Royal Enfield Meteor 350: Lässig, sympathisch, bequem

Royal Enfield Meteor 350 Supernova im Test
Lässig, sympathisch und bequem

Veröffentlicht am 01.05.2023

In der Geschichte von Royal Enfield gab es bereits einmal eine Meteor. 1953 war das, als alle Maschinen des Traditionsherstellers noch aus good old England kamen. Mit satten 693 cm³ war der Motor der historischen Meteor einst der hubraumstärkste Paralleltwin.

Heute, fast 70 Jahre später, kommt die aktuelle Royal Enfield Meteor als vermeintlich halbe Portion daher – mit "nur" einem einzigen Zylinder, 349 Kubik und zarten 20 statt einst 40 PS. Dies ist kein Anti-Fortschritt, sondern einfach ein Entschleunigungsprogramm von Anfang an. Immerhin wurde der Single komplett neu konstruiert.

Klingt eher nach 1.350 als 350 Kubik

Er ist neben dem 400er-Single der Himalayan und dem 650er-Twin aus Interceptor und Continental GT das dritte Aggregat von Royal Enfield für den europäischen Markt. Der Einzylinder mit einer kettengetriebenen, obenliegenden Nockenwelle und nur zwei Ventilen ist zwar neu, doch ein Langhuber von altem Schrot und Korn. Der 72er-Kolben im ungemein groß und mächtig wirkenden Zylinder hat heftige 85,8 Millimeter Hub zwischen den zwei Totpunkten vor sich. Dieser optisch mächtige Single schiffsdieselt im Leerlauf sonor vor sich hin.

Das hört man, und spürt es mit jeder Faser des Körpers. Der Motor wummert, bollert und pröttelt aus einem extralangen, völlig geraden und adrett verchromten Auspuffrohr. Bassig-tieffrequent klingt die Royal Enfield Meteor 350 , eher nach 1.350 als 350 Kubik, doch bestimmt nicht aufdringlich. Kompliment. Sound-Engineering haben die indischen und englischen Ingenieure also gut hinbekommen. Royal Enfield unterhält ein großes Entwicklungszentrum in Großbritannien.

Meteor 350 mit leichtgängiger Kupplung

Mit zwei, drei Fingern lässt sich die leichtgängige Seilzugkupplung ziehen. Exakt rasten die fünf Gänge ein, beim Hochschalten dank Schaltwippe auch gern per Hackentrick betätigt – verdammt lässig für ein Motorrad dieser Bonsai-Klasse. Klar reißen echte 20 PS nicht gleich den Asphalt in Stücke, ein Meteoriteneinschlag sieht anders aus. Trotzdem (oder gerade deswegen) setzt sich die Royal Enfield Meteor 350 als tolles Sightseeing-Motorrad von Anfang an prächtig in Szene.

Der herzerfrischende Langhuber läuft bereits im Drehzahlkeller wohlig rund. Da kann man den fehlenden Drehzahlmesser leicht verschmerzen. Alles ist Easy Going, sanft und gemütlich. Tempo 40 im vierten Gang oder 50 im fünften? Kein Problem. Die große Schwungmasse macht’s möglich. Doch ein Durchzugswunder ist die massive Royal Enfield Meteor 350 nicht, bei zehn Kilo pro PS. Es gilt "Eile mit Weile". 192 Kilogramm Gewicht sind immerhin das Niveau einer Yamaha MT-09. Die hat aber volle 115 PS.

Jenseits von Tempo 100 wird es zäh

Jenseits von Tempo 100 wird es auf der Royal Enfield zäh. Im fünften Gang dreht der Single nicht aus. Er erreicht die Nenndrehzahl von 6.100/min, ergo auch seine Höchstleistung, bloß im vierten. Wie angedübelt verharrt die Tachonadel bei 120 km/h, der Single vibriert obenheraus spürbar. Über Rasanz und Beschleunigung definiert sich die Royal Enfield Meteor 350 mit der sanften Seele also nicht. Sondern übers Feeling.

Der Lenker ist weit zum Fahrer hin gekröpft. Die Füße ruhen auf moderat vorverlegten Fußrasten mit eingeprägtem Royal-Enfield-Logo, während der Allerwerteste im ausgeprägten Fahrersattel fläzt. Viel Urvertrauen vermittelt die niedrige Sitzhöhe von rund 770 Millimetern. Der breite, 15 Liter fassende Tropfentank spreizt die Schenkel stark. Für kleinere bis mittelgroße FahrerInnen passt dieses Sitz-Arrangement prima. Das Motto lautet: alles sehen, alles fühlen. Einen Sozius empfangen ein eigener kleiner Sitz und separate Haltegriffe aus Metall.

Im Stadtverkehr easy und souverän

Schön handlich klappt die Royal Enfield Meteor 350 aus der Senkrechten in Schräglage ab, hält in Kurven selbst enge Radien. Das 19-Zoll-Vorderrad ist 100 Millimeter schmal, der hintere 17-Zöller moderate 140 Millimeter breit. So wuselt die Meteor 350 auch dank niedrigem Schwerpunkt und kurzem 1,40-Meter-Radstand im Stadtverkehr easy und souverän um Autos und zieht auf der Landstraße präzise ihre Bahn.

Die Haftung der "Ceat Zoom Plus"-Pneus geht in Ordnung. Das sind Diagonalreifen aus indischer Produktion. Reifenrutscher? Fehlanzeige, selbst bei Nässe. Nun, Ceat hat von den 70er-Jahren bis 2014 zum Pirelli-Konzern gehört, konnte also reichlich Know-how ansammeln.

Klar kratzt die Royal Enfield Meteor 350 irgendwann die Kurve. Gehört zum Konzept des Bonsai-Cruisers mit tief liegenden Fußrasten. Ihre Angstnippel ziehen dem Teer früh einen Scheitel. Komfortabel abgestimmt geben sich die Federelemente. Schluckfreudig-komfortabel gibt sich die wenig gedämpfte Gabel. Lange Bodenwellen stecken die Stereo-Federbeine so lässig weg wie ein Fakir die Marter auf dem Nagelbrett. Doch kurze, harte Absätze verdauen sie trotz progressiver Wicklung weniger souverän.

Bremsen der Royal Enfield Meteor 350

Das ebenfalls neu entwickelte Chassis mit Rahmen und Schwinge aus schwerem Stahl repräsentiert 80er-Jahre-Niveau: einfach und effektiv. Moderner geben sich die Bremsen: Die einfachen, ABS-gesteuerten Schwimmsättel liefert Bybre, die indische Tochter des Bremsenspezialisten Brembo. Sie bieten keinen superknackigen Druckpunkt, eher einen weiten, transparent-weichen Dosierbereich. Um den Vorderreifen zum Wimmern zu bringen, reicht die Verzögerung dabei allemal.

Eher gehoben präsentiert sich die Ausstattung der Royal Enfield Meteor 350. Den Halogen-Rundscheinwerfer umkreist ein LED-Kranz zur besseren Sichtbarkeit. Das Rück-/Bremslicht auf dem metallischen hinteren Schutzblech strahlt stylish per Leuchtdioden. Die Instrumente zeigen alles an, was man wissen muss: Uhrzeit, eingelegten Gang, zwei Tageskilometerzähler und Füllmenge im Tank. Allerdings variiert die Zahl der Benzin-Balken etwas diffus – nach Sonnenstand oder Mondphasen?

USB-Ladebuchse und Pfeil-Navigation

Modern sind USB-Ladebuchse und das Turn by Turn (TBT)-Navigationssystem. Dafür braucht es die auf Google Maps basierende Royal Enfield App, die per Bluetooth Smartphone und Motorradnavi koppelt. Wertig wirken die Handgriffe, nicht einstellbar sind die Handhebel. Leicht lässt sich der Bonsai-Cruiser auf den Hauptständer hieven und verfeuert lediglich drei Liter Benzin auf 100 Kilometer. Was satte 500 Kilometer Reichweite im interstellaren, pardon: irdischen Orbit ermöglicht.

Die einfachste Version der Meteor 350, eine "Fireball" ohne Chromglanz, gibt es bereits für 4.790 Euro. "Chrome, sweet Chrome" bietet die Version "Stellar" zu 4.890 Euro. Und das Topmodell "Supernova" kostet 4.990 Euro. Es hat eine Sissy-Bar und einen leicht abnehmbaren Windschild, der auf den Fotos fehlt. So oder so gilt: Easy Crusing für wenig Kohle.