Klassiker tunen? Das heißt vor allem ein moderneres Fahrwerk, bessere Bremsen und eine Schippe mehr Leistung. Aber alles in der Optik von einst, ohne Wenn und Aber. So wie bei diesem handgemachten Café-Racer vom Guzziladen aus der Oberpfalz.
Klassiker tunen? Das heißt vor allem ein moderneres Fahrwerk, bessere Bremsen und eine Schippe mehr Leistung. Aber alles in der Optik von einst, ohne Wenn und Aber. So wie bei diesem handgemachten Café-Racer vom Guzziladen aus der Oberpfalz.
Reinhard, unser Gemüsehändler an der Ecke, macht sich normalerweise nichts aus Motorrädern. Doch an diesem Morgen ist das anders. Aufgeregt umkreist er die feuerrote Schönheit. Es ist Liebe auf den ersten Blick. "Rot wie die Sünde", sagt Reinhard nur. Und wie zierlich, wie einfach dieses Motorrad doch sei. Weckt diese Guzzi also Beschützerinstinkte?
Wohl kaum. Denn selbst als kleiner Mann musst du dich auf der zierlichen 1100er ziemlich zusammenfalten. Niedlich? Von wegen. Sie sagt dir, wo es langgeht, wie sie dich gerne hätte. Devot nämlich. Die Halswirbel knacken. Es muss ein bisschen wehtun. Wäre diese Guzzi eine Frau, sie würde dir niemals die Hemden bügeln.
In schwarzes Leder gehüllt, wie sich das gehört, versuchst du der roten Diva Leben einzuhauchen. Wie war das noch gleich? Beide Benzinhähne öffnen. Dann zweimal den Gasgriff voll durchdrehen, damit die Beschleunigerpumpen tun, was sie sollen. Pumpen. Keihins legendäre CR-Flachschieber beatmen sonst eher klassische Vierzylinder von Honda oder Kawasaki. Es muss ja nicht immer Dellorto sein. Jetzt nach den beiden Chokes an den Vergasern fingern.
Zündung! Äähh, Moment, wo war noch mal gleich der Startknopf? Ach ja, der verbirgt sich links unterm lang gestreckten Tank, im Knotenblech zur Verstärkung des Rahmens. Fast schon frivol wirkt der freie Blick durchs Dekolleté des Rahmendreiecks - die Batterie sitzt in einem Edelstahlgehäuse versteckt und schwerpunktgünstig unterm Schwingendrehpunkt.
Meister Lino Tonti persönlich hat die stählerne Doppelschleife mit dem kurzen Steuerkopf kreiert. Sie tat ab der legendären V7 Sport in verschiedenen Guzzis Dienst. Dieser pulverbeschichtete Rahmen hier stammt ursprünglich von einer Le Mans I aus dem Jahr 1978. Das erklärt erstens die wunderbare Linie bis hin zur authentischen Lampenmaske der einstigen 850er. Und zweitens, Stichwort Geräuschbestimmungen, das Inferno, das losbricht, als der Anlasser die beiden 92er-Kolben auf ihre Umlaufbahn schickt. Die Retro-Le Mans schüttelt sich, die Hausfassaden wackeln.
Ja, dieses Motorrad ist laut, sogar unzeitgemäß laut. Aber das tiefe Grummeln aus den beiden hochgereckten Megafon-Auspuffen erzählt auch von einer anderen Epoche.
Es röchelt dumpf aus den offenen Ansaugtrichtern, bollert und bebt. Kurz gesagt: Dieses Motorrad lebt! Der ganze Leib vibriert. Das macht an. Italophil geprägten, Motoren-affinen Menschen verdrehts den Kopf vor lauter Ergriffenheit. Harmlose Passanten packt eher der Unmut. Und du selbst? Bist betört. Freust dich, wie kerngesund sich dieser serienmäßige V2 aus einer V11 anfühlt, wie fein er am Gas hängt.
Wunderst dich vielleicht, wie sehr man diese Italienerin anpacken muss. Von allein geht bei ihr am Anfang gar nichts. Zwischen allen fünf Gängen lauern tückische Zwischenleerläufe, also volle Konzentration beim Schalten! Der Schalthebel ist nicht besonders ergonomisch angestellt. Viel Last ruht auf den Handgelenken, in der Stadt anstrengend, aber dennoch lustvoll.
Bei der Spritztour ins Grüne sucht sich die Guzzi zunächst überraschend weite Bögen. Klar, die Pirelli Dragon Super Corsa Pro sind reinrassige Sportreifen, brauchen Temperatur. Dann fahren sie wie verwandelt, grippen prima bis zur Abrisskante. Und verwöhnen auf heutigen Standardgrößen, 120/70 ZR 17 und 180/55 ZR 17, mit ehrlichem Handling. Ja, man muss ein wenig an den Lenkerstummeln ackern.
Dann aber setzt die Retro-Le Mans eins zu eins um, was der Reiter will. Herrlich! Einer Ducati 998 R entstammt die 43er-Upside-down-Gabel von Öhlins. Sie folgt dem Fahrbahnrelief feinfühlig. Die ebenfalls schwedischen Federbeine tragen güldene Ausgleichsbehälter. Sie lassen die Zubehör-Schwinge eher straff abgestimmt über den Asphalt gleiten. Hart, aber herzlich.
Richtig in ihrem Element ist die drahtige Signora in flüssigen, lang gezogenen Kurven. Nun, wenn der Winddruck trägt, passt auch die lang gestreckte Sitzposition perfekt. Du verschmilzt mit den 206 Kilogramm Stahl, Aluminium und Karbon. Exakt so leicht war auch die Urahnin, Le Mans I.
Leichtes Spiel also für die 86 PS und 92 Newtonmeter am Hinterrad der Enkelin. Das sind hochgerechnet auf die Kurbelwelle echte 95 PS und 104 Nm Drehmoment.Diese Werte haben Micron Systems in Fürth auf ihrem Dynojet-Prüfstand gefunden. Dort stimmte Stefan Bronold, Inhaber des Guzziladens, seine hauseigene Zündanlage auf den V11-Motor ab. Die Zündung verlegte Stefan in die CNC-gefrästen Instrumente. Operation gelungen, so bestimmt-nachdrücklich schiebt die rote Liebe an.
Heutige Sportmotorräder haben doppelt so viel Leistung. Na und? Dafür rollt und grollt Signora Rossa führerscheinkonform mit höchstem Erlebniswert bereits bei Tempo 120. Pures Erleben! Ungefiltert und authentisch. So beseelt diese geile Guzzi ihren Besitzer total. Jochen Wagner, Doktor der Philosophie, besitzt unter anderem noch eine Ducati 996 SPS und 1098 R. Aber meistens nimmt er mittlerweile „Bronolds Rote“ her, wie er seine Retro-Le Mans nennt. Weil es nicht wichtig sei, „wie schnell die Maschine ist. Sondern wie sie schnell ist.“
Goldene Brembo-Bremsen P4 mit vier Einzelbelägen und Radialpumpe fangen das Leichtgewicht stets sicher wieder ein. All diese gelebte Agilität lässt über kleine Nickeligkeiten locker hinwegsehen. Geknickte Gaszüge, lässig verlegte Elektrik, den schlecht erreichbaren Seitenständer oder das linke Federbein, das am Auspuff kratzt.
Geschenkt. Denn dieser Umbau ist ein Bekenntnis auf Rädern. Er zeigt auf, welche Maschine Moto Guzzi seit Jahren zu bauen versäumt. Findet Reinhard auch.
Die Retro-Le Mans fertigt der Guzziladen in Kleinserie als kompletten Neuaufbau, ohne dass etwas angeliefert werden müsste. Der originale Tonti-Rahmen von Moto Guzzi erhält den Motor einer V11. Lackierung und Pulverbeschichtung nach Wunsch sind inklusive. Komplett TÜV-abgenommen und zulassungsfertig kostet das Motorrad ab 17 900 Euro in „Grundausstattung“. Dazu gehören Seriengussräder einer Moto Guzzi V11 (3,5 und 5,5 Zoll), Upside-down-Gabel von Marzocchi, Wilbers-Federbeine und Dellorto Vergaser. Inklusive (auch einzeln lieferbar) sind folgende Einzelkomponenten:
Das gefahrene Motorrad kostet 24350 Euro durch Aufpreise für folgende Edel-Extras:
Anbieter
Guzziladen, Stefan Bronold jun., Nabburger Str. 40, 92521 Schwarzenfeld, Telefon 0 94 35/6 39 32 67, www.guzziladen.de