Zwischen CFMoto 800 NK und die KTM 790 Duke besteht ein gewisser Altersunterschied, aus dem ein entsprechender Unterschied beim Reifegrad der Entwicklung hervorgeht. So erblickte die KTM 790 Duke im Jahr 2017 das Licht der Welt und flog 2022 zugunsten der Nachfolgerin mit 890er-Motor aus dem Programm. Die Auszeit nutzte sie für einen Umzug nach China, wo sie mittlerweile in einem gemeinsam mit dem Kooperationspartner CFMoto betriebenen Werk produziert wird. Optisch wie technisch gibt es keine Unterschiede zur alten Version, wie der Vergleich in MOTORRAD 19/2023 ergab. Allein die Leistung wurde von vormals 105 PS auf Führerschein-A2-drosseltaugliche 95 PS zurückgenommen.
KTM 790 Duke mit Kurven-ABS
Eben jene 95 PS entwickelt auch der bis auf Unterschiede in der Ansaugperipherie und dem Endschalldämpfer identische Reihentwin der in diesem Frühjahr vorgestellten CFMoto 800 NK, die aus demselben Werk kommt. Jedoch ist trotz der Herkunft aus demselben Stall und der Ausrichtung auf dieselbe Zielgruppe die Anzahl der Gleichteile sehr überschaubar. Neben dem bereits erwähnten Motor sehen Krümmer und Vorschalldämpfer identisch aus, wenngleich sie andere Nummern tragen. Felgen, Gabelbrücken und Blinker sind ebenfalls gleich, dito der Handbremszylinder, wenngleich mit anderem Hebel. Auch die vorderen Bremssättel sehen gleich aus, tragen aber unterschiedliche Namen. Auf der Duke steht KTM, auf der NK J.Juan. Die Bremsscheiben der CF sind mit vorn/hinten 320/260 Millimeter Durchmesser jeweils deren 20 größer als die der KTM. Und während sich bei der Duke ein Bosch-Schräglagen-ABS in der aktuellen 9.1-Variante um sichere Verzögerung kümmert, muss die CF mit der Zweikanal-Standardvariante vorliebnehmen. Dazu später mehr.
Schon beim ersten Betrachten und Aufsitzen wird klar, dass man es hier mit zwei unterschiedlichen Charakteren zu tun hat. Bei der KTM 790 Duke sitzt man auf schmalem Polster mit engem Knieschluss zwar Vorderrad-orientiert, aber dennoch angenehm aufrecht hinter dem 780 Millimeter breiten Lenker. Auf der CFMoto 800 NK sitzt man mit 820 Millimetern einen Tick (5 mm) höher als auf der KTM, die Sitzbank ist deutlich strammer und der Knieschluss deutlich breiter. Der Kniewinkel ist bei beiden gleich, nämlich sportlich eng.
Unterschiede im Test-Parcours und auf der Straße
Den Hauptunterschied bezüglich der Ergonomie macht der 40 Millimeter schmalere Lenker der CFMoto 800 NK, dessen Enden 50 Millimeter höher liegen. Daraus ergibt sich eine im direkten Vergleich eher passive Sitzposition. Auf der Landstraße passt es hier wie dort, doch im MOTORRAD-Toptest-Parcours, wo auf Zeit gefahren wird, treten die Unterschiede deutlich zutage. Bei der KTM 790 Duke bringt man spürbar mehr Druck auf das Vorderrad und bekommt durch die zwar straffer gedämpfte, aber mehr Feedback bietende Gabel mehr Vertrauen ins Vorderrad und kann dadurch schneller die Schräglage wechseln. Unterstützt wird das Ganze durch einen sensibel am Gas hängenden und fein zu regulierenden Motor.
Obwohl die CFMoto 800 NK keinen Lenkungsdämpfer hat, lenkt sie im direkten Vergleich deutlich träger ein. Durch die inaktivere Sitzposition bringt man weniger Druck aufs Vorderrad, das dadurch nach außen drängt. Das hört sich jetzt schlimmer an, als es ist, doch diese Eigenschaften sind auch, wenngleich in verminderter Form, beim ganz normalen Fahren auf der Landstraße zu spüren.
Auch deutlich zu spüren ist, dass das Mapping der CFMoto meilenweit vom Stand der KTM entfernt ist. Je nach gewähltem Modus (Rain, Street, Sport oder Track) geht der KTM-Twin zwar mit unterschiedlicher Vehemenz zu Werke, hängt aber stets sensibel am Gas und nervt nicht mit Lastwechseln oder Konstantfahrruckeln. Zudem springt er auch bei einstelligen Temperaturen prompt an und verfällt sofort in einen stabilen, niedrigen Leerlauf.
Da kann sich die CFMoto 800 NK mehr als eine Scheibe von abschneiden. Zwar startet sie auch, abgesehen von den Gedenksekunden, die man warten muss, bis das System hochgefahren ist, spontan, überrascht dann aber mit einer dauerhaft sehr hohen Leerlaufdrehzahl von gut 2.000/min. Mit von Rain über Street nach Sport steigender Tendenz nervt sie mit Konstantfahrruckeln und Lastwechselreaktionen sowie beim Gaswegnehmen mit kurz nachschiebendem Motor. Man kann sich da zwar schon dran gewöhnen, aber jedes Mal bei Umstieg auf die KTM merkt man: Besser ist Letzteres!
Unterschiede beim Bremsen
Beim Bremsen sieht es ähnlich aus. Im normalen Fahrbetrieb, wo der ABS-Regelbereich in weiter Ferne liegt, lässt sich die NK locker mit zwei Fingern, ordentlicher Dosierbarkeit und knackiger Wirkung verzögern. Kein Grund zum Meckern also. Doch beim Umstieg auf die Duke stellt man fest, es geht noch lockerer, noch ordentlicher und noch knackiger. Und bei einer Vollbremsung treten die Unterschiede deutlich zutage. Wie oben bereits erwähnt, hat die Duke aktuelle Bosch-Hardware an Bord. Bei den Bremsmessungen liegt die Duke absolut ruhig, das Hinterrad bleibt am Boden. Weder im Bremshebel noch am Fahrwerk sind Regungen zu spüren. Zu spüren ist allein das Ergebnis: Die KTM wird ganz schnell langsamer.
Deutlich mehr Leben ist in der mit Standardware bestückten CF-Bude bei derselben Übung: Die Gabel taucht weit ein, das ABS macht lange auf, packt wieder zu, die Gabel taucht wieder stark ein usw. Begleitet wird das Ganze von einem deutlich pulsierenden Bremshebel sowie einem abhebenden Hinterrad. Angesichts dieser Faktenlage ist es mehr als respektabel, dass die NK nur 0,3 Meter mehr benötigt, um von 100 km/h auf null abzubremsen. Und auch das liest sich jetzt schlimmer, als es ist, denn bei schlechteren Gripverhältnissen fallen die erwähnten Reaktionen deutlich geringer bis gar nicht aus.
Große Unterschiede bei der Licht-Qualität
Auch beim Licht gibt es eklatante Unterschiede festzustellen. Die NK-Lampe wirkt zwar auf den ersten Blick groß, doch den meisten Raum nehmen die spacig designten LEDs für das Tagfahrlicht ein. Die eigentliche Beleuchtung obliegt dem winzigen Knubbel in der Mitte der Lampe. Solange es geradeaus geht, kein Problem. Die Straße wird großflächig und gleichmäßig ausgeleuchtet. Doch wehe, es kommen Kurven ins Spiel. In Schräglage nämlich verengt sich der erhellte Teil zu einem sehr flachen, pfeilförmigen Schlitz mit knallharter Hell-Dunkel-Grenze, und die Bereiche neben dem Vorderrad verschwinden im Nichts. Dieses Problem haben in mehr oder weniger ausgeprägter Form so ziemlich alle Motorrad-Scheinwerfer, doch dem Autor ist kein Motorrad bekannt, bei dem es so extrem ist wie bei der NK. Nachtfahrten in kurvigem Geläuf sorgen auf ihr für hohen Adrenalin-Ausstoß und niedriges Tempo. Das Fernlicht hilft da auch nicht weiter, dafür stört es den entgegenkommenden Verkehr nicht wirklich.
Die Leuchte der KTM ist auch nicht perfekt, die beleuchtete Fläche ist recht fleckig. Dafür ist der Schlitz-Effekt deutlich weniger ausgeprägt, und der Bereich neben dem Vorderrad wird auch in Schräglage erheblich besser ausgeleuchtet. Nachtfahrten sind mit ihr kein Problem.
CFMoto 800 NK mit TFT-Display und höherer Wertanmutung
Bis hierher sieht es also nicht ganz so gut aus für die CFMoto 800 NK, doch die angesprochenen Probleme sind, abgesehen vom Licht, nicht struktureller Art, sondern grundsätzlich mithilfe von Software-Updates in den Griff zu bekommen. Dafür erfreut sie mit einer höheren Wertanmutung als die KTM 790 Duke sowie einem tollen TFT-Display mit allen zeitgemäßen Features. Zudem sind neben den beiden Handgriffen (kann die KTM auch) auch Brems- und Schalthebel auf die persönlichen Vorlieben einstellbar. Und im täglichen Umgang schätzt man den serienmäßigen Tempomaten mehr, als man die fehlende Traktionskontrolle vermisst. Was man allerdings vermisst, ist der (leicht nachrüstbare) Quickshifter/Blipper der Duke, der diesmal deutlich fluffiger funktionierte als bei der motorisch identischen 790er-Adventure aus dem Enduro-Vergleichstest in MOTORRAD 21/2023. Und wer chinesischen Marken generell mit Vorbehalten gegenübersteht, dem sei gesagt, dass vier Jahre Garantie ein Beleg dafür sind, dass CFMoto von der Endurabilität seiner Produkte überzeugt ist.
Ob dies reicht, die skeptische deutsche Kundschaft zu überzeugen, wird sich erweisen. Bislang hielt sich hierzulande der Markterfolg der Marken aus dem Reich der Mitte in engen Grenzen, und der Grund war bislang jedes Mal derselbe: Angesichts der meist nicht vollständig zu Ende entwickelt wirkenden Produkte und dem demzufolge fehlenden Reifegrad ist der Preisunterschied zu den etablierten Herstellern einfach nicht groß genug. Dazu kommen die Unwägbarkeiten in Sachen Händlernetz, Ersatzteilversorgung und Wiederverkaufswert. Bei CFMoto könnten sich zumindest die ersten beiden Punkte klären, da die Marke die bereits vorhandene KTM-Infrastruktur mitnutzen darf.