Schon mal was von Stare gmajne gehört? Nein? Von Škofja Loka? Auch nicht? Aber von Slowenien, logo. Und vermutlich auch von der V 85 TT Travel, Moto Guzzis Interpretation eines ehrlichen Reisemotorrads ohne allzu viel Schnickschnack. Damit sind wir nun, nach zwei Tagen "Vorglühen" rund um Mangart und Vršic-Pass, eingetrudelt in einer der ältesten und schönsten Städte Sloweniens, in Škofja Loka. Deren Grundsteinlegung im 10. Jahrhundert ist zwar bereits hübsch lange her – aber nichts im Vergleich zu dem, was man unweit davon im Laibacher Moor gefunden hat, die Rad-Achsen-Kombination von Stare gmajne; Radiokarbondatierungen belegen, dass dieses sogenannte Ljubljana-Sumpfrad bereits rund 5.150 Jahre
auf dem hölzernen Buckel hat. Tja, was wären wir heute ohne die geradezu revolutionäre Erfindung des Rades! Und was bloß heute Abend ohne Restaurant. Der Magen würde rebellieren.Romantik satt in Škofja Lokas Altstadt
Doch noch hält er aus, beim Spaziergang durch die von einer mächtigen Burg überragte Altstadt Škofja Lokas. Romantik satt. Die Häuser eingetunkt ins heimelig warme Licht der Straßenlaternen, der Cankarjev-Platz vor der Jakobskirche jahrhundertealter Treffpunkt der Jugend, die Figur des heiligen Nepomuk auf der Kapuzinerbrücke über die Sora ein erprobter Ankerpunkt für fein gewebte Fangnetze hungriger Spinnen. Nach dem Schlendern nun endlich zum Schlemmen im "Gostilna Kasca", einem geschichtsträchtigen, wuchtigen Bau mit ambitionierter Küche in gemütlich uriger Kelleratmosphäre.
Punktet Škofja Loka beim Après-Moto mit reichlich Historie, so gibt’s zum Frühstück im "Hotel Zamorc" eine extra Portion Herzlichkeit von Tatjana und Bostjan, die ihr picobello Quartier am Rande der Altstadt mit viel Liebe und Empathie führen. Genug des Lobes, Zeit, die Motoren zu wecken. Von Bostjan, begeisterter Mountainbiker, mit einer detaillierten Straßenkarte versorgt, hvala lepa, vielen Dank, geht’s los Richtung Gorenja vas, auf der 210 und vorbei an "Avtokozmetika Vip Vap" durch einen Morgen und eine Landschaft, die keine Kosmetik brauchen. In Brode leuchtet das kupferfarbene Kirchturmdach gen Himmel, kurz danach das nächste Kirchlein, jetzt mit zwei Türmen unterm blauen Firmament.
Serpentinen, päckchenweise schön verteilt
Strahlende Augen auch bei uns, als wir in Trebija nach Cerkno abbiegen, mitten hinein in ein wie für die Travel geschaffenes Terrain, das slowenischer und zugleich schwarzwälderischer kaum sein könnte: wunderschöner alter Weißtannenbestand an der munter plätschernden Hobovšcica, begleitet von einem zum flotten Motorradwandern einladenden Schlängelsträßchen, neben dem mal ein typischer, windschiefer Holzlagerschuppen steht, mal, total überraschend bei Sovodenj, die hochmoderne Eichner-Produktionsstätte Termopol, wo Kunststoffe und Kartons verarbeitet werden. Boah ey, von so einem täglichen Weg zur Arbeit kannst du im Ruhrpott nur träumen. Und es wird noch besser, viel besser.
Ein Blick auf die Karte hatte uns bereits eingestimmt: Serpentinen! Die erste leitet den Anstieg zum 787 Meter hohen Kladje-Pass ein, all die folgenden dann zwischen Cerkno und Zali Log, Železniki und Kropa halten unsere Mundwinkel auch weiterhin zuverlässig oben. Und anders als beim Serpentinen-Stakkato am Stilfser Joch knubbeln sich die Kehren hier nicht, sondern sind päckchenweise schön verteilt auf eine Strecke von gut 50 Kilometern. Da bleibt viel Muße fürs hügelige Land jenseits vom 180-Grad-Tellerrand. Für große Gemüsegärten mit dicken Kürbissen, für Vergleiche mit dem malerischen Ibental im Breisgau oder sogar der Engstelle Sa Calobra auf Mallorca, für den Duft von Heu und das Tuckern von Treckern. Der Straßenbelag nicht immer piekfein, aber wir sind ja mit einer Reiseenduro unterwegs, friedlich-freundlich durch die Botanik brabbelnd. Nix mehr ist es mit Donnerhall aus offenen Lafranconis wie früher, längst hat man den V2 der Guzzi domestiziert. Und wer braucht hier schon 125 kW. Ein paar "Wättchen" mehr leisten könnte allerdings das selbst gebastelte kleine Wasserrad an der 912 vor Zali Log – wäre der als Welle dienende Nagel nicht so krumm, dass der Holzpropeller in der Rinne kaum auf Touren kommt. Mit welchen Worten hätte man diese Konstruktion wohl in Stare gmajne kommentiert?
Kur- und Ferienort Bled vor Karawanken-Panorama
Langsam nähern wir uns dem Kur- und Ferienort Bled, touristischer Magnet Sloweniens. Staunen und Stau im Doppelpack. Kein Wunder bei einem Promi mit derart pittoreskem Panorama vor der Kette der Karawanken: im Bleder See eine Insel mit Barockkirchlein nebst einer Flotte überdachter Ausflugsboote, hoch oben überm bewaldeten Ufer eine Burg, dazu die Villa vom Partisanenkönig und ehemaligen jugoslawischen Staatschef Tito; nicht zu vergessen Spielcasino und Golfplatz, Pferdedroschken und Zipline. Kurzum: ein Idyll mit allem Pipapo. Glücklich, wer sein Liebchen dabei hat, um auf einem Ruhebänkchen am See all das zu goutieren. Überglücklich gar das Pärchen, das, weltentrückt im hüfthohen Wasser stehend, sich etwas ins Ohr flüstert – einen Heiratsantrag? Nun, wir baden immerhin mit den Motorrädern in der Abendsonne, cruisen auf der 209 zum nächsten See, dem Bohinjsko jezero. Wem Bled zu trubelig ist, ist gold- respektive grünblaurichtig an diesem schimmernden Naturjuwel, eingerahmt wie ein Smaragd vom Kranz der Berge. Romantisch Ruderbötchen fahren oder staksig Stand-up-Paddling versuchen? All das geht hier ebenfalls.
Alternatives Amüsement verspricht – und hält! – der Rückweg von den beiden Seen über die 633, 905 und 634 Richtung Jesenice. Erst jagen wir wie Lucky Luke unseren eigenen Schatten nach durch ein breites Tal, dessen sattgrüne Wiesen ans Allgäu erinnern und wo auch der Lattenjupp am Kreuz nicht fehlt, dann in Jereka links ab und zackig von 600 hoch auf knapp 1.100 Meter, dabei der helle Restasphalt teils großflächig mit Teerplacken geflickt, als führe man übers Fell einer Schwarzbunten Kuh vom Niederrhein; anschließend an einer T-Kreuzung im Wald rechts ab und auf nun schräglagentauglicherem Geläuf im Sinkflug, zusammen mit der von 24 auf 14 Grad fallenden Temperatur, via Zatrnik und Krnica hinab nach Jesenice. Zugabe: Statt über die A 2 hangeln wir uns lieber auf der aussichtsreichen 638 bis Tržic dem Feierabend entgegen, ehe dann, Schnellstraßen rund um Kranj müssen vorher auch noch sein, in Škofja Loka der Italiener "Jesharna" prima Pizza und Salat serviert, so bunt wie der heutige Tag.
Ivancna Gorica – Firmensitz von Akrapovic
Donnerstagmorgen. Inzwischen mit der Hightech-Kaffeemaschine von Bostjan vertraut, planen wir am Frühstückstisch die Exkursion in die Kamniker-Savinjer Alpen. Wie eine Sichel schält sich der Gebirgsbogen in der Ferne aus dem Dunst, davor plattes Land, vielfältig genutzt für Ackerbau, Wohnen und Industrie hier an der Peripherie von Ljubljana. Südöstlich der Hauptstadt in Ivancna Gorica übrigens der Firmensitz von Akrapovic. Statt von heißem Auspuffsound träumen sie aber wohl noch von Tretrollern und Gute-Nacht-Geschichten, die Dreikäsehochs, die grüppchenweise mit ihren Kindergärtnerinnen durch die puppenstubige Altstadt von Kamnik ziehen, manche dieser kleinen Teams verbunden durch ein langes buntes Band, an dem sich die Kids festhalten, Gemeinschaftsgefühl und Sozialverhalten schon früh übend.
Kamnik ade, Berge olé. Auf der 413 bis Stahovica, dort auf die 225 – und wir können auf grauem Asphaltband wieder Serpentinen üben. Eine kleine Vitaminspritze am Gasthaus "GTC 902", danach quasi als Absacker kurvigst hinunter zur Kathedrale von Gornji Grad, eine der größten des Landes. Auf der Rückseite des strahlend weißen Gotteshauses ein Brunnen mit Frischwasser für erhitzte Seelen. In Radmirje ein paar ordentliche Schlucke Bleifrei für die Bikes, bevor wir die Biege machen auf die 428 nach Logarska Dolina, durch ein mal liebliches, mal wildromantisches Tal. Eine superschöne, flüssigst zu fahrende Strecke parallel zur jungen Savinja; kein Kehrenkarussell mit permanentem Zu und Auf von Bremse und Gas, sondern weite Kurven fürs gangwechselfreie Surfen auf dem Drehmomentplateau, bei der Guzzi zwischen 4.000 und 7.000 Touren. In Luce holterdiepolter über eine Brücke, und schlagartig wird die Straße schmaler, schon mal auch von felsigen Bastionen in die Zange genommen. Vollbremsung nach Robanov Kot: Was ist das denn bloß für ein malerisches Motiv? Der alte Bauernhof Bevšek-Ošep mit seiner Pestsäule, farblich dem Sabbia Namib der Travel verwandt, na ja, ganz entfernt, dazu aber auch aufgehübscht durch bunte Fassadenmalereien, wirkt zunächst zwar recht morbide, ist jedoch Kulturdenkmal und entpuppt sich im Innenhof als kommodes Ferienquartier.
Paulitschsattel und Seebergsattel in den Kamniker-Savinjer Alpen
Schlussspurt: Pavlicevo Sedlo und Jezerski vrh, Paulitschsattel und Seebergsattel, 1.339 und 1.215 Meter. Wie Geschwister liegen sie sich in den Kamniker-Savinjer Alpen gegenüber, dazwischen ein Zipfelchen Kärnten und Länderhopping. Freust du dich am Paulitsch über lange Federwege und weite Ausblicke auf zackige Berggipfel, vielleicht ja auch über ein Treffen mit Vater Robert und Sohn Sebastian, die auf ihren Puch 250 SG, Baujahr 1955 und 1956, unverdrossen Duftmarken setzend den Zweitakt-Doppelkolbenmotor hochleben lassen und noch weit reisen wollen, so kann man schon von Weitem hören, dass der Seebergsattel dank seiner 19 österreichischen Sahne-Serpentinen bei sportlichen Naturen nicht nur den Puls auf Drehzahl bringt. Noch mal ein Schild: 20 Kilometer Kurven – wie ein Zwanziger im Lotto – und durchs Fünf-Sterne-Tal der Kokra und via Kranji zurück nach Škofja Loka; wo wir wieder im "Jesharna" landen und zu guter Letzt fast wie Stammgäste überaus herzlich verabschiedet werden mit "Das Bier geht aufs Haus"; na zdravje!