- BMW meldet Hinterrad-Lenkung als Patent an
- Leichteres Handling und kleinerer Wendekreis
- Parken, rangieren und manövrieren mit BMW R 18
- Mechanisch, hydraulisch und elektrisch
- Kette, Riemen und Kardan
- Für Cruiser-Handling oder Aerodynamik oder Wheelies
- Verbrennungsmotoren und elektrische Antriebe
- Fazit
Nicht nur das vordere, sondern zusätzlich das hintere Rad eines Zweiradfahrzeugs zu lenken, diese Idee ist nicht neu. Einige Tüftler versuchten sich daran, mit mehr oder weniger praktischem Erfolg. Und Motorradhersteller, allen voran Honda, beschäftigen sich immer wieder mit diesem Thema. Bei Nutzfahrzeugen und Pkw wurden mitlenkende hintere Achsen inzwischen realisiert, doch ein Serien-Motorrad mit Zweirad-Lenkung gab es bisher nicht.

BMW meldet Hinterrad-Lenkung als Patent an
Im Mai 2023 wurden mehrere Patentanmeldungen veröffentlicht, die bereits Ende 2021 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden waren – von den Bayerischen Motoren Werken (BMW). Konkret geht es dabei um einige verschiedene technische Ansätze und Konstruktionen, die alle dasselbe Ziel verfolgen: ein mitlenkendes Hinterrad.
Leichteres Handling und kleinerer Wendekreis
Theoretisch größter Vorteil eines mitlenkenden Hinterrads – in entgegengesetzter Richtung zum gelenkten Vorderrad – ist ein leichteres Handling. Richtungswechsel gehen schneller, der Kraftaufwand ist geringer. Der zweite wesentliche Vorteil ist ein kleinerer Wendekreis, bei gleichem Lenkeinschlag wie vorn, mit nahezu halbiertem Radius.
Parken, rangieren und manövrieren mit BMW R 18
Nicht nur beim Fahren wären die Effekte einer zusätzlichen Hinterrad-Lenkung deutlich zu spüren, sondern auch beim Parken und Rangieren, beim vor und zurück Manövrieren mit Schrittgeschwindigkeit. Denkbar ist sogar eine zumindest teilweise automatisierte Einparkhilfe, wie bereits von Pkw bekannt. Insbesondere relevant sind derlei Aspekte bei schweren Motorrädern mit langem Radstand und flachem Lenkkopfwinkel.
Bei BMW: die Cruiser-Modelle der R 18-Baureihe, für die bereits eine elektrische Rückfahrhilfe als Sonderausstattung verfügbar ist. Dazu passen die schematischen Zeichnungen in den Patentanmeldungen, sie zeigen allesamt ein entsprechend langgestrecktes, tiefes Cruiser-Konzept. Wenn auch ohne Big Boxer, beziehungsweise ohne erkennbaren Antrieb.
Mechanisch, hydraulisch und elektrisch
Alle erdenklichen Ausführungen der Hinterrad-Lenkung sind in den Patentanmeldungen von BMW beschrieben. Von Parallelogrammschwingen bis hin zu Einarmschwingen, jeweils mit mehr oder weniger aufwendigem Koppel-Mechanismus für die Verbindung zum aktiv gelenkten Vorderrad. Neben passivem Mitlenken des Hinterrads sind auch aktive oder semi-aktive, elektronisch gesteuerte Lenkimpulse am Heck vorgesehen, kombinierbar mit Assistenz- und Sicherheitssystemen.
Damit stecken die Bayerischen Motoren Werke dieses fahrwerkstechnische Innovationsfeld möglichst umfassend für sich ab. Infrage kommt die Steuerung des Hinterrads als rein mechanische Konstruktion sowie mit hydraulischer und/oder elektrischer Unterstützung.
Kette, Riemen und Kardan
Beim Antrieb des Hinterrads, der hierbei eingebunden oder zumindest berücksichtigt werden muss, hält BMW sich ebenfalls alle Optionen offen: Kette, Zahnriemen und – selbstverständlich – Kardan. Wobei die für BMW-typischen Gelenkwellen für eine Hinterrad-Lenkung geradezu prädestiniert sind, da sie Radbewegungen in mehrere Richtungen mitmachen können.
Für Cruiser-Handling oder Aerodynamik oder Wheelies
Neben dem besonders naheliegend erscheinenden Einsatz einer Hinterrad-Lenkung bei zukünftigen Modellen der R 18-Baureihe sind weitere Verwendungszwecke denkbar. Etwa, um indirekt die Aerodynamik zu verbessern. Denn ein mitgelenktes Hinterrad könnte den Lenkwinkelbedarf am Vorderrad verringern, was eine optimierte, enger anliegende Frontverkleidung um das Vorderrad herum ermöglichen würde. Und noch ein ganz anderer möglicher Vorteil ist im Gespräch: Mit gelenktem Hinterrad wären Wheelies, mit dem Vorderrad in der Luft, besser kontrollierbar.
Verbrennungsmotoren und elektrische Antriebe
Nach heutigem Stand könnten die von BMW als Patent angemeldeten Hinterrad-Lenkungen entweder mit einem Verbrennungsmotor oder mit einem elektrischen Antrieb kombiniert werden. Die Art des Triebwerks ist in diesem Zusammenhang kaum relevant.
Fazit
Hinterrad-Lenkung für Motorräder – dafür investieren die Bayerischen Motoren Werke offenbar ziemlich viel in Forschung und Entwicklung. Nahezu alle erdenklichen technischen Ausführungen des mitgelenkten Hinterrads hat BMW als Patent angemeldet. In erster Linie geht es dabei anscheinend um verbessertes Handling bei langen, schweren Cruiser-Modellen wie jenen der R 18-Baureihe. Außerdem im Gespräch sind indirekte Vorteile für aerodynamische Frontverkleidungen sowie weitere positive Nebeneffekte. Allerdings: Der Aufwand im Hinblick auf Bauteile und Kosten scheint enorm. Was davon wirklich in Serie umgesetzt wird, bleibt also abzuwarten.