"Es kommt mir vor, als würde ich auf der Yamaha MT-09 SP höher sitzen, aktiver, eher über dem Lenker als dahinter", sagte mein mittestender Kollege Volkmar Jacob, nachdem er von der SP auf die Standard-Yamaha MT-09 umgestiegen war. Das kann ich nach dem umgekehrten Tausch nachvollziehen, und mit diesem Eindruck fahren wir weiter über Land, quälen uns und die Motorräder mehrmals über eine fiese Holperstrecke und genießen eine passähnliche Kurvenstrecke mit perfektem Asphalt. Ständig tauschen wir Motorräder hin und her und spielen mit den Einstellmöglichkeiten der Fahrwerke, von denen besonders die Yamaha MT-09 SP eine ganze Menge anbietet. Der Eindruck festigt sich: Man sitzt höher auf der SP ...
Weichere Feder bei der Standard MT-09
Anderntags wird nachgemessen: Wasserwaage quer über die Sitzbank, einer hält das Motorrad und die Luft an, während der andere rasch auf der linken Seite, dann auf der rechten die Höhe misst, in der die Wasserwaage über Grund schwebt. Die Werte werden gemittelt und notiert, jetzt ist die andere Maschine dran. "Verdammt, lass uns noch einmal messen" – gesagt, getan, doch es hilft nichts. Die Sitzhöhe ist bei beiden 2024er-Yamaha MT-09 genau gleich.
Etwas anders sieht die Sache mit aufsitzendem Fahrer aus. Da sinkt das Heck der Standard-MT trotz gleichem unbelastetem Negativfederweg ein paar Millimeter weiter ein als die Yamaha MT-09 SP, die Feder ist also etwas weicher. Kleine Ursache, spürbare Wirkung: Obwohl sich die Position des Fahrers zum Lenker nicht verändert hat, fühlt sie sich weniger vorderradorientiert an, da das Motorrad einwenigweiterumden Schwerpunkt nach hinten unten kippt. Vorn sieht es anders aus. Weil das Gewicht des Fahrers überwiegend auf der Hinterhand lastet, verlassen die Unterschiede im Stand kaum den Bereich der Messtoleranzen. Dennoch erweist sich die Gabel der Yamaha MT-09 beim Fahren als weniger straff gedämpft und mit weniger Progression beim tiefen Einfedern als weicher.
Yamaha MT-09 SP: Kayaba-Gabel und Öhlins-Federbein
Die Yamaha MT-09 bietet also mehr Federungskomfort als die Yamaha MT-09 SP. Das gilt für nahezu alle Fahrbahnqualitäten. Nur über rabiaten Bodenwellen wird es auch mit der Standard-MT ungemütlich, aber die kann auch die Yamaha MT-09 SP mit ihrem strafferen Setup nicht glatt bügeln. Die Kayaba-Gabel und das Öhlins-Federbein sprechen zwar fein an, ihre Hydraulik setzt aber vor allem dem Einfedern hohe Dämpfungskräfte entgegen.
Fahrwerksspezialisten, die sich hauptsächlich mit Rennstrecken-Setups beschäftigen, postulieren die Notwendigkeit, die Einstellung der Druckstufe im High- und Lowspeed-Bereich nicht allzu weit auseinanderlaufen zu lassen, also beide eher straff oder sanft zu wählen.
Yamaha MT-09 SP mit zwei Track-Modi
Nun ist die Kayaba-Gabel der Yamaha MT-09 SP in High- und Lowspeed-Druckstufe getrennt einstellbar, und wir haben festgestellt, dass man auf der Landstraße nicht nur komfortabler fährt, wenn man die Highspeed-Druckstufe fast ganz öffnet, die Lowspeed-Einstellung aber im mittleren Bereich belässt, sondern auch beim sehr sportlichen Fahren keine Nachteile in Kauf nehmen muss. Bei hohem Tempo auf Waschbrett-Autobahnen wie der A 81 zwischen Heilbronn und Würzburg trägt diese Abstimmung sogar zur Fahrstabilität bei, da die Gabel sensibler auf rhythmisch hereinbrechende, harte Stöße anspricht und unliebsame Lenkreaktionen unterbindet.
Auf der Rennstrecke mögen andere Tugenden wichtig sein, aber die ist nicht das natürliche Habitat der beiden Yamaha MT-09. Deshalb haben wir auch darauf verzichtet, die beiden Track-Modi der SP zu probieren, die wir auch nicht ohne die Lektüre des Online-Fahrerhandbuchs hätten aktivieren können. Man findet sie unter dem Menüpunkt "theme".
Mehr Stabilität und energischer in Schräglagen
Zurück zum sportlichen Landstraßenfahren. Dabei zeigt die Yamaha MT-09 SP, welche Reserven sie der Standardversion voraus hat. Zum Beispiel bei harten Bremsmanövern, in deren Verlauf die straffere Abstimmung der Gabel und die steilere Progressionskurve der Federung mehr Stabilität mit sich bringen. Umgekehrt stemmt sich das Öhlins-Federbein beim Beschleunigen in Schräglage energischer gegen den Gewichtstransfer nach hinten, und die straffe Zugstufe lässt kein Pumpen aufkommen.
Einstellbare Zugdämpfung bei der Standard-MT-09
Im Unterschied dazu muss bei der Yamaha MT-09 die Zugdämpfung hinten fast ganz geschlossen werden. Die Einstellschraube findet sich oben am Federbein; man erreicht sie mit einem Schraubendreher, indem man eine kleine Plastikabdeckung am linken Rahmenprofil entfernt.
Wenn die Feder für den Soziusbetrieb ganz vorgespannt werden muss, reicht die Dämpfung gerade eben noch hin. Auch für diesen Fall bietet die Yamaha MT-09 SP also mehr Reserven. Außerdem können Vorspannung, Druck- und Zugstufe bequem ohne Werkzeug eingestellt werden. Die MT-09 bietet tendenziell mehr Federungs-, die SP hingegen eindeutig mehr Bedienkomfort.
Yamaha MT-09: bessere Dosierbarkeit der Bremsen
Angesichts der verschiedenen Komponenten an beiden Motorrädern war zu erwarten, dass diese Geschichte in erster Linie eine Fahrwerksgeschichte werden würde. Ob man die Bremsen nun dazuzählt oder eher als Gegenpart des grandiosen Dreizylinders sieht, bleibt jedem selbst überlassen. Die Brembo Stylema-Bremssättel der Yamaha MT-09 SP sind jedenfalls ein augenfälliger und verkaufspsychologisch wichtiger Teil ihrer gehobenen Ausstattung. Im Fahrbetrieb konnten sie ihre höhere Wertigkeit jedoch nicht beweisen. Das gilt für zwei verschiedene SP-Exemplare – eines bekamen wir durch ein Missverständnis für einige Tage in die Hände.
Die Yamaha MT-09 von Yamaha-Händler Flieg in Grosselfingen erfreute im direkten Vergleich mit dem besseren Initialbiss und der besseren Dosierbarkeit bei langen Bremsungen bis zum Stand. Das eher stumpfe Ansprechen der Brembos führte wie oft in solchen Fällen dazu, dass man beim scharfen Anbremsen einer Kurve oder bei einer zum Glück bloß simulierten Panikbremsung nur immer kräftiger am Hebel zieht, ohne die präzise Rückmeldung zu erhalten, die in solchen Situationen als hilfreich empfunden wird. Es geht bei den beiden Yamahas nicht um gut oder schlecht, aber um deutlich spürbare Unterschiede.
Bremsen-Test aus hohem Tempo
Vielleicht, so dachten wir, würden die Brembos ja bei hoher Dauerbelastung – Stichwort "Alpenpässe bergab" – ihre Stärken ausspielen. Also suchten wir eine verkehrsarme Straße und bremsten mit beiden Yamaha MT-09 in schneller Folge fünfmal hintereinander aus hohem Tempo bis zum Stillstand. Keine der Bremsanlagen ließ bei dieser Tortur in ihrer Wirkung spürbar nach, und die Yamaha-Sättel lieferten immer noch das bessere Bremsgefühl.
Damit beweisen sie, dass der Grund für das Verhalten der Brembos eher nicht in einer defensiven Abstimmung des ABS, sondern höchstwahrscheinlich in der Reibpaarung liegt. Da es für die Brembo-Stylemas unterschiedlich scharfe Beläge gibt, sollte wirksames Bremsen-Tuning also kein großes Problem sein.
Unterschiedliche Schlüsselsysteme der MT-09
Als letzter Unterschied sei das Schlüsselsystem erwähnt. Das Standardmodell erhielt ein konventionelles Zünd-/Lenkschloss mit den zum Schlüssel passenden Schlössern des Tankdeckels und der Sitzbank. Bei der Yamaha MT-09 SP sitzt anstelle des Zündschlosses ein Drehschalter, der, wenn er mit dem Transponder Kontakt aufgenommen hat, die Lenkung sperrt oder freigibt und die Zündung aktiviert. Auch der Tankdeckel öffnet sich ohne Schlüssel.
Nicht hingegen das Sitzbankschloss. Dafür steckt ein Schlüssel im Transponder. Er lässt sich entnehmen, indem ein kleiner Sperrriegel zur Seite geschoben wird. Schön und gut, aber die Fragen, die sich bei jedem "keyless ride" stellen, hat auch Yamaha nicht beantwortet. Wozu soll das gut sein? Und wo bringe ich den Schlüssel unter, wenn ich mal keine Textil-Tourenkombi mit 48 Taschen trage, sondern eng sitzendes Leder? Wie schon erwähnt, ist die MT-09 zwar in erster Linie ein Landstraßenmotorrad, das schließt aber nicht aus, dass die eine oder der andere die "track-modes" beim Renntraining probiert. Immerhin steht Yamaha MT-09 SP für "sport production". Ich persönlich bleibe dabei: "Keyless Ride" ist ein dysfunktionaler Gimmick.
Drehfreudiger Dreizylinder bei beiden MT-09
Kommen wir lieber zu den Gemeinsamkeiten der beiden Yamaha MT-09, zum Beispiel dem betörend klingenden Dreizylinder mit seinem energischen Antritt. Wer ihn erlebt, wird ihm verfallen. Klang und Temperament haben eine so starke Wirkung auf die Psyche der Fahrer, dass man ihm kleine Ungebärdigkeiten wie das immer noch etwas kantige Ansprechverhalten gerne verzeiht. Immerhin wurde es seit seinen Anfängen spürbar gemildert. Erfreulicherweise verbraucht der Dreizylinder relativ wenig Benzin, trotz seiner Drehfreude und der eher kurzen Gesamtübersetzung, die Beschleunigungs- und Durchzugsvermögen gleichermaßen steigert.
Elektronische Fahrhilfe und Smartphone-Konnektivität
Verglichen mit anderen modernen Motorrädern zeigt der Antriebsstrang eher herbe Umgangsformen. Im kalten Zustand schnappt die Kupplung beim Anfahren zu wie ein bissiger Nachbarshund, und auch warmgefahren ist Konzentration auf den Schleifpunkt geboten. Das Getriebe lässt sich zwar präzise, aber eher hart schalten, und wer es mit den Gangwechseln nicht eilig hat, greift trotz Schaltassistent mit Blipper gerne zum Kupplungshebel.
Damit genug der Kritik. In Summe sind beide Yamaha MT-09 faszinierende Motorräder, die selbst profane Fahrten wie den täglichen Weg zur Arbeit zu einem erfreulichen Erlebnis machen können. Bei den elektronischen Fahrhilfen und der Unterhaltungselektronik, die mit Smartphone-Konnektivität einhergeht, sind sie auf dem neuesten Stand der Technik.