Gebrauchtberatung BMW R 100 RS
Motorradgeschichte von 1977 bis 1983

Für ihre Weltpremiere 1976 hatte sich die BMW R 100 RS in Schale geworfen. Die erste serienmäßige Vollverkleidung geriet so effektiv, daß sie elf Jahre später auch wieder das gleichnamige Nachfolgemodell zierte.

Motorradgeschichte von 1977 bis 1983
Foto: Foto: BMW

Für Aufsehen sorgte sie auf jeden Fall. Eine serienmäßig vollverkleidete Maschine hatte es vor der R 100 RS nicht gegeben. Allerdings gab’s unterschiedliche Gründe, warum die Neue Aufmerksamkeit erregte – die einen fanden sie imponierend, die anderen häßlich. Von der Wirksamkeit der voluminösen Schale waren dagegen alle beeindruckt. Solch effektiven Wind- und Wetterschutz hatte bisher nicht gegeben. Und so stellte mancher Fahrer erst bei Blick auf den Tacho fest, daß er bereits doppelt so schnell unterwegs war, wie er vermutet hatte – durch das weitgehende Fehlen des Winddrucks lag man bei der Einschätzung der Geschwindigkeit völlig daneben. Wer also eine Begleiterin für langes, streßfreies Reisen sucht, die auch dem Sozius den notwendigen Komfort bietet, ist mit der BMW gut bedient.

Unsere Highlights

Die R 100 RS, mit knapp 70 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von gut 190 km/h in Verbindung mit der effektiven Schale bis zum Erscheinen der Vierzylinder-K-Reihe 1983 das absolute Topmodell, hat in Deutschland zwischen 1977 und 1983 Motorradgeschichte geschrieben. Immerhin verließen 33.648 Stück der ersten Serie die Montagebänder in Berlin-Spandau.

Noch heute schwärmen die Fahrer vom Paradeboxer. Wobei es zu unterscheiden gilt. Die erste Serie wurde nur bis 1983 gefertigt und mit konventioneller Zweiarmschwinge und 19-Zoll-Vorderrad ausgeliefert. Dieses Modell mit der internen Bezeichnung 247 erfuhr während seiner siebenjährigen Produktionszeit laufend in die Serie eingehende Modifikationen. Die wichgsten in Stichworten: Das Fahrwerk erhielt schon Ende 1977 Leichtmetall- statt der Speichenfelgen und eine Scheiben- statt der Trommelbremse hinten. Ab 1980 wurde der Schwenksattel durch einen festen Sattel für die vordere Doppelscheibe ersetzt.

Weiterhin erhielt das Triebwerk einen erweiterten Ölkreislauf, ein Plattenluftfilter verbesserte die Atemwege, der Ventiltrieb wurde mit mehrmals modifizierte Kipphebeln und einer verstärkten Kette zum Nockenwellenantrieb standfester. Stärkere Pleuel, eine um 30 Prozent erleichterte Schwungmasse und Leichtmetallzylinder mit Nikasilbeschichtung sowie eine kontaktlose Transistorzündung machten dem Boxerleben Beine. Diese Modifikationen waren ab Fahrgestellnummer 6 097 660 serienmäßig. Der überarbeitete Motor nahm spontaner Gas an, drehte williger aus, und die dauernde Fummelei an den Unterbrecherkontakten war passé.

Typisch für alle /7-Triebwerke sind das krachende Einrasten beim Gangwechsel, der ungewöhnlich laut schnarrende Ventiltrieb und die mahlenden Geräusche des Kardanstrangs – das war nur ohne den Super-Windschutz nie dermaßen beunruhigend aufgefallen.Wie bei allen Boxern bis 1987 erfordert der Ventiltrieb einige Umsicht. Gerade bei schneller Autobahnjagd, eigentlich einer Domäne der R 100 RS, kann zu enges Spiel der Ventile materialmordend sein. Auch der hintere Dichtring der Kurbelwelle bleibt nicht immer ganz trocken: Dann drückt Öl zwischen Motor und Getriebe heraus. Keine Seltenheit ist auch leichter Ölnebel an den Zylinderfüßen.

Nach zirka 60 000 Kilometern sind die ersten Kolben hinüber. Beim Zylinderschliff und den ersten Übermaßkolben werden praktischerweise auch gleich die Ventilsitze auf Bleifrei umgerüstet, was mit der Überholung der Zylinderköpfe mit gut 1500 Mark zu Buche schlägt.

Die Federn der sehr langhubigen Teleskopgabel ermüden im Lauf der Zeit, deutlich erkennbar am tiefen Einfedern beim Abbocken. Der Austausch ist preiswert – mit 20 Mark ist man dabei. Apropos Abbocken: Der Hauptständer ist ein arges Weichei. Nach einiger Zeit steht die RS auch aufgebockt auf beiden Reifen. Ein verstärktes Orginalteil kostet 160 Mark.

Eigentlich ein völlig neues Modell präsentierte sich 1987 unter der gleichen Bezeichnung. Denn außer dem Hubraum von einem Liter und der berühmten Plastikschale gab’s kaum Gemeinsamkeiten. Das Fahrwerk der Neuen war mit einem 18-Zoll-Vorderrad und der mittlerweile BMW-typischen Einarmschwinge mit nur einem außenliegendem Federbein bestückt. Das Triebwerk war direkt aus der R 80-Baureihe abgeleitet: ein modifizierter Zylinderkopf, der bleifreies Benzin verträgt, ein laufruhigeres und besser zu schaltendes Getriebe, allerdings auch eine Leistungsreduzierung auf 60 PS, um die erst 1988 eingeführte Abgas- und Geräuschvorschriften zu erfüllen. Letzteres ließ jedoch viele Boxerfreunde abtrünnig werden. Die zweite R 100 RS fand zwischen 1987 und 1990 nur noch knapp 6000 Abnehmer. Obwohl BMW bei der Reifenwahl keine Markenbindung vorschreibt, hat sich die Metzeler ME 11/ME 77-Paarung als der beste Kompromiß zwischen Haltbarkeit und effektiver Haftung erwiesen.

Einem Vergleich mit der neuen Vierventilboxer-Generation kann die R 100 RS natürlich mit ihren typischen Fahrwerksunruhen, nicht zuletzt vom Eigenleben des Kardanantriebs beeinflußt, nicht mehr standhalten. Aber das juckt die traditionsbewußte Klientel nicht. Wer dazugehören will, muß wissen, daß die guten Stücke meistens trotz hoher Laufleistung in technisch hervorragendem Zustand sind und als Neoklassiker einen hohen Wiederverkaufswert haben.

Technische Daten

Technische DatenMotorLuftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, je zwei über Stoßstangen und Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, gleitgelagerte Kurbelwelle, kontaktgesteuerte Batterie-Spulenzündung, zwei Bing-Gleichdruckvergaser, 0 40 mm, Drehstromlichtmaschine 280 Watt, Batterie 12V/28Ah, E-Starter.Bohrung x Hub 94 x 70,6 mmHubraum 980 cm3Verdichtungsverhältnis : 9,5 : 1Nennleistung 70 PS (52 kW) bei 7300/minMax. Drehmoment 7,8 kpm (76 Nm) bei 5500/minKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, Einscheiben-Trockenkupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über Kardanwelle,FahrwerkDoppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel, Lenkkopf kegelrollengelagert, Standrohrdurchmesser 36 mm, Hinterradschwinge kegelrollengelagert, zwei Federbeine hinten, Federbasis mehrfach verstellbar, Doppelscheibenbremse mit Einkolben-Schwenksattel vorn, 0 260 mm, Trommelbremse hinten, 0 200 mm, SpeichenräderFederweg vorn/hinten 200/125 mmFelgengrößevorn 1.85 x 19hinten 2.15 x 18 Reifengrößevorn 3.25 H 19hinten 4.00 H 18Maße und GewichteLenkkopfwinkel 62 GradNachlauf 90 mmLänge 2130 mmRadstand 1465 mmSitzhöhe 820 mmLenkerbreite 580 mmTankinhalt/Reserve 24/3 LiterGewicht vollgetankt 230 kgZul. Gesamtgewicht 398 kg (Eintragung von 440 kg möglich, ab 1981 ab Werk)Service DatenService-Intervalle alle 7500 kmÖlwechsel mit Filter alle 7500 kmMotoröl SAE 15 W 40Füllmengemit/ohne Filter 2,25/2,0 LiterZündkerzen Bosch W 225 T 30, Beru 230/14/3 A, Champion N 6 Y Telegabelöl SAE 5Füllmenge je Holm 280 cm3Ventilspiel kalt Einlaß 0,10 mm Auslaß 0,15 mm TestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 190/181 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 4,6/5,7 sekVerbrauch 7,8 LiterKraftstoff Super verbleit Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungs-Armatur 105 MarkHandbremsarmatur 160 MarkLenker 77 MarkRückspiegel 32 MarkBlinker vorn 21 MarkTachometer 202 MarkDrehzahlmesser 166 MarkGabelstandrohr 380 MarkSchutzblech vorn 151 MarkVorderrad 687 MarkSchalldämpfer 242 MarkTank, lackiert 1116 MarkRahmen komplett 1880 MarkVerkleidung:Oberschale mit Scheibe 1265 Markje Seitenteil 370 MarkUnterteil 470 Mark VerschleißteileBremsbeläge vorn, ein Satz 135 MarkKupplungsmitnehmerscheibe 160 MarkBremsscheibe vorn 309 MarkLuftfilter 43 MarkÖlfilter 22 MarkGaszug 16 MarkTachowelle 30 MarkBatterie 168 MarkGabeldichtring 9 Mark Stärken und SchwächenStärkenDrehmomentstärkster Motor der /7-Reihe Guter Wind- und WetterschutzGuter Komfort für Fahrer und SoziusSchwächenStarke KardanreaktionenPendelreaktionen in schnellen KurvenEmpfindlicher Ventiltrieb bis 1983 Test in MOTORRAD1Vergleichstest 3/1977Vergleichstest 6/1977Test 4/1987 _Reifenfreigaben Typ 247/77vorn hinten3.25 H 19 4.00 H 18keine MarkenbindungFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.

Lesererfahrungen

Ein empfindlicher Ventiltrieb und laute Getriebe gehörten bei der ersten Serie dazu. Auch das Einarm-Fahrwerk blieb unruhig. Und trotzdem: Alle RS-Besitzer sind Kilometerfresser – und überzeugt Weißblau.

Im April 1993 habe ich eine BMW R 100 RS der letzten Serie Classic 200 neu gekauft und damit bis Oktober 1995 gut 70 000 Kilometer abgespult. Motor und Getriebe erwiesen sich als absolut zuverlässig und problemlos. Nicht jedoch das Fahrwerk. Als Tip können spielfreie Lagerbolzen für die Schwinge und ein Lenkkopflager der Firma Emil Schwarz gelten – damit liegt die Gummikuh ruhiger. Später montierte ich noch Gabelfedern und Federbein von White Power, nun waren auch Vollgas-Autobahnkurven mit Gepäck kein Problem mehr. Zündkabel von IOZ und Bosch Super 4-Zündkerzen vom Typ W 78 erhöhen die Laufruhe des Motors entscheidend.Bernd Schaller, MühlheimIm April 1991 kaufte ich meine R 100 RS, Baujahr 1979, mit 36 000 Kilometern für 6700 Mark. Reparaturen während der nächsten 35 000 Kilometer: defekte Diodenplatte in der Lichtmaschine, Getriebe überholt, Pleuellagerschaden und Zündkerzengewinde ausgerissen. Zu zweit mit Gepäck ist das Fahrwerk ganz passabel, im Solobetrieb ist der Gummikuh-Effekt des Kardans sehr gewöhnungsbedürftig.Stefan Fischer, DillingenMeine R 100 RS mit Einarmschwinnge habe ich 1990 gekauft. Aktueller Kilometerstand: 53 000. Folgende Probleme hat es gegeben: Tacho defekt, Chrom am Auspufftopf rissig, Lenkkopflager defekt, ölschwitzende Kopfdichtungen. Alle Mängel wurden auf Garantie oder Kulanz behoben. Was mich seit sieben Jahren ärgert: die teigige vordere Bremsanlage und die Vibrationen in den Fußrasten bei 120 km/h. Detlef Ahlborn, GroßalmerodeBei der ersten Inspektion meiner RS 1981 wurde der Drehzahlmesser wegen Beschlagen des Glases und das klackernde Getriebe getauscht. Eine kleine Bohrung an der Unterseite der Instrumente beendete ddas Beschlagen.. Um das Fahrwerk zu stabilisieren, wurden straffere Gabelfedern der RT und hinten progressiv arbeitende Koni-Federn installiert. Da ich bei langen Strecken bei einer Größe von 1,88 Meter immer wieder Probleme mit der Sitzhaltung hatte, montierte ich eine zurückverlegte Fußrastenanlage von Knoscher. Ein Ärgernis war die in das linke Ansaugrohr mündende Entlüftung, die an der Vergaser-Manschette immer Öl austreten ließ. Die Entlüftung wurde nach rechts aus dem Luftfiltergehäuse in ein unter dem rechten Vergaser plazierten Behälter mit Ablaßschraube geführt.Andreas Holweg, Jühnde Erstzulassung meiner R 100 RS im Mai 1977, Kilometerstand heute: 165 000. Die Maschine wurde fast ausschließlich für längere Fahrten eingesetzt, für das Kurvenräubern gibt es geeignetere Motorräder. Folgende Schäden traten bis heute auf: dreimal rutschende Kupplung, zweimal defekter Lima-Rotor und defektes Lager der Getriebeabtriebswelle, defektes Kipphebellager und undichter Ring der Schwungscheibe. Bei Kilometer 118 000 Umrüsten auf bleifreies Benzin, neue Ventile und -führungen, neue Steuerkette. Tip: Wer beim Wechsel der Steuerkette bei Motoren bis 1981 das nicht einfache Ab- und Aufziehen der Duplex-Steuerräder vermeiden will, kann auch problemlos die Simplexkette mit Schloß der neueren Modelle auflegen, alte Duplexkette einfach durchtrennen.Alle drei Jahre waren neue Auspufftöpfe fällig, nach der Umrüstung auf Bleifrei verdoppelte sich deren Lebensdauer. Der beinahe jährlich anfallende Austausch der sabbernden Gabeldichtringe entfällt nach Montage von 100/7-Faltenbälgen. Die Einhaltung des Inspektionsintervalls von 7500 Kilometern für das Ventilspiel ist nicht möglich. Nach 1000 Kilometern scharfer Fahrt ist absoluter Handlungsbedarf. Die von BMW angebotenen Ausgleichsscheiben für die Kipphebelwellen schaffen Ruhe im Kopf.Michael Ledder, Harpstedt

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Erscheinungsdatum 15.09.2023