Harley-Davidson Café Racer alt gegen neu im Vergleich

Harley-Davidson Jubiläums-Café Racer
Alt gegen neu im Vergleich

Zuletzt aktualisiert am 14.09.2017

Mitte der 70er-Jahre war ich ziemlich heftig in Suzi Quatro verliebt. Die trug knallenges Leder und machte Musik, die meinem etwas unkonventionellen Tanzstil sehr entgegenkam. Zur gleichen Zeit pflegte ich eine ebenfalls platonische, allerdings etwas weniger emotionale Ganz-fern-Beziehung zu Ilse Reuter; denn die trug auch ziemlich knackig sitzende Tierhaut und durfte für MOTORRAD Motorräder testen. Ich fuhr 1977 ein Jawa-Mofa, Ilse fuhr Harley-Davidson Café Racer. Kein Wunder, dass wir nie wirklich zusammenkamen. Also die Ilse und ich, von der Suzi Quatro mal ganz zu schweigen.

Die 40 folgenden Jahre verbrachte ich unter anderem damit, meine private zweirädrige „Kollektion des Grauens“ (O-Ton meiner Redaktionskollegen) immer mal wieder um eine Sportster zu ergänzen, aber ein Café Racer war nie darunter. Ich hatte schlicht und einfach den Zeitpunkt verpasst, als die Dinger noch bezahlbar waren. Zu einem Live-Date mit einem der mittlerweile begehrtesten Flops der Harley-Historie kam es leider auch nie. Bis zu diesem denkwürdigen Anruf des Harley-Presseonkels Rudi Herzig: „Du, Klaus. Die Sportster wird dieses Jahr 60, und da gibt’s jetzt eine ganz tolle Zubehörkollektion.“ „Prima, Rudi. Sonst noch etwas Neues?“ „Das ist nicht irgendwelches Zubehör. Das geht in Richtung Café Racer. Der wird übrigens 40. Wir haben eine komplett umgebaute Maschine hier. Und wenn du willst, organisiere ich zum Vergleich noch einen original Café Racer.“ Ich wollte!

"Eine Art Oma im Minikleid"

Wenige Wochen später treffe ich Rudi mit der gepimpten Roadster und Christoph Madaus mit dem echten Café Racer im Bergischen Land. Christoph ist Sportster-Fan wie ich, und seine Leidenschaft wurde wie bei mir durch die Lektüre einschlägiger Fachzeitschriften geweckt. Doch Christoph war cleverer als ich, denn er kaufte bereits 1991 und damit zu Noch-nicht-Kult-Zeiten seine XLCR, nahm sie komplett auseinander – und ließ sie dann erst mal bis 2008 in Teilen liegen. Der Zusammenbau nahm dann weitere zwei Jahre in Anspruch. Unter anderem deshalb, weil Christoph zwar durchaus absoluten Originalzustand zu schätzen weiß (und bei diversen Projekten auch umsetzte), beim Café Racer aber eine „Advanced Stock Restauration“ bevorzugte. Soll heißen: weitgehender Originalzustand, allerdings mit technischen Verbesserungen.

Und so kommt es, dass sein Harley-Davidson Café Racer mit deutlich besseren Federelementen und Bremsen als 1977 unterwegs ist, dass im Unterschied zum Original ein Ölfilter verbaut wurde und auch die Elektrik standfester geriet. Und dass die Instrumente eigentlich originaler als beim Original sind, denn 1977 verbaute Harley an der XLCR Tacho und Drehzahlmesser, die auch an einer Honda  zu finden waren. Christoph vertraut dagegen Anzeigen, die es so nur bei Harley-Davidson gab. Alles unter der Maßgabe, dass Motorräder für ihn Fahr- und nicht Stehzeuge sein müssen. Was zu einem ebenso kurzen wir klaren Fazit führt: Der Harley-Davidson Café Racer von Christoph Madaus funktioniert und fährt besser, als es ein 100-prozentiges Original je konnte. Und hat dabei nichts von dem Charme verloren, den die krude Kombination aus Uralt-Motor und Pseudosportler-Verpackung bietet. Ilse Reuter brachte es bereits 1977 auf den Punkt: „Eine Art Oma im Minikleid.“ Das gilt auch heute noch.

Leicht angespannte Sitzhaltung

Von einer Oma sollte man bei der auf Café Racer getrimmten Roadster aber lieber nicht schreiben, denn im Unterschied zum Original mag der 1200er-Evolution-Twin durchaus Drehzahlen, hat für Sportster-Verhältnisse richtig Druck und nervt nicht mit bad vibrations. Eine Eigenheit wurde im Rahmen der Traditionspflege aber unverändert übernommen: die sehr, sehr gewöhnungsbedürftige Sitzposition. Aber hey, das Ding läuft unter dem Oberbegriff „Café Racer“, nicht etwa „Autobahn-Kilometerfresser“. Fürs showbetonte Kurzstreckenprogramm taugt die leicht angespannte Haltung allemal.

Rund 20 Stunden hat Stephan Maertz, Leiter der Harley-Pressewerkstatt, benötigt, um alle Teile der Café-Custom-Accessories-Kollektion zu verbauen, und es ist ihm durchaus gelungen, die momentan fahraktivste aller Serien-Sportys nicht zu verschlimmbessern. Keine Selbstverständlichkeit im Custombike-Business! Die vielen edlen Anbauteile sind Handschmeichler und verwöhnen das Auge. Den besseren Sound gibt’s als Zugabe. Und das gute Gefühl, eine Sportster zu fahren, die nicht an jeder Ecke steht – was sie wiederum mit dem original Café Racer gemein hat. Und was sich auch für deutlich unter 8.800 Euro Materialeinsatz machen lässt; denn alle Anbauteile können auch einzeln und/oder sukzessive verbaut werden. Motorrad-Junkie Christoph Madaus wirkte jedenfalls interessiert, die Enkelin seines Originals würde durchaus in seine Sammlung passen. Ich werde derweil ein paar alte Suzi-Platten auflegen und vielleicht in ein paar Ilse-Geschichten schmökern. Irgendwie hat mich unsere Café-Fahrt um 40 Jahre zurückgeworfen.

Der Sammler

Der selbstständige Interior-Designer Christoph Madaus ist gebürtiger Kölner (Jahrgang 1959), studierter Maschinenbauer und gnadenloser Petrolhead. Sowie begnadeter Custombike-Schöpfer.

Frank Ratering

So entstand u. a. die preisgekrönte Twintrax mit zwei Harley-Motoren in seiner bestens ausgestatteten Werkstatt. Madaus ist Perfektionist, aber nicht zwangsläufig Originalheimer. Seine Motorradprojekte, zusammengefasst unter dem non-commercial Brand „The German Motorcycle Authority“ (www.german-motorcycle-authority.de), gliedern sich in vier Ausbaustufen – von „Stock Restauration“ bis „Full Custom“.