Die Szene ist symptomatisch: Stoßstange reiht sich an Stoßstange, Stop-and-go, kaum ein Durchkommen. Bis plötzlich ein Golf nach rechts zackt, den Weg freigibt und sein Fahrer mit breitem Grinsen, begeistertem Blick und erhobenem Daumen die vier Café Racer BMW R nineT, Moto Guzzi V7 Racer, Triumph Thruxton und Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd im Vorbeirollen in Augenschein nimmt.
Wo immer BMW R nineT, Moto Guzzi V7 Racer, Triumph Thruxton und Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd auftauchen, ziehen sie schon von Weitem die Blicke auf sich, ernten Sympathie und Anerkennung. Sie treffen offenbar genau den Nerv. Denn längst schon hat sich eine Szene etabliert, die mit dem Schneller, Höher, Weiter nur wenig am Hut hat, wo Maschinen angesagt sind, die nur das Nötigste tragen. Maschinen fürs Herz. Sportlich angehaucht, inspiriert von klassischen Vorbildern, den Café Racern der 60er-Jahre.
Retro-Charme trifft voll ins Schwarze
Da treffen die vier mit ihrem Retro-Charme voll ins Schwarze. Und sie fahren ausgezeichnet damit. Die BMW R nineT ist praktisch ausverkauft und hat es schon in die Top 20 der Zulassungsstatistik geschafft. Obwohl mit ihrer breiten Lenkstange eher ein Roadster, passt sie mit ihrer leicht sportlichen Attitüde und dem (aufpreispflichtigen) Alu-Höcker gut in diesen Kreis. Die Moto Guzzi V7 Racer ist der Bestseller im Guzzi-Programm, die Zulassungen der Triumph Thruxton liegen bereits über dem Vorjahr.
Und die 33 Exemplare der Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd – mehr werden nicht gebaut – sollen ebenfalls weitgehend vergriffen sein. Klassische Anmutung und unverhüllte Technik entfalten offenbar ihren Reiz. Poliertes oder verchromtes Metall und Speichenräder kommen an. Und signalisieren: Hier stehen nicht Höchstleistung oder ausgefeilte Elektronik im Vordergrund, sondern der pure Genuss. Von 48 bis 126 PS spannt sich die Leistungsbandbreite der vier. Na dann, gentlemen, start your engines.
Moto Guzzi V7 Racer

Die Moto Guzzi V7 Racer ist zwar die Kleinste im Feld, aber trotzdem gut bei Stimme. Mit bassigem Stampfen bullert sie im Leerlauf vor sich hin. Ihr rot lackierter Rahmen ist eine Verbeugung vor der namengebenden V7 Sport von 1972. Und wie ihr Vorbild neigt sie sich aufgrund der längs liegenden Kurbelwelle bei jedem Gasstoß leicht nach rechts. Neben dieser Guzzi-typischen Eigenheit ist es vor allem die liebevolle Machart, die an der Guzzi das Herz erwärmt. Sei es der Lederriemen, der sich über den verchromten Tank spannt, die Wildledersitzbank, die sogar einen Überzug für verregnete Nächte im Freien bereithält, der kleine Schutzbügel über der Plakette mit Seriennummer auf der oberen Gabelbrücke oder die fein gefrästen Rasten mit exzentrisch gelagerten Hebeln – überall spürt man, mit wie viel Hingabe ihre Erbauer zu Werke gingen.
Leicht auszumalen, dass die vier von gänzlich unterschiedlichem Charakter sind. Das wird beim Ausflug über die kleinen, einsamen Landsträßchen von Schwäbischer Alb und Donautal schnell klar. Und doch zielen sie auf ein und dasselbe ab: jeden Kilometer mit Genuss zu absolvieren, ihn mit allen Sinnen erleben zu lassen. Futter für die Seele. Die zierliche Moto Guzzi V7 Racer nähert sich diesem Ziel mit spielerischer Leichtigkeit. Ihre schlanke Tank-Sitzbank-Linie ergibt perfekten Knieschluss. Natürlich reißt ihr Twin mit echten 45 PS keine Bäume aus.
Mit 201 kg die Leichteste im Feld
Doch sind seine Pferde von kräftiger Natur, und für einen flotten Strich reicht es allemal. Zumal die adrette Italienerin mit 201 kg nicht nur die Leichteste im Feld ist, sondern dazu auf schmalen Reifen rollt, was für traumhaftes Handling sorgt. Dann nur noch den Motor in seinem Wohlfühlbereich zwischen 2500 und 6000/min halten, rechtzeitig die Gänge über die langen Schaltwege passend sortieren und dann rollen lassen. Immer schön den Schwung behalten, gelassen über die Landsträßchen schwingen. Dazu diesen wundervoll bullernden Sound der Moto Guzzi V7 Racer und den Blick auf die hübschen Rundinstrumente genießen, den pulsierenden Schlag des V2 spüren – und die Welt ist in Ordnung.
Denn, ihres Beinamens zum Trotz, ein Racer ist die Moto Guzzi V7 Racer nicht, will es auch gar nicht sein. Obwohl die voll einstellbaren Paioli-Federbeine das Beste aus ihren 118 mm Federweg machen, wird die Signorina bei strammem Tempo am ehesten unruhig. Dazu fehlt ihr das nötige Gefühl fürs Vorderrad. Sie besticht viel lieber mit ihrer fast schwerelosen Wendigkeit, mit der sich auf den leichtesten Zug am Lenker selbst die kniffligsten Kurvenpassagen entwirren lassen. Und über das Gesicht des Fahrers huscht ein Lächeln, das bis zum ersten Tankstopp nicht mehr verschwindet. Denn selbst an der Tankstelle macht sie noch Spaß, weil sie mit 4,3 Litern am knausrigsten mit dem Sprit umgeht und allein das Öffnen des polierten, bündig eingelassenen Tankverschlusses Vergnügen bereitet.
Technische Daten Moto Guzzi V7 Racer
Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Einspritzung, 2 x Ø 38 mm, Einscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan, 80,0 x 74,0 mm, 744 cm³, 35,0 kW (48 PS) bei 6250/min, 58 Nm bei 3500 /min.
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 40 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, Scheibenbremsen vorn, Ø 320 mm, und hinten, Ø 260 mm, Reifen 100/90 18; 130/80 17, Lenkkopfwinkel 62,5 Grad, Federweg v/h 130/118 mm, Sitzhöhe 805 mm, Gewicht vollgetankt 199 kg, Tankinhalt 21,0 Liter.
Preis: Moto Guzzi V7 Racer (Testmotorrad) 9790 Euro inkl. Nebenkosten.
Internet: de.motoguzzi.it
Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd

Mit aufreizendem Klang meldet sich auch die Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd zu Wort – allerdings muss der Anlasser dafür am längsten orgeln. Unorthodox klingt der einzigartige VR6-Motor. Ein laszives Knurren und Sägen entweicht der Sechs-in-zwei-Anlage. Kein säuselnder Leisetreter, wie man aufgrund der Zylinderzahl glauben könnte. Mindestens so extravagant wie der Klangteppich sind die Kineo-Speichenräder. Besonders das außermittig eingespeichte Hinterrad ist eine Schau. Im Grunde ist die Cafe Racer eine mit Öhlins-Federelementen sowie LSL-Frästeilen für Rasten, Stummellenker, Handhebel und Lampenhalter aufgepeppte Classic. Garniert mit einer neckischen, knappen Abdeckung über dem Soziusplatz. Und auf jeden Fall eine imposante Erscheinung.
Die Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd ist der technokratischste Beitrag in diesem Quartett. Extravagantes Motorkonzept, Wasserkühlung, drei verschiedene Motormappings. Größer könnte der Kontrast kaum sein. Ein Trumm von einem Motorrad. Beim Besteigen des Kommandoplatzes schwant einem Böses. 800 mm Sitzhöhe sind zwar kein unüberwindbares Hindernis, aber durch die breite Sitzbank sind Langbeinige klar im Vorteil, wenn es gilt, den 268-Kilo-Boliden sicher zu balancieren. Die breit ausgestellten, tief angeklemmten Stummel liegen weit entfernt und zwingen den Oberkörper auf den Tank, die Arme dabei fast völlig durchgestreckt.
Fühlt sich an wie früher, Erinnerungen an die Münch werden wach. Wer denkt sich denn so eine Sitzposition aus? Für ein Beschleunigungsrennen mag das ja gut geeignet sein. Andererseits: War das nicht letztlich die Bestimmung der Café Racer, der schnelle Sprint zu einer Wendemarke und zurück zum Café? Also die Klemmung gelöst und die Lenkerhälften stärker angewinkelt. Das passt schon besser. Bis beim ersten Wenden die Hupe fröhlich trötend vom Kontakt der Lenkerarmatur mit dem Tank kündet und klarmacht, weshalb die Lenker der Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd so weit nach vorne gedreht sind.
Mit sanftem Nachdruck schiebt der VR6-Motor aus tiefsten Lagen an
Fordert die Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd den Herrn, weil sie den Knecht zertritt? Keine Bange, wenn sich die Horex mit gereiztem Knurren anschickt, über die Lande zu streifen, lauern keine unliebsamen Überraschungen. Mit sanftem Nachdruck schiebt der VR6-Motor aus tiefsten Lagen an. Im sechsten Gang durch verträumte Alb-Dörfer zu grummeln, erledigt er mit links. Am Ortsende reicht dann der Dreh der rechten Hand, und die Horex marschiert ohne zu Murren voran.
Begleitet wird diese Darbietung nicht nur von stets präsenten, feinen Vibrationen, sondern auch von einer einzigartigen, ungemein intensiven Geräuschkulisse. Wie der Sechszylinder röchelt, schabt und knurrt, im Schiebebetrieb rotzig aus seinen beiden Endrohren brabbelt. Der Fahrer dirigiert mit der rechten Hand die Tonlage und ertappt sich dabei, sich vornehmlich im Bereich bis 4000 Touren aufzuhalten, um immer wieder hingerissen diesem Konzert zu lauschen. Und sieht darüber hinweg, dass ein 1200er untenrum etwas mehr Durchsetzungsvermögen bieten könnte. Ab 7000/min spannt der Motor der Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd seine Muskeln.

Und dann sollten die Sinne auf habt acht stehen. Nicht, weil die Öhlins-Federelemente dafür nicht gewappnet wären. Die sind eher knochig-straff denn komfortabel abgestimmt und sorgen für satte Straßenlage, und die Bremsen sind schlicht der Hammer. Doch lässt die angestrengte Sitzposition wenig Bewegungsfreiheit für aktives Fahren. Lastwechsel beim Gasanlegen im Kurvenscheitel sind durchaus vorhanden, im Touring-Modus aber akzeptabel. So selbstverständlich und willig wie die kleine Moto Guzzi V7 Racer biegt die Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd freilich nicht ums Eck.
Verlangt nach klaren Kommandos am Lenker, um auf Kurs zu bleiben, vor allem beim Griff zur Bremse in Schräglage. Die Kupplung erfordert eine kräftige Hand und die knochigen, aber präzisen Gangwechsel einen entschlossenen Schaltfuß. Insofern doch ein Bike zum Anpacken. Kann sie aber in gleichmäßigen Radien ihre Kreise ziehen, dann ist Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd in ihrem Element. Und der Pilot auch. Tief gebeugt über den Tank gespannt, den Helm dicht hinter die Instrumente geduckt, stellt es sich ein, dieses Gefühl vom Durch-die-Kurven-Fliegen.
Technische Daten Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd
Motor: wassergekühlter Sechszylinder-15-Grad-VR-Motor, drei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, drei Ventile pro Zylinder, Einspritzung, 6 x Ø 34 mm, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, 68,2 x 55,4 mm, 1218 cm³, 93,0 kW (127 PS) bei 8500/min, 120 Nm bei 7000 /min.
Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alu, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Einarmschwinge aus Alu, Zentralfederbein, Scheibenbremsen vorn, 2 x Ø 320 mm, und hinten, Ø 264 mm, ABS, Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Federweg v/h 120/120 mm, Sitzhöhe 800 mm, Gewicht vollgetankt 268 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.
Preis: Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd (Testmotorrad) 33.333 Euro, Nebenkosten 390 Euro.
Internet: www.horex.com
Triumph Thruxton

Viel fürs Auge bietet auch die Triumph Thruxton, das Ohr kommt dagegen nicht so sehr auf seine Kosten. Ein Griff zum Choke-Hebel an den Vergaser-Attrappen erleichtert das Starten. Fast schüchtern pröttelt der Twin aus den beiden schlanken, konisch zulaufenden Tüten im Roadster-Style. Die akustisch eher blasse Vorstellung macht die Thruxton aber auf andere Weise mehr als wett. Mit weißen Ziffernblättern unterlegte Instrumente, gebürstete Alu-Motordeckel, die getrennte Kurbel- und Getriebegehäuse vorgaukeln, oder die in Vergasergehäusen versteckten Einspritzdüsen machen richtig was her und rücken die Thruxton ganz dicht an ihre klassischen Vorbilder heran.
Bereits seit einer Dekade verzaubert die Triumph Thruxton ihre Anhänger mit ihrer schnörkellos-klassischen Linienführung. Stolz prangt das erhabene Emblem auf dem Tank, sie scheint sich direkt aus den Sixties in die Neuzeit gerettet zu haben. Die Sitzposition ist eines Café Racers würdig. Die Rasten weit hinten, der nach unten gekröpfte Stahlrohrlenker in akzeptabler Höhe, ergibt das eine sportlich-aufrechte Sitzhaltung. Ebenso authentisch, wenngleich unpraktisch: die wulstigen Griffgummis. Die Sozius-Abdeckung fügt sich perfekt in die Linie. Ihre Taille ist fast schmaler als die der kleinen Moto Guzzi V7 Racer, fantastisch eng der Knieschluss. Die Wendigste allerdings ist sie nicht – wie auch, mit dem längsten Radstand des Quartetts? Dafür zieht sie mit tadelloser Stabilität ihre Kreise, verfolgt unerschütterlich den eingeschlagenen Kurs. Länge läuft. Schräglagenfreiheit und Grip gibt es genug, und es bereitet ihr keine Mühe, den anderen zu folgen.
Twin klingt bei höheren Drehzahlen angenehm sonor
Trotz „nur“ 69 PS. Die Einzelscheibe im Vorderrad der Triumph Thruxton agiert unauffällig, muss aber wie jene der Moto Guzzi V7 Racer ohne ABS auskommen. Ungemein gleichmäßig und unaufgeregt geht ihr Twin zu Werke, mit kräftiger Mitte, hängt butterweich am Gas. Eine Fahrt mit ihr ist eine kleine Entspannungskur. Der Twin klingt bei höheren Drehzahlen angenehm sonor, läuft smooth wie eine Nähmaschine und lässt erst ab 6000/min ein leichtes Kribbeln durch die Rasten rieseln. Ein besseres Mittel, um Stress und Hektik abzuschütteln, gibt es kaum.
Die Triumph Thruxton vereint herrliche Optik mit unbedingter Umgänglichkeit und entspanntem Fahrverhalten. Sie wirkt dezent, geschliffen, dadurch aber nicht sonderlich emotional.
Technische Daten Triumph Thruxton
Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Einspritzung, 2 x Ø 37 mm, Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, X-Ring-Kette, 90,0 x 68,0 mm, 865 cm³, 51,0 kW (69 PS) bei 7400/min, 69 Nm bei 5800 /min.
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, Scheibenbremsen vorn, Ø 320 mm, und hinten, Ø 255 mm, Reifen 100/90 18; 130/80 17, Lenkkopfwinkel 63,0 Grad, Federweg v/h 120/106 mm, Sitzhöhe 790 mm, Gewicht vollgetankt 231 kg, Tankinhalt 16,0 Liter.
Preis: Thriumph Thruxton (Testmotorrad) 9390 Euro, Nebenkosten 450 Euro.
Internet: www.triumphmotorcycles.de
BMW R nineT

Auf eine ruhmreiche Historie oder berühmte Vorfahren kann die BMW R nineT nicht zurückblicken. Doch haben die Münchner so gekonnt klassische und moderne Stilelemente gemischt, dass man glauben könnte, die BMW käme direkt vom Record Race vor dem Ace Cafe nach München. Der Alu-Höcker verleiht ihr ein verdammt zierliches Heck. Gebürstetes Alu ziert nicht nur den Ansaugschnorchel, sondern auch die Tankflanken. Ganz in Schwarz gehalten, wirkt die BMW minimalistisch, drahtig und knackig. Nur das etwas dominante LCD-Display zwischen den hübschen Runduhren drängelt sich mit kühler Sachlichkeit ein wenig zu sehr in das Blickfeld des Fahrers. Pah, Kleinigkeiten, die vom ersten kernigen Trompeten aus dem doppelläufigen Auspuff weggeblasen werden. Herrschaftszeiten, das klingt! Dazu zuckt der Lenker im Takt der gegenläufig strampelnden Kolben.
Die BMW R nineT ist der Senkrechtstarter dieser Saison. Unnachahmlich, wie sie moderne Zutaten wie Upside-down-Gabel, Radialbremsen und Einarmschwinge mit klassischen Stilelementen kombiniert. Zeitgemäße Leistung im klassisch angehauchten Gewand, kein anbiederndes Retro, das gibt uns glatt unseren Glauben an die BMW-Design-Abteilung wieder. Und sie wäre keine BMW, wenn sie nicht auch fahrdynamisch auf der Höhe wäre. Präzise lässt sie sich von ihrem Piloten an der breiten Lenkstange durch die Kurven zirkeln.
Der luftgekühlte Boxer der BMW R nineT wirkt spritzig, antrittsstark, hängt dazu piekfein am Gas, sodass jedes Herausbeschleunigen aus Kurven ein Fest ist. Selbst bei verhaltenem Tempo. Denn da ist ja stets dieses vollmundige Trompeten mit seinem dunklen Timbre, das die Nackenhaare aufstellt. Er kann auch richtig zünftig drehen, sicher, macht aber schon bei mittleren Drehzahlen unheimlich Spaß. Dazu passt die leicht nach vorne gebeugte Haltung, die der Fahrer einnimmt, sobald er das niedrige, dünne Sitzbrötchen erklommen hat. Sie passt ganz ausgezeichnet zum Roadstern.
Makellos freilich ist auch die BMW nicht
Und selbst gehobenem Tempo steht die BMW R nineT durchaus aufgeschlossen gegenüber. Lang gezogene Kurven mit großer Schräglage zu durcheilen, dazu dem betörenden Klang zu lauschen, Gang für Gang, das rockt. Nicht zuletzt, weil sie ein wirklich gut funktionierendes Getriebe zur Seite gestellt bekam. Makellos freilich ist auch die BMW nicht. Der lange Leerweg am Handbremshebel stört nicht nur sensible Naturen. Und etwas mehr von der Sorgfalt, mit der sich die Entwickler um das Design gekümmert haben, hätte der Fahrwerksabstimmung gutgetan.
Die Gabel BMW R nineT arbeitet zwar weich und komfortabel, taucht aber bei harten Bremsmanövern schnell und weit ein. Und auf Kanten und Absätzen bekommt der Fahrer von hinten roadstertypische Härte zu spüren. Aber sagt man das nicht auch von britischen Roadstern: hart, dafür mit genialer Straßenlage. Doch zu viel Perfektion erzeugt schnell Langeweile. Und die kommt hier garantiert nicht auf. Und die kommt hier garantiert nicht auf – das gilt für alle vier. Jede eröffnet eine eigene Erlebniswelt mit einer Fülle von Emotionen und Glücksmomenten. Unabhängig von Leistung und Tempo. Jede auf ihre Art.
Technische Daten BMW R nineT
Motor: luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Boxermotor, je zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Einspritzung, 2 x Ø 50 mm, Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan, 101,0 x 73,0 mm, 1170 cm³, 81,0 kW (110 PS) bei 7750/min, 119 Nm bei 6000/min.
Fahrwerk: tragender Motor-Getriebe-Verbund aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 46 mm, Einarmschwinge aus Alu, Zentralfederbein, Scheibenbremsen vorn, 2 x Ø 320 mm, und hinten, Ø 265 mm, ABS, Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17, Lenkkopfwinkel 64,5 Grad, Federweg v/h 120/120 mm, Sitzhöhe 785 mm, Gewicht vollgetankt 222 kg, Tankinhalt 18,0 Liter.
Preis: BMW R nineT (Testmotorrad) 15.597 Euro, Nebenkosten 390 Euro.
Internet: www.bmw-motorrad.de
Messwerte

BMW R nineT | Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd | Moto Guzzi V7 Racer | Triumph Thruxton | |
Höchstgeschwindigkeit* | 217 km/h | 250 km/h | 155 km/h | 200 km/h |
Beschleunigung | ||||
0-100 km/h | 3,3 sek | 3,1 sek | 6,1 sek | 5,3 sek |
0-140 km/h | 5,5 sek | 5,2 sek | 14,5 sek | 9,8 sek |
0-200 km/h | 13,3 sek | 10,4 sek | – | – |
Durchzug | ||||
60–100 km/h | 3,3 sek | 4,1 sek | 5,6 sek | 5,9 sek |
100–140 km/h | 3,4 sek | 4,2 sek | 10,1 sek | 7,9 sek |
140–180 km/h | 4,4 sek | 4,7 sek | – | 12,0 sek |
Verbrauch Landstraße/100 km | 5,2 Liter | 6,8 Liter | 4,3 Liter | 4,6 Liter |
Reichweite Landstraße | 346 km | 250 km | 488 km | 348 km |
*Herstellerangabe
Leistungsmessungen

Ausreißer: Die Horex VR6 Cafe Racer 33 Ltd liefert statt 126 stramme 144 PS ab, Serienstreuung ist offenbar in Augsburg ein Thema, denn eine früher gemessene „Classic“ lieferte statt 126 auch schon 136 PS ab. Pikanterie am Rande: Die nominell 164 PS starke „Roadster“ brachte es im Top-Test (siehe Ausgabe 19/2013) nur auf 154 PS.
Den druckvollsten Antritt aus tiefsten Lagen bietet jedoch die BMW R nineT. Gut zu erkennen auch die ebenmäßige Leistungsentfaltung der Triumph Thruxton, die jeden Anflug von Hektik im Keim erstickt und Gelassenheit verströmt. Mag die Leistungsausbeute der Moto Guzzi V7 Racer in diesem Kreis auch bescheiden wirken, ihr mustergültiger Verlauf ermöglicht entspanntes Fahren und flottes Vorankommen. Und von ebenso wichtigen Dingen – nämlich Sound, Feeling und Emotionen – erzählt so eine Leistungskurve sowieso gar nichts. In diesen Disziplinen kann die Guzzi mit den Kraftprotzen locker mithalten.