Kawasaki Z 800, Yamaha MT-09 und BMW F 800 R im Vergleichstest

Kawasaki Z 800, Yamaha MT-09 und BMW F 800 R
Mittelklasse-Naked-Bikes im Vergleich

Zuletzt aktualisiert am 29.10.2015

Das Wort Mittelklasse klingt immer auch ein bisschen nach Mittelmaß. Aber wenn sich die Spitze der Zweirad-Entwicklung momentan bei rund 200 PS Motorleistung einpendelt, dann ist klar, dass auch im Mittelfeld nicht Schmalhans Küchenmeister ist, sondern man auch hier vor gut gefüllten Fleischtöpfen steht. Im Falle der BMW F 800 R sind das deren zwei, bei der Yamaha MT-09 drei, und die Kawasaki Z 800 bietet sogar vier Möglichkeiten, die Kelle einzutunken. Rein metaphorisch betrachtet.

Rein metaphorisch zäumen wir jetzt auch das Pferd von hinten auf und beginnen ganz praktisch mit der Yamaha MT-09. Schließlich war es die mutige MT-09, mit der sich Yamaha 2013 einem Paukenschlag gleich aus den Tiefen der Zulassungsstatistik heraus- und mitten ins Herz der Zweiradfans hineinkatapultierte.

Yamaha MT-09

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Der Spaß beginnt bereits beim Aufsitzen. Hinter dem hohen und breiten Lenker sitzt man recht aufrecht, mit wenig Gewicht auf den Handgelenken. Dazu kommt der schmale Tank, der einen satten Knieschluss erlaubt. Die Füße finden wie von selbst auf die Rasten, allerdings ist der Kniewinkel schon recht sportlich. Der Dreizylinder der Yamaha MT-09 springt sofort an. Jetzt noch schnell das Mapping via Lenkerschalter auf „B“ gestellt, und es kann losgehen. Sowohl im Standard- und mehr noch im „A“-Modus ist die Gasannahme recht ruppig, was bei normaler Fahrweise schnell nervt. Bereits ab Leerlaufdrehzahl gibt es ordentlich Schub, bei rund 5500 gibt es den zweiten Wind, wobei das typische Triple-Knurren in eine aggressive Tonlage wechselt.

Beim Testmotorrad zeigte sich die Schaltbox recht knorpelig und wollte mit der richtigen Mischung aus Bedacht und Nachdruck betätigt werden. Dem fülligen Drehmomentverlauf sei Dank muss sie aber nicht allzu oft bedient werden. Für die allermeisten Situationen des täglichen Lebens passt die Grundabstimmung des verhältnismäßig soft abgestimmten Fahrwerks der Yamaha MT-09. Bei Gabel und Federbein sind jeweils Federbasis und Zugstufe einstellbar. Nur wenn es auf schlechtem Geläuf arg pressiert, kommt die Gabel an ihre Grenzen und geht zuweilen auf Block, während das Federbein stoisch die Stöße schluckt. Unter diesen Umständen ist auch das Bremsen im ABS-­Bereich mit Vorsicht zu genießen. Lange Regelintervalle und zuweilen überraschendes Lösen der Bremse sorgen dann für große Augen unterm Helm. Dafür bleibt das Hinterrad dort, wo es hingehört: am Boden.

Kurve anvisieren, Lenkimpuls geben, abklappen, fertig

In etwas ruhigeren Bahnen bewegt, erfreut die mit Bridgestone S20 Sonderspezifikation „M“ bereifte Yamaha MT-09 nicht nur durch hohen Komfort, sondern auch durch weitgehend neutrales Fahrverhalten. Kurve anvisieren, Lenkimpuls geben, abklappen, fertig. So kann es stundenlang weitergehen. Sparsam bewegt, nimmt die Yamaha nur 4,3 Liter auf 100 Kilometer, mit viel Freude am Fahren ist es ein guter Liter mehr, sodass man nach rund 250 Kilometern nach einer Tanke Ausschau halten sollte.

Im Alltag helfen lange Service-Intervalle, die Unterhaltskosten im Rahmen zu halten. Leider sorgt das stylish-kurze Heck dafür, dass der Fahrer bei Regen auch von hinten eingesaut wird, zudem verhindert es ziemlich erfolgreich die Befestigung von Gepäck. Dennoch ist die Yamaha MT-09 ein guter Begleiter für eine intensive Zweirad-Beziehung. Von Januar bis August 2015 haben knapp 2100 Kunden Ja gesagt.

Kawasaki Z 800

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Das, dies gleich vorweg, gilt für die Kawasaki Z 800 grundsätzlich auch. Allerdings, und das wird schon bei der ersten Annäherung klar, will sie nicht Everybody’s Darling sein. Schon beim Design scheiden sich die Geister. Wem die Kawa gefällt, der kauft sie. Wem sie nicht gefällt, der kauft sie eben nicht, und wenn sie alle 1000 Punkte der MOTORRAD-Wertung holte. Doch davon ist die Zett weit entfernt. Schon beim Aufsitzen wird klar, dass hier ein anderer, sportlicherer Wind weht als auf der Yamaha MT-09. 

Der Lenker ist weiter vorn und tiefer angebracht, was eine aktivere, wenngleich nicht unangenehme Sitzposition zur Folge hat. Allerdings hat man das Gefühl, trotz nahezu gleicher (820 zu 810 mm) Sitzhöhe wie auf der Yamaha mehr „auf“ als „im“ Motorrad zu sitzen. Das ebenfalls voll digitale Cockpit glänzt weniger mit guter Ablesbarkeit denn wilder Optik. Vor allem der mittig angeordnete Balkendrehzahlmesser ist bei Sonnenlicht kaum ablesbar. Das ist insofern schade, weil der vibrationsarm laufende Reihenvierer am ehesten darauf angewiesen ist. Nicht, dass die Kawasaki Z 800 untenrum nicht fahrbar wäre, aber im direkten Vergleich mit den beiden Kontrahentinnen wirkt der Antrieb bis knapp unter 7000 recht blutarm. Darüber zeigt er dann sein zweites Gesicht und nähert sich unter wildem Gebrüll flugs dem roten Bereich. Um also im Winkelwerk an der BMW F 800 R und der Yamaha MT-09 dranzubleiben, muss die Kawa ständig im Leistungsbereich gehalten werden, was angesichts des am besten zu schaltenden Getriebes kein echtes Problem ist.

Enorme Stoppieneigung beim scharfen Bremsen

Derartig im gestreckten Galopp bewegt, laufen rund 6,5 Liter durch die Einspritzdüsen, beim gemütlichen Trab genügen 5,0 Liter für dieselbe Distanz. Im ­Galopp-Modus fällt auch auf, dass die auf der Testmaschine montierten, freigegebenen Bridgestone S20 Evo-Reifen deutlich besser mit der Kawasaki Z 800 harmonieren; das mit den originalen Dunlop D214 bemängelte träge Einlenken sowie das hohe Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage sind weitestgehend verschwunden. Da MOTORRAD die Testmaschinen aber immer im Serienzustand bewertet, finden sich diese Verbesserungen in der abgebildeten Punktewertung nicht wieder.

Reifenunabhängig ist die bei der Testmaschine enorme Stoppieneigung beim scharfen Bremsen. Mehr als einmal musste bei den Bremstests vorne geöffnet werden, um einen Überschlag zu verhindern. Hier sollte dringend nachgebessert werden. Auch ist das hintere Federbein auf schlechten Straßen mit seinem Latein am ehesten zu Ende. Die Maschine keilt dann aus, was den Reiter ein ums andere Mal aus dem Sattel hebt. Unter denselben Bedingungen haben die beiden Kolleginnen mehr Reserven. Und obwohl, oder vielleicht gerade, weil die Kawasaki Z 800 ein polarisierendes Bike ist, hat sie in den ersten acht Monaten des Jahres 2015 fast 1700 Biker für sich begeistern können.

BMW F 800 R

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Bleibt noch die BMW F 800 R. In diesem Trio gibt sie den Methusalem, denn sie ist bereits seit 2009 auf dem Markt. Das mag erklären, dass sie trotz der für dieses Jahr erfolgten Modellpflege mit Upside-down-Gabel, neuem Scheinwerfer, einem anderen Lenker sowie etwas Feinarbeit am Motor, der nunmehr 90 statt wie bislang 87 PS leistet, im gleichen Zeitraum wie die beiden anderen „nur“ knapp 1000 Kunden von sich überzeugen konnte. Vielleicht liegt es aber auch am Preis, denn das mit diversen Zubehörpaketen ausgerüstete Testmotorrad ist mit 10.460 Euro mit Abstand am teuersten. Zudem wirkt sie in ­diesem Umfeld immer ein bisschen streberhaft. Du hast kalte Finger? Ich hab Heizgriffe. Du willst etwas transportieren? Ich hab Gepäckträger. Du willst Kette schmieren? Ich hab Hauptständer. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Was an der mit der Standard-Sitzbank ausgerüsteten BMW F 800 R wirklich stört, ist der sehr enge Kniewinkel. Zusammen mit dem flach gekröpften, weit hinten und niedrig liegenden Lenker ergibt sich eine ziemlich passive Sitzposition. Zumindest das Sitzproblem lässt sich lösen, BMW hat vier unterschiedlich hohe Bänke, teils gegen Aufpreis, im Programm. Davon abgesehen lässt sich mit der BMW gut leben. Abseits der Autobahn kommt das Leistungsmanko kaum zum Tragen, zumal die Kurven bis 6000 Touren eng beieinanderliegen. Dank Ausgleichspleuel hält sich der drehfreudige Gleichläufer mit Vibrationen weitgehend zurück. Nur obenraus wird es nervig.

In kurvigem Geläuf macht die BMW eine gute Figur

In kurvigem Geläuf macht die mit Metzeler Roadtec Z8 bereifte BMW F 800 R eine gute, sprich leicht einzulenkende und neutral die Kurven umrundende Figur. Auch die Kombination aus nicht einstellbarer Gabel und ESA light lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Das ESA verstellt ausschließlich die Zugstufe des Federbeins per Knopfdruck, die Federvorspannung kann via Handrad angepasst werden.

Und sollte mal der oder die Liebste das Bedürfnis verspüren, mit auf Tour zu gehen, dann bietet die BMW F 800 R mit Abstand die bequemste Hinterbank. Summa summarum sammelt sie so am fleißigsten Punkte und lässt zumindest in der MOTORRAD-Bestenliste die beiden Japanerinnen hinter sich. Zum Schluss sei noch bemerkt: Bei allen Unterschieden, welche die drei Bikes voneinander trennen, eines eint sie: Sie sind alles andere als mittelmäßig.

Technische Daten

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Messwerte

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Diesseits der Vollgasstellung und im Alltagsbetrieb macht sich die Minderleistung der BMW F 800 R kaum bemerkbar, der Drehmoment­einbruch bei 4000/min schon eher. Die Yamaha MT-09 legt schon auf hohem Niveau los, bei 5000/min gibt es einen zweiten, frischen Wind. Allerdings dreht der Triple nur im vierten Gang richtig aus, im fünften ist bei rund 10.000/min Schluss, im sechsten schon bei knapp 9000/min, entsprechend 210 km/h.

Die Kawasaki Z 800 darf immer drehen, was geht, und sie braucht das auch. Denn die vierzylindertypische Unten-wenig-und-oben-viel-Charakteristik ist in der Praxis stärker ausgeprägt als auf dem Diagramm sichtbar. Unter 7000/min gibt die Kawa den braven Dr. Jekyll, darüber verwandelt sie sich in den giftigen Mr. ­Hyde. Ein Spaß für den, der’s mag.

Testergebnis

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1. BMW F 800 R

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1. Platz: BMW F 800 R - 665 Punkte

Am Ende steht wieder einmal die BMW F 800 R ganz oben. Sie leistet sich kaum Schwächen, und ­ihre Stärken werden durch die aufpreispflichtigen Dynamik-, Touren- und Safetypakete weiter ausgebaut.

2. Yamaha MT-09

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2. Platz: Yamaha MT-09 - 647 Punkte

Die Yamaha MT-09 ist ein Motorrad im Wortsinne. Der fantastische Drilling ist immer noch eine Wucht. Wenn man jetzt noch das Mapping optimieren könnte. Und das Fahrwerk etwas straffte. Ansonsten gibt es keine ernsthaften Kritikpunkte.

3. Kawasaki Z 800

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3. Platz: Kawasaki Z 800 - 624 Punkte

Wie das eben so ist mit den Extremisten. Wenn Konsens gefragt ist, hat man leicht das Nachsehen. Trotz leichter Schwächen bei der Motor- und ABS-Abstimmung ist die Kawasaki Z 800 ein begeisterndes Motorrad.