2017 hatte Indian die Studie FTR 1200 Custom präsentiert, auf der INTERMOT in Köln folgt nun das Serienmodell, das nah an der Studie bleibt. Eine Vorserienversion konnten wir bereits fahren.
2017 hatte Indian die Studie FTR 1200 Custom präsentiert, auf der INTERMOT in Köln folgt nun das Serienmodell, das nah an der Studie bleibt. Eine Vorserienversion konnten wir bereits fahren.
Gerüchteweise heißt es in der Szene, die Indian-Mutter Polaris wäre daran interessiert Ducati zu übernehmen. Vorerst beschränken sich die Amerikaner aber darauf gegen die Modelle der Italiener zu schießen. So zielt die jetzt auf der INTERMOT in Köln vorgestellte Indian FTR 1200 ganz offensichtlich auf die Ducati-Monster-Modelle.
Wie es die 2017er Studie schon vorwegnahm, orientiert sich die FTR 1200, die auch in einer besser ausgestatteten S-Version zu haben sein wird, stark am erfolgreichen 750er Flat-Track-Rennmotorrad, kopiert dieses aber nicht.
Der flüssigkeitsgekühlte V2-Motor in der FTR 1200 setzt auf 1.203 cm³ Hubraum und produziert 120 PS bei 8.250/min sowie ein maximales Drehmoment von 115 Nm bei 6.000/min. Die Bohrung liegt bei 102 mm, der Hub bei 73,6 mm. Über ein Sechsgang-Getriebe und eine Kette wird das Antriebsmoment an das Hinterrad weitergereicht.
Eingerahmt wird der Zweizylinder von einem stählernen Gitterrohrrahmen, das Rahmenheck aus Aluminiumgussteilen ist angeschraubt. Die im Motorgehäuse gelagerte Gitterrohrhinterradschwinge stützt sich über ein rechtsseitig liegendes Federbein mit 150 mm Federweg direkt am Rahmen ab. Die 43er Upside-Down-Gabel setzt ebenfalls auf 150 mm Arbeitsweg.
Beim Räderwerk geht die FTR 1200 einen eigenen Weg: Statt dem 17-Zoll-Standard der Wettbewerber zu folgen, dreht sich vorne ein 19-Zoll-Gussrad mit einem 120/70er Reifen. Hinten rollt die FTR auf einer 18-Zoll-Gussfelge mit einem 150/80er Pneu. Aufgezogen sind grobstollige Dunlop DT3-R Radial-Reifen. Bremspower liefert vorne eine 320er Doppelscheibenanlage mit radial verschraubten Vierkolbenzangen aus dem Brembo-Regal. Hinten beißt eine Zweikolbenzange in eine 265er Scheibe. Mit an Bord sind immer ABS und ein Tempomat, die S-Version trägt zusätzlich eine Traktions- und eine Wheeliekontrolle sowie drei wählbare Fahrmodi und ein Abschaltfunktion für das ABS. Die Beleuchtung setzt rundum auf LED-Technik.
Im Cockpit trägt die Basis ein analoges Rundinstrument mit kleinem Digitaldisplay und einer USB-Steckdose. Die FTR 1200 S setzt auf ein rechteckiges Digital-Farbdisplay mit konfigurierbaren Screens, USB-Port und Bluetooth-Konnektivität. Die Funktionen können per Lenkerschalter fernbedient werden. Der rechtsseitig hochgezogene Doppelrohr-Edelstahl-Endschalldämpfer lässt sich durch Akrapovic-Dämpfer upgraden.
Trocken bringt die FTR 1200 221 kg (S-Version: 222 kg) auf die Waage, das zulässige Gesamtgewicht wird mit 430 kg, das Tankvolumen mit 13 Liter angegeben. Kurzbeinige müssen sich auf der FTR strecken, denn die Sitzhöhe liegt bei 840 mm.
Die S-Version der FTR 1200 unterscheidet sich hauptsächlich durch voll einstellbare Federelemente vorne und hinten, ein Digitalcockpit sowie die Farbgebung von der Basisversion. Preise für die neue Indian FTR 1200: Die Standardversion kostet14.690 Euro, bei der S-Version sind es 15.990 Euro. Zu den deutschen Händlern rollen die ersten FTR 1200 ab etwa April 2019.
In Köln feierte die FTR 1200 Weltpremiere. Wir konnten das neue US-Bike aber schon vor der Premiere als seriennahen Prototypen fahren. Beim ersten Kontakt merkt man schnell, der V2 wirkt kompakt, die Räder sind groß und schmal, und das ganze Teil ist deutlich länger als normale Naked Bikes. Dazu wirkt sie erstaunlich schlank.
Die Sitzposition gelang entspannt. Der betont breite Lenker passt gut, die Sitzbank fühlt sich angenehm an, und die Fußrasten liegen etwas weit hinten. Der Motor wirkt im Vergleich zu seinen Stammesbrüdern aus der Chopper- und Cruiserabteilung geradezu wachgeküsst. Die 120 PS sind glaubhaft. Vielleicht geht eine Ducati besser, dafür läuft der Ami runder. Die Fahrwerksgeometrie mit den großen schmalen Rädern, dem immensen Radstand von 60 Zoll und einem ungewöhnlichen Nachlauf von 132 Millimetern geht einen eigenen Weg. Wie auf Schienen zirkelt die FTR 1200 um schnelle, lang gezogene Kurven. Dafür muss sie allerdings ordentlich am Kragen gepackt werden.
Und trotzdem fühlt sich alles recht leicht und flockig an, weil man so entspannt sitzt. Zudem schlucken die Federelemente viel durch die recht langen Federwege und eine gelungene Grundabstimmung. Irgendwann kommen die Reifen dann aber doch an ihre Grenzen.
Rückblick: Es ist das Jahr 1953 und Indian meldet Konkurs an. Der älteste Motorradhersteller der USA muss die Tore seiner Produktionshallen in Springfield, Massachusetts, endgültig schließen, das Werksengagement in der amerikanischen Flat-Track-Serie beenden. Was für eine Tragödie! Auch für den Sport. Denn wenige Wochen zuvor gewinnen die drei Fahrer des Indian-Werksteams, die legendäre „Wrecking Crew“, noch Podiumsplätze. Und plötzlich: alles aus, alles vorbei.
Zeitsprung, 64 Jahre später, 2017, in der Nähe von Harrisburg, Pennsylvania. Das 16. von insgesamt 18 Wettkampfwochenenden in der Flat-Track-Serie steht vor seinem Höhepunkt: Jared Mees, Bryan Smith und Brad Baker rollen an die Startlinie der Williams Grove Half-Mile. Unter jedem von ihnen brüllt ein von Swissauto für Indian entwickelter 53-Grad-V2-Motor mit 748 Kubik. Die Luft brennt. Die Fahrer warten auf den Startschuss. Die Zuschauer fiebern der sich ankündigenden Sensation entgegen. Denn Indian ist zurück. Nicht nur im Motorsport, sondern an der Spitze des Flat-Track.
„2017 sind wir nach 60 Jahren Abstinenz wieder in die American Flat Track Series zurückgekehrt. Mit unserer neu entwickelten FTR 750 wollten wir ein konkurrenzfähiges Bike auf die Räder stellen“, beschreibt Gary Gray, Indians Vize-Präsident, die Situation. Ein hoher Anspruch. Doch die Indianer meinen es ernst: Nicht nur haben sie innerhalb kürzester Zeit die FTR 750, ein reinrassiges, ausschließlich auf den Flat-Track-Sport ausgerichtetes Bike, entwickelt. Sie haben auch drei der erfolgreichsten Fahrer der Serie für die „Wrecking Crew“ verpflichtet.
Die FTR 750 funktionierte schon beim Saisonauftakt hervorragend. Die Indians sind gut für erste Plätze. Am darauffolgenden Rennwochenende gelang der Wrecking Crew sogar das Triple: Mees, Smith und Baker feierten die ersten drei Plätze. Die Rückkehr von Indian in den Motorsport war perfekt, die Tradition wieder mit Leben gefüllt. Die Konkurrenz rieb sich verwundert die Augen. Zu Recht, denn beim vorvorletzten Rennen in Harrisburg schaffte das Team die Sensation: Jared Mees (31) holte sich mit seinem neunten Sieg im 16. Rennen vorzeitig den Meisterschaftstitel. Sein größter Konkurrent und Team-Kollege Bryan Smith fiel wegen eines Massencrashs zurück. Der Sieger gab sich rundum begeistert von seinem Motorrad: „Um die FTR in drei Worten zu beschreiben, brauche ich nur zwei: Bad Ass!“ Die Wrecking Crew dominierte die Serie mit überragenden Leistungen bis zum Schluss. Am Ende bilanziert man 14 Siege, 37 Podiumsplätze, sechs Triples sowie die Meisterschaft.