Grundlagen-Schraubertipp zur 1. Werkzeugkollektion

Grundlagen-Schraubertipp zum Werkzeug
Die erste Motorrad-Werkzeugkollektion

Veröffentlicht am 14.07.2021

Wer an seinem Motorrad selbst schrauben möchte, braucht logischerweise Werkzeug, egal ob es um Wartung, ­Reparatur oder eine Umbauaktion geht. Nicht wenige Motorradfahrer werden schon über eine mehr oder weniger gute Grundausstattung verfügen. Aber bei so einer eher zufälligen Ansammlung fehlen oft speziell für das jeweilige Motorradmodell passende Werkzeuge und vor allem pfiffige Spezialwerkzeuge, die das Schrauben sehr erleichtern können.

Preise und Qualität: Das Wichtigste bei der Werkzeugauswahl ist die Qualität; denn in der Praxis zeigt sich schnell, dass billig kaufen meist zweimal kaufen heißt. Arbeiten mit schlechtem Werkzeug führt zu vermurksten Schrauben, Schäden an Mensch und Maschine und nachhaltigem Frust. Billigangebote von Baumärkten und Discountern sind in Bezug auf Maßhaltigkeit und Lebensdauer der angebotenen Waren nicht selten eine Katastrophe (Ausnahmen: Magnetschalen, Kabelbinder etc.). Seine Arbeitsgeräte kauft man daher sinnvollerweise besser im gut sortierten Werkzeughandel oder bei Motorradzubehör-Spezialisten wie Louis oder Polo, die vor allem im Zuge von Rabattaktionen oftmals günstige Angebote haben. Man sollte auch keineswegs alles sofort und im Komplett-Set kaufen (die typischen 500-Teile-Werkzeugkoffer enthalten oft viel Unnützes), sondern nur, was man wirklich braucht, und das ist am Anfang gar nicht so viel. Da gutes Werkzeug im Prinzip eine Anschaffung fürs (Schrauber-)Leben ist, relativiert sich dann auch der Preis.

Schraubertipp Motorrad-Werkzeug Bordwerkzeug
Ralf Petersen

Im mittleren Preissegment findet sich schon viel Brauchbares, Profis und Sehr-viel-Schrauber sollten dagegen gleich zu den Qualitätsherstellern wie zum Beispiel Hazet greifen. Unverzichtbar – das Bordwerkzeug: Klein, leicht und funktional sollte es sein; denn der Stauraum bei einem Motorrad ist begrenzt. Deshalb ist gutes Bordwerkzeug oft auch so konstruiert, dass einzelne, zusammensetzbare Teile sich ergänzen. Im Prinzip soll das Bordwerkzeug helfen, kleinere Reparaturen unterwegs zu erledigen. Außerdem enthält es häufig besondere Spezialwerkzeuge für die jeweilige Maschine, zum Beispiel einen Zündkerzenschlüssel mit Gelenk (verheißt Fingerakrobatik beim Wechsel) oder den unverzichtbaren Hakenschlüssel zur Einstellung der Federbasis am Federbein. Die Japaner bieten meist nur eine Billigversion, die qualitativ recht bescheiden ist. Wirklich brauchbar ist meist nur der Zündkerzenschlüssel. Auch die schmalen Ringschlüssel für die Achsmuttern und ihre Miniverlängerung sind gut gemeint, aber nur bedingt brauchbar. Die Kunst, damit eine häufig mit mehr als 100 Nm angezogene Hinterachsmutter unter Einsatz des Fußes ohne Abrutschen zu lösen, verlangt Geschick und Übung. Fahrer der brandneuen Kawasaki Z 650 haben diese Probleme nicht. Das "Gesamtpaket" besteht aus einem billigen Plastikgriff und ein paar Bits – unfassbar! Wer wissen möchte, wie serienmäßiges gutes Bordwerkzeug aussieht, schaut unter die Sitzbank eines Youngtimers wie der BMW R 100 R: Eine rollbare, wasserdichte Werkzeugtasche enthält eine erfreulich große Auswahl in ordentlicher Qualität.

Da aber mittlerweile fast alle Hersteller beim Bordwerkzeug sparen, bleibt für die meisten nur ein gezielter Zukauf. Die Schlüsselweiten 8, 10, 12 und Stecknüsse 14 und 17 sowie für die Achsmuttern (meist 22/24er-Nuss) plus Knebel, eine kleine Ratsche mit Bits, ein paar Innensechskant-/Torxschlüssel, eine vernünftige Zange, Draht, Kabelbinder und Isolierband sowie eine passende Tasche reichen für die häufigsten Basteleien aus. Ein interessanter, wenn auch nicht ganz billiger Ansatz ist das Bordwerkzeug von SBV (gibt es z. B. bei Polo), das aus einem Basiskit plus Zusatzkit je nach Motorradmarke in einer praktischen Rolltasche besteht.

Transportfrage: Zwar besitzen die meisten Motorräder nur ein relativ kleines Werkzeugfach, oft befindet sich aber mehr Stauraum als gedacht unter der Sitzbank. Hilfreich und praktisch für den Transport sind manchmal auch wasserdichte Werkzeugboxen wie von Racefoxx, die auch temporär montiert werden können. Abzuraten ist von Lederwerkzeugrollen, die vor allem bei Choppern gerne an der Gabel montiert werden – Bordwerkzeug mag nun mal keinen Wassereinbruch.

Für mich unverzichtbar: Werkzeug für den Radausbau und die Fahrwerkseinstellung, zur Korrektur der Kettenspannung sowie zur Demontage von Tank und Seitendeckeln. Sofern der Platz ausreicht, außerdem ein Starthilfekabel und eventuell eine Ventilverlängerung.

Schraubertipp Motorrad-Werkzeug Bordwerkzeug
Ralf Petersen

Ausstattung für daheim: Im Laufe ­einer Schrauberkarriere wächst der Werkzeugbestand in der Regel kontinuierlich mit. Allerdings steigen mit zunehmender Erfahrung auch die Ansprüche, und dann wird es häufig deutlich teurer. Mit der Zeit lernt man, was man wirklich braucht, und kann das durch die Reparatur gesparte Geld zum Erwerb von sinnvollem Werkzeug einsetzen. Auch gezieltes Suchen im Internet nach gebrauchtem Qualitätswerkzeug kann sich lohnen. Zu einer guten Standardausstattung gehören die gängigen Kombinationen als Maul- und Ringschlüssel. Die Schlüsselweiten 8, 10 und 12 braucht man in zweifacher Ausführung, um gekonterte Schraubverbindungen (z. B. Kettenspanner) zu lösen. Ferner eine kleine und eine große Ratsche mit passenden Stecknüssen, Innensechskantschlüssel am besten als Kugelkopf-Schlüssel. Praktisch sind auch Greifkrallen bzw. Magnetheber sowie Magnetschalen. Schraubers Traum ist ein Werkstattwagen oder noch besser leichter zu transportierende und kombinierbare Einzel-Schubladenelemente mit passenden Werkzeugmodulen in Facheinlage (z. B. von Racefoxx). Das sorgt für Ordnung und Übersicht.

Ebenso wichtig wie das eigentliche Werkzeug sind bei Maschinen ohne Hauptständer vernünftige Montageständer, die für einen sicheren Stand sorgen. Und für alle: Handbücher/Reparaturanleitungen, Handschuhe und Kabelbinder zum Befestigen abgebauter Teile. Empfehlenswert sind ferner eine gute Unterlage (verhindert Verschmutzung und das Wegrollen von Kleinteilen) sowie eine Werkbank mit Schraubstock.

Stufe 1: Motorradfahrer, die eher selten zum Werkzeug greifen, können sich am Inhalt des Bordwerkzeugs plus Ergänzungen orientieren. Da man für die heimische Garage aber weder auf Gewicht noch Platzbedarf achten muss, sollte man die solide Variante wählen. Die Demontage von Tank und Seitendeckeln, Radausbau, leichte Wartungsarbeiten wie Ölwechsel (Spezialschlüssel?), Kettenspannen, Zündkerzenwechsel, Batterie-Ausbau und kleinere Umbauten lassen sich damit bewältigen. Auch ein zur Batterie passendes Ladegerät sowie ein einfacher Spannungsprüfer sind eigentlich unverzichtbar.

Stufe 2 umfasst dann schon einfache Reparaturarbeiten, Flüssigkeitswechsel, Bremsenwartung, Anbau von elektrischem Zubehör sowie eine komplette Inspektion. Je nach Bauart braucht man dafür schon eine Menge Standard- sowie Spezialwerkzeug, zum Beispiel für Ventilspieleinstellung und Drosselklappen-Synchronisation.

Die Stufe 3 geht schon in Richtung Profi-Arbeiten. Für ­Lagertausch, Motorreparaturen (Zylinderkopf/Kupplung), Fehlersuche in der ­Elek­trik, Telegabel-Überholung, Reifenmontage etc. benötigt man relativ oft besonderes Werkzeug. Das muss man aber nicht unbedingt kaufen, sondern kann es sich gegebenenfalls auch ausleihen (Infos dazu findet man oft in Internet-Foren). Zum Abstützen eines teilzerlegten Motorrads benutze ich zusätzlich auch oft einen hydraulischen Wagenheber.

Drehmomentschlüssel: Da die Schrauben bzw. die Gewinde heutzutage meist aus Leichtmetalllegierungen bestehen, sind sie oft nicht mehr zugfest. ­Werden sie also stärker als angegeben ­angezogen, können sie abreißen. Die entsprechenden Anzugswerte findet man in der Reparaturanleitung, und man sollte sie möglichst genau einhalten. Gerade für den Anfänger sind Drehmomentschlüssel deshalb unverzichtbar. Ein kleiner bis circa 50 Newtonmeter und ein großer bis 130 Nm decken die meisten Einsatzbereiche ganz gut ab. Wie bei jedem Werkzeug gibt es auch bei Drehmomentschlüsseln große Qualitätsunterschiede. Zwischen Billigangeboten (ab 30 Euro) und zum Beispiel einem Hazet-Schlüssel (10 bis 60 Nm für 139 Euro) liegen Welten in puncto Bedienungsfreundlichkeit und Genauigkeit. Das merkt man vor allem im direkten Vergleich. Achtung: Drehmomentschlüssel sollte man nur zum Anziehen und nie zum Lösen benutzen, da sonst die innere Mechanik Schaden nehmen kann. Nach Benutzung muss der Schlüssel unbedingt entlastet werden, indem man die Einstellschraube wieder entspannt. Eine gute ­Alternative und für Anfänger perfekt geeignet ist auch ein sogenannter Drehmoment-Adapter (z. B. von Racefoxx), mit dem eine normale Ratsche zu einem Präzisionsdrehmomentschlüssel (einstellbar von 0 bis 200 Nm) wird.

Schraubertipp Motorrad-Werkzeug Bordwerkzeug
Ralf Petersen

Meine besten Spezialwerkzeuge waren zum Teil relativ günstig. Gerne verwende ich z. B. den pfiffigen Stromkreisprüfer, den Zündspannungsprüfer ebenso wie den Bremskolbenrücksteller der Louis-Eigenmarke Rothewald. Ferner eine Bremskolbenzange von Wilbär und einen Ketten-Laser von Polo. Sehr praktisch ist bei tiefen Kerzenschächten auch eine magnetische Zündkerzen-Nuss. Relativ teuer, aber ihr Geld wert sind ein Kompressor (Schlagschrauber/Ausblasen), ein Reifenmontagegerät/Wuchtbock von Wilbär, eine Color­tune-Kerze sowie der elektronische Synchrontester SYNX.

Reiseausstattung/Werkzeug/Pannenhilfe: Die Zusammenstellung des Werkzeugs für eine Urlaubstour sollte sich an den Schrauberfähigkeiten, am Reiseziel und an der Reisedauer orientieren. Zwischen einer Afrika-Durchquerung und einer Tour an die Nordsee liegen natürlich Welten. Neben dem mit den bereits besprochenen Ergänzungen aufgepeppten Bordwerkzeug gehören für mich ein Reifenreparatur-Set/Reifenmilch, eine Ersatz-Zündkerze im Plastik-Safe, ein Kästchen mit Kleinteilen wie Schrauben, Muttern, Draht, eine Tube Dirko-Flüssigdichtung, ein Stück Benzinschlauch, ein Reparaturset für Züge, eine gute Kombizange, Kabelbinder, Ersatzlampen und Sicherungen dazu. Eine auslaufsichere Metallflasche mit Motoröl (0,5 l) leistet ebenfalls gute Dienste. Für schwer zugängliche Öleinfüllstutzen gibt es faltbare Einfüllhilfen. Fahrer von Motorrädern mit Kette müssen zusätzlich an Kettenspray denken und können, falls das Motorrad keinen Hauptständer hat, einen Liftstick benutzen, der das Kettenschmieren unterwegs wesentlich erleichtert. In meinen 21 Jahren als Tour­guide habe ich bei Pannen vor allem gelernt zu improvisieren. Da ich am meisten mit Problemen an Batterie und Elektrik zu tun hatte, gehören für mich ein Starthilfekabel für ­Motorräder oder ein Akkubooster sowie ein Spannungsprüfer bzw. ein eingebauter Batterie-Guard zur Grundausstattung. Das Ganze packt man in eine ­Tasche, Box oder Werkzeugrolle, die möglichst griffbereit untergebracht werden sollte. Am besten im Tankrucksack; denn gut verzurrtes Gepäck behindert häufig ­eine Sitzbankdemontage. Wer in einer Gruppe unterwegs ist, kann das Material gegebenenfalls auch auf mehrere Maschinen verteilen. Es empfiehlt sich auch, zu Hause ein paar kleine Trainingseinheiten mit dem Werkzeug zu absolvieren. Das gibt Sicherheit bei einer Panne.