Ab und an birgt ein Blick in den alten Kleiderfundus Überraschungen. Auch bei Motorrädern. Ob mit Cockpit-, Halb- oder Vollverkleidung: Das Outfit der Suzuki GSX 550 bietet trotz des 80er Jahre-Looks auch heute noch praktische Reize.
Ab und an birgt ein Blick in den alten Kleiderfundus Überraschungen. Auch bei Motorrädern. Ob mit Cockpit-, Halb- oder Vollverkleidung: Das Outfit der Suzuki GSX 550 bietet trotz des 80er Jahre-Looks auch heute noch praktische Reize.
Mit der Kleidermode ist das so eine Sache. Modemuffel ätzen: Der letzte Schrei von heute ist der Ladenhüter von morgen. Auch Motorraddesign ist von mal kurz- mal längerlebigen modischen Einflüssen abhängig. Um so verwunderlicher, daß Suzukis 80er Jahre- Mittelklassemodell GSX 550, dessen Produktion vor zehn Jahren eingestellt wurde, auch heute noch ungefähr 2700mal hierzulande unterwegs ist.
Und zwar in drei Versionen: 1983 präsentierte Suzuki die halbverkleidete ES, und ein Jahr später erschien die EF in Vollverkleidung, beide mit luftgekühltem Vierzylinder-Motor und 64 PS. 1985 folgte das EU-Modell, lediglich mit einem winzigen Cockpitschutz ausgerüstet. Diese für knapp 7000 Mark preiswerteste Version verkaufte sich als Sparmodell der beiden sportlicheren Varianten ausgezeichnet. Denn mit original 50 PS sparte der Fahrer damals rund 50 Prozent an Versicherungs- und speziell Teilkasko-Kosten. Außerdem war die PS-Reduktion des EU-Modells - U steht bei Suzuki Deutschland generell für Drosselversion, im Ausland heißt das Modell schlicht E -, mit zwei anderen Nockenwellen und anderer Vergaserbedüsung technisch aufwendig gemacht. Mit den sanfteren Steuerzeiten ging der Vierventiler viel elastischer zur Sache. Weniger hektische Schaltfrequenzen im Sechsganggetriebe und ein viel breiter nutzbares Drehzahlband waren die Folge. Im gleichen Jahr hatte Suzuki das Leistungsvermögen des ES- und EF-Modells von 64 auf 68 PS angehoben.
Das Fahrwerk - bei allen drei GSX 550 nahezu identisch - bot mit einem nur 16 Zoll großen Vorderrad außergewöhnliche Handlichkeit. Die Reifendimensionen von 100 Millimetern vorn und ganzen 110 Millimetern hinten auf einer 18-Zoll-Felge wirken im Vergleich mit den heute 160 bis 180 Millimeter dicken Schlappen in der 600er Klasse natürlich mickrig. Damals allerdings war die Kundschaft happy, wie spielerisch leicht sich die immerhin 217 Kilogramm schwere Maschine (ES-Modell) manövrieren ließ. Lediglich die Vorderradführung in Kurven wirkte für manche gewöhnungsbedürftig. Sensible Fahrer klagten über Untersteuern oder über kippliges Verhalten bei geringer Geschwindigkeit. Vertragshändler empfahlen, den Luftdruck imVorderradvon bis zu 2,5 bar. zu erhöhen.
Hinzu kam, daß Suzuki in den ersten beiden Modelljahren das Anti-Dive-System in der Telegabel mit dem Bremssystem gekoppelt hatte. Doch die rein mechanische Reaktion - beim Ziehen am Bremshebel verhärtet sich die Dämpfung - verunsicherte die Fahrer. Wo die Gabel bei wechselndem Straßenbeläg variabel hätte ansprechen sollen, gab sie sich kontinuierlich überdämpft. Außerdem war der Bremsdruckpunkt trotz der technisch aufwendigen Doppelscheiben-Anlage nicht konstant. Mit Einführung des EU-Modell entkoppelte Suzuki auch an den anderen beiden Modellen das Anti-Dive- vom Bremssystem.
Wer heute eine GSX 550 erwirbt und über eine zu weiche Telegabel klagt, kann es mit etwa zehn Millimeter mehr Dämpferöl versuchen. Skeptiker legen auch heute noch das Anti-Dive-System still, weil es ihrem Gefühl nach nichts bringt. Alle, die über einen zu indirekten Bremsdruckpunkt klagen, sollten Stahlflexleitungen montieren, die im Zubehör für zirka 250 Mark angeboten werden.
Beim Tausch der Bremsbelägen gehen die Meinungen auseinander. Die Originalbeläge, für vorn und hinten mit zrka 150 Mark nicht gerade billig, sind bei Nässe offensichtlich die effektivsten. Bremsbeläge aus dem Zubehör kosten fast die Hälfte weniger. Dazu betonen Suzuki-Händler, daß sie noch nie soviel verhunzte Bremsscheiben wie bei diesem Modell durch minderwertige Beläge gesehen hätten. Bemerkung am Rande: Beim Kapitel Bremsen sollte das Kalkül der preiswertesten Lösung vergessen werden. Ein bißchen weniger Sicherheit kann lebensgefährdend sein.
Trotz heutiger Skepsis wegen der schmalen bereifung laufen alle GSX-550-Modelle hervorragend geradeaus. Die kritisierte Nervosität beim Überfahren leichter Bodenwellen ist bei dem EU-Modell mit seinem winzigen Windschild im Vergleich zu Es und EF am geringsten. Wahrscheinlich provozieren die größeren Verkleidungen mehr Auftrieb an der Vorderpartie. Wer heute allerdings während einer Probefahrt deutliches Pendeln bei langen Autobahnkurven wahrnimmt, sollte an Wertminderung durch ein defektes Lenkkopflager oder ein marodes Federbein denken.
Eindeutigster Schwachpunkt an allen drei Versionen ist die Regler/Gleichrichter-Einheit. Direkt hinter der Batterie montiert, leidet sie häufig unter Hitzestau. Bastler montieren das Aggregat am Rahmen im Bereich des hinteren Schutzblechs, damit mehr kühlender Fahrtwind drankommt.
Nervend vor allem bei Dunkelheit und mit dicken Handschuhen: der Kombi-Schalter am linken Lenkerende, der mit vertikalen Bewegungen des Daumens das Blinken und mit horizontaler Schaltbewegung das Auf- und Abblenden regeln soll. Zu wenig effektiv auch die Streubreite des Scheinwerfers. In den 90er Jahren sind die Fahrer an helleren Standard gewöhnt.
Ein wesentlicher Faktor, um sich heute noch eine GSX 550 zuzulegen, ist der Preis. Die letzten Exemplare wurden 1988 mit Preisnachlaß verkauft, als die neue Suzuki GSX 600 F mit mehr PS, aber auch um einiges teurer, die Schaufenster-Hoheit erobert hatte. In der Schwacke-Liste für Gebrauchtmaschinen ist die GSX gar nicht mehr aufgeführt. Die Kilometerleistungen der meisten angebotenen Maschinen dürfte bei 50000 liegen. Da der Motor bei einigermaßen Pflege ohne weiteres die doppelte Kilometerleistung verkraftet, müßten die Preise heute, je nach Zustand, zwischen 1500 und 2000 Mark liegen, überdurchschnittlich gepflegte Exemplare unter 40000 Kilometern vielleicht noch etwas drüber. Kein schlechter Kauf also, mag das Fahrwerk mit den minimalen Reifendimensionen vielleicht zu Anfang etwas gewöhnunsbedürfig sein, die heisere Musik aus den Schalldämpfern zwischen 9000 und 10000 Touren aber ist noch immer begeisternd.
Die Laufleistungern der Suzuki GSX 550-Modelle sind überraschend hoch. Wenn überhaupt, bremsten die Piloten eher elektrische als mechanische Defekte ein.
Im Winter letzten Jahres habe ich nach sieben Jahren Abstinenz vom Motorradfahren eine Suzuki GSX 550 EU mit 49500 Kilometern auf der Uhr für 1500 Mark gekauft. Der Motor lief zum Glück noch - der Rest war Rost und Gammel. Im Winter schlachteten ein Freund und ich das gute Stück. Räder und Rahmen wurden sandgestrahlt. Alle Kunststoffteile waren eingerissen. Statt der schrottreifen Auspuffanlage wurde eine von Motad (Neta-vier-in-eins) angebaut. Trotz einer Menge Arbeit, Geld und Nerven bin ich glücklich. Der Motor läuft prima in allen Lebenslagen - im dritten und vierten Gang geht ab 7000/min noch mal so richtig die Post ab. Tom Weber, HamburgMeine GSX 550 EU habe ich 1987 für 6000 Mark neu erworben. Bei jetzt 120000 Kilometern hatte ich keinen mechanischen Defekt, sogar die erste Kupplung tut noch ihren Dienst. Die Vorteile: große Handlichkeit, drehfreudiger Motor und gute Sozia-Tauglichkeit. Die Nachteile: Durchzugsschwäche und zu weiche Gabel. Mängel: Defekt an Zündplatte und Lichtmaschine und ein maroder E-Startmotor. Bei den Bremsbelägen sind die Orginalbeläge die besten, aber auch zirka 50 Prozent teurer als Beläge aus dem Zubehör. Bei Kettenkits habe ich mit DID- oder RK-O-Ring-Ketten in Verbindung mit Kettenrädern von France Equipment gute Erfahrungen gemacht (20000 bis 25000 Kilometer). Wer die Ventile selbst einstellen möchte, sollte sich bei Suzuki das Spezialwerkzeug (Nr. 17-14910) für zirka 20 Mark zulegen. Das hat den passenden Innenvierkant, um die Einstellschraube beim Kontern festzuhalten.Stefan Fischer, NeuwiedNeukauf einer GSX 550 ES 1985, jetziger Kilometerstand 76000. Nach über 13 Jahren fasziniert mich dieses Motorrad noch immer bei jeder Ausfahrt. Der damals horrenden Versicherungsprämie wegen wurde die Maschine mit den Nockenwellen und Hauptdüsen des EU-Modells auf 50 PS gedrosselt, ab 1993 dann offen mit 64 PS gefahren. Mit Stahlflexleitungen bekommt die Vorderradbremse trotz Anti-Dive einen klaren Druckpunkt. Voraussetzung ist allerdings eine sorgfältige Entlüftung. Tip: Auf jeder Seite zuerst den Bremsnickausgleich und dann den Bremssattel entlüften. Nötigenfalls den Bremshebel einige Stunden am Lenker fixieren. Durch den Überdruck im System wandert die überschüssige Luft im Hydrauliköl nach oben zum Ausgleichsbehälter. Das hintere Federbein ist zu weich. Als außerdem die Wirkung des Dämpfers nachließ, habe ich die Orginalfeder (Kennung 50/215) gegen eine härtere (60/215) von Wilbers austauschen lassen sowie den Dämpfer überarbeiten und anpassen lassen (Kosten 450 Mark). Da mich der Kombischalter für Blinker und Fern-/Abblendlicht nervte, habe ich die Lenkerarmaturen der GSX 750 F montiert, die außerdem den Vorteil der Blinkerrückstellung per Knopfdruck sowie eine bessere Chokeregulierung bieten. Modelle der ersten Baureihe waren teilweise mit einer zu schwachen Regler/Gleichrichter-Einheit ausgestattet. Die linke Geberspulen auf der Kurbelwelle setzt aus, so daß die Zündeinheit keine Impulse mehr erhält. Eine neue Einheit kostet zirka 300 Mark. Die Ersatzteilversorgung ist übrigens noch recht gut.Michael Hammeke, Haan
Suzuki GSX 550 ESTechnische DatenMotorLuftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegendeNockenwellen, vier über Schlepphebel betätigte Ventile pro Zylinder, kontaktlose Zündanlage mit elektronischer Zündverstellung, zwei Mikuni-Gleichdruck -Doppelvergaser, 0 30 mm, Drehstromlichtmaschine 240 Watt, Sechsganggetriebe, E-Starter.Hubraum 567 cm3Nennleistung 64PS (47 kW) bei 10000/minFahrwerkDoppelschleifen-Rohrrahmen, Telegabel mit hydraulischem Anti-Dive, Standrohrdurchmesser 38 mm, Zentralfederbein hinten, Federbasis fünffach verstellbar, Doppelscheibenbremse mit Zweikolbensätteln vorn, 260 mm, Scheinbenbremse hinten, 260 mm, Leichtmetall-Gußräder.Federweg vorn/hinten 150/117 mmMaße und GewichteNachlauf 101 mmRadstand 1420 mmSitzhöhe 785 mmLenkerbreite 740 mmTankinhalt/Reserve 18/3,5 LiterGewicht vollgetankt 217 kgZul. Gesamtgewicht 402 kg TestwerteHöchstgeschwindigkeit Solo/mit Sozius 187/178 km/hBeschleunigung 0-100 km/h Solo/mit Sozius 4,5/6,0 sekVerbrauch 6,0 LiterKraftstoff Normal Ersatzteil-PreiseSturzteileKupplungs-Armatur 62 MarkHandbremsarmatur 298 MarkLenker 19 MarkRückspiegel 81 MarkBlinker vorn 81 MarkTachometer 324 MarkGabelstandrohr 470 MarkBenzinanzeige 129 Mark Schutzblech vorn 182 MarkVorderrad 563 Markein Schalldämpfer 313 MarkTank, lackiert 552 MarkVerkleidung komplett mit Scheibe 788 MarkVerschleißteileKettenkit 291 MarkBremsbeläge vorn und hinten 148 MarkKupplungsbeläge, ein Satz 141 MarkBremsscheibe vorn 301 MarkLuftfilter 44 MarkÖlfilter 18 MarkRegler/Gleichrichter 316 MarkBatterie 100 Mark Stärken und SchwächenStärkenDrehfreudiger, kultivierter MotorHandliches, spurstabiles FahrwerkSchwächenIm mittleren Drehzahlbereich antrittsschwachBremsdruckpunkt nicht exakt genugSchlecht dosierbarer Choke Test in MOTORRAD1 Test (ES) 11/1983 Vergleichstest 12,13/1983Langstreckentest 23/1983Test (EF) 26/1983Vergleichstest 13,14/1984Test (EU) 6/1985Vergleichstest (EF) 9,10 /1985 Reifenfreigaben Typ GN 71 Dvorn hinten100/90 - 16 54H TL 110/90 - 18 61H TLKeine MarkenbindungFußnoten:1Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.