Honda CB 1000 Hornet SP und Suzuki GSX-S 1000 tragen zwar keine Lenkerstummel oder Vollverkleidungen, doch ihre Motoren entstammen höchstperformanten Sportlern, die offenkundig nicht für enge Passstraßen, sondern für weitläufige Rennstrecken entwickelt wurden. Der 1000er-Reihenvierzylinder der Suzuki kam im Grunde bereits in der GSX-R 1000 K5 zum Einsatz, der der Honda trieb die Fireblade SC77 an. Beide Aggregate tauschten für ihre Aufgaben in den Naked Bikes ein paar Pferdestärken bei höchsten Drehzahlen gegen Newtonmeter im mittleren Bereich ein.
Welcher der domestizierten Superbike-Motoren schiebt Mensch und Maschine souveräner auf die Passhöhe? Und genügt das, um den Alpen-Test für sich zu entscheiden? Die ersten Kehren des Passo Pordoi türmen sich vor uns auf, es ist angerichtet.
Beide Power-Nakeds platzieren den Fahrer aufrecht
Motorleistung spielt hier am Pass erfahrungsgemäß eine untergeordnete Rolle und wird erst mal hinten angestellt. Die Ergonomie eines Motorrads ist beim Gipfelsturm dagegen ganz entscheidend. Auf Suzuki und Honda hat man bei engen Wendungen eine gleichermaßen ordentliche Spielübersicht, denn beide platzieren den Fahrer aufrecht, wenn auch klar in Richtung Vorderrad orientiert.
Die Suzki GSX-S 1000 formt einen schmaleren Knieschluss als die Hornet, deren Sitzpolster zudem auffällig straff ausfällt, und gibt günstigere Kontaktpunkte für die Knie. Beide Arrangements machen jedenfalls Lust, den Pass im Galopp statt im Trab zu erklimmen.
Passend für Alpen-Aktivitäten?
Doch Mäßigung der Gashand wird in den Dolomiten belohnt, denn es wäre schade, sich hier nur den grauen Flickenteppich vor dem Vorderrad anzuschauen und die Parkbuchten der Pässe nicht für kurze Zwischenstopps zu nutzen, um die massiven Felsformationen zu bewundern.
GSX-S und Hornet machen das gerne mit, ihre mit wenig Handkraft gut dosierbaren Kupplungen erleichtern das Anfahren am Berg und die ab Standgas seidig laufenden Vierzylinder mögen hohe Drehzahlen zwar, brauchen sie aber nicht. Das gilt besonders für den Suzuki-Antrieb, der am unteren Ende des Drehzahlbands turbinenartig anschiebt, in Kehren weich ans Gas geht und kaum vibriert. So auch bei der Honda CB 1000 Hornet SP, die aber in all diesen Punkten einen Hauch weniger feingeschliffen agiert als die Suzuki.
Eingeschränkter Komfort
In puncto Komfort muss man auf sportlichen Naked Bikes sowieso Abstriche in Kauf nehmen. Das Öhlins-Federbein der Honda Hornet SP stellt zwar bei sportlicher Fahrweise große Reserven bereit, strapaziert jedoch auf dem vom Frost zerfressenen und notdürftig geflickten Asphalt der Passstraße die Bandscheiben stark.
Auf grobem Untergrund wirkt die Suzuki souveräner, bügelt gröbere Kanten und Löcher gut glatt. Mit ihr kommt man insgesamt etwas relaxter, aber nicht später an der ersten Passhöhe an. Der Sozius ebenfalls, denn Kniewinkel und Sitzpolster der Suzuki sind in zweiter Reihe angenehmer.
Welche ist handlicher in Kurven?
Doch zurück zu dem, was die Naked Bikes am liebsten tun: Kurven-, nein, hier Kehrenwetzen. Handlicher sticht die Honda in die Ecken, besonders die engen. Sie lässt sich problemlos in Schräglage drücken und gibt über die straffe Gabel viel Feedback vom griffigen Bridgestone S23 (Sonderspezifikation "BB") Serienreifen.
Auf der Suzuki geht flottes Wedeln etwas weniger leicht von der Hand, ihre Dunlop Roadsport Sportmax 2 "p" rollen hölzerner, haften auf feuchtem Untergrund spürbar schlechter. Auch die Hinterreifen-Dimension mit 50er-Querschnitt (Honda: 55) trägt nicht unbedingt zu einem zackigen Lenkverhalten bei, dafür zur Kurvenstabilität in weiteren Bögen, in denen die Suzuki satter liegt als ihre Kontrahentin.
Bestandener Bremstest
Nach einem kurzen Erinnerungsfoto am nächsten Gipfel folgt der Abstieg ins Tal. Er stellt die Bremsen der Naked Bikes auf die Probe. Standfest bleiben erwartungsgemäß beide, die Honda-Stopper fordern beim Verzögern vor den Kehren weniger Handkraft.
Die beim Alpen-Masters übliche Zerreißprobe – Vollbremsung mit Sozius bergab – bestehen Honda CB 1000 Hornet SP und Suzuki GSX-S 1000 mit Bravour. Zwar lassen sich ihre Antiblockiersysteme nicht einstellen, sie halten die Vorderräder jedoch in dieser Extremsituation in der Spur und die Hinterräder sicher am Boden. Die Bremswege von 75 auf 25 km/h von 24,4 Metern (Honda) bzw. 25,1 Metern (Suzuki) können sich sehen lassen.
Honda CB 1000 Hornet SP zieht weg
Nach der Bremsung sieht die Alpen-Masters-Testprozedur eine Kehrtwendung und eine Beschleunigungsmessung bergauf vor, im zweiten Gang geht’s mit zwei Personen bepackt um den Sprint von 25 auf 75 km/h.
Bei rund zwölf Prozent Steigung benötigt die Honda Hornet SP dafür exakt fünf Sekunden und nimmt der Suzuki sechs Zehntel ab. Und das, obwohl der Motor der Suzuki im unteren Drehzahldrittel wie erwähnt mehr Drehmoment generiert. Er schafft es jedoch nicht ganz, die längere Übersetzung zu kompensieren und hat im Beschleunigungsduell das Nachsehen in Vergleich mit der Honda.
Unauffällig gut
Unangenehm wird’s auf der Honda und auf der Suzuki bei Regen. Fehlender Wetterschutz gehört bei den Naked Bikes wie mäßiger Federungskomfort zum Konzept. Auch beheizte Griffe oder Sitze sucht man vergebens. Elektronisch können beide Traktionskontrollen aber auf die rutschige Fahrbahn eingestellt werden und machen ihren Job unauffällig gut.
Unauffällig gut, das passt insgesamt zum Auftritt der Naked Bikes, besonders dem der Suzuki GSX-S 1000. Weniger aggressiv schwingt sie flüssig über die Passstraße und erarbeitet sich damit fast unbemerkt einen kleinen Vorsprung auf die Honda CB 1000 Hornet SP.