Landstraßensprint wächst die Freude am fast schon zu agilen Handling, den guten Bremsen und den straffen Federelementen. Vollgetankt 192 Kilo mögen angesichts des Renngewichts enttäuschen, machen auf Landstraßen aber immer noch eine gute Figur. Weniger überzeugend der Motor der Ducati 750 F1.
Der tönt zwar selbstbewusst aus seiner Conti-Zwei-in-eins-Anlage, backt auf dem Leistungsprüfstand aber kleine Brötchen: Ganze 63 PS liefert der Zweiventiler ab, was Hobby-Ingenieure damals zur Annahme verleitete, er sei wohl an seinen Grenzen angekommen. Tatsächlich brauchte er – das bewiesen ja die bis zu 95 PS starken Renner – nur größere Vergaser und Ventile sowie eine dafür geänderte Brennraumform. Trotz Leistungsdefizits hat die Ducati 750 F1 ihre Mission erfüllt, denn die Begeisterung rund um den Renner und seinen Serienableger bewog die Castiglionis schon Ende 1985, Ducati in den Fokus ihres unternehmerischen Handelns zu stellen.
Technische Daten und weitere Infos

Technische Daten Ducati 750 F1 (Baujahr 1985):
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, 748 cm³, 51,5 kW (70 PS) bei 8000/min, 71 Nm bei 6000/min, Fünfganggetriebe, Gitterrahmen aus Stahlrohren, Gewicht vollgetankt 192 kg, Reifen vorn 120/80 x 16, hinten 130/80 x 18, Tankinhalt 22 Liter, Höchstgeschwindigkeit (liegend) 202 km/h, 0–100 km/h in 4,4 sek.
Szene:
In den frühen 80ern, als Ducati jährlich nur wenige Tausend Motorräder produzierte, nährten sich die Fans von den Erfolgen der 600er- und 750er-Renner, die es den Japanern immer mal wieder zeigen konnten und so den Mythos der Marke über diese Durststrecke retteten. Allen voran Tony Rutter mit vier Formula TT2-Titeln sowie diverse italienische Werksfahrer von Walter Villa bis Marco Lucchinelli sorgten für Furore. In Kleinstserien entstanden die heute extrem begehrten Production Racer. Mit deren wahnsinnigen Motoren haben jene der Replica und ihrer diversen Sonderserien allerdings wenig gemein. Trotzdem: Nur von 1985 bis 1988 produziert, zählt die Ducati 750 F1 schon heute zu den (teuren) Ducati-Klassikern.
Weitere Infos:
Eine breite Würdigung finden die TT1- und TT2-Renner bei Ian Falloon, Die Ducati-Story, Motorbuch Verlag, 29,90 Euro. Ganz hervorragend ist die Website www.ducati-tt.de