Der Airbag: Im Auto eine lebensrettende Selbstverständlichkeit, doch Motorradfahrer gucken weiterhin in die Röhre ... Moment, ganz so schlimm ist es nicht mehr: 29 Airbag-Variationen von 400 bis 4.000 Euro.
Der Airbag: Im Auto eine lebensrettende Selbstverständlichkeit, doch Motorradfahrer gucken weiterhin in die Röhre ... Moment, ganz so schlimm ist es nicht mehr: 29 Airbag-Variationen von 400 bis 4.000 Euro.
Die alte Weisheit des renommierten Unfallforschers und Biomechanikers Florian Schueler hat auch heute nicht an Aktualität und Brisanz verloren: „Sagen Sie mir, welchen Unfall Sie planen, und ich sage Ihnen, was Sie dazu am besten anziehen.“ Natürlich gibt es im Leben nicht den normierten Standardunfall, und deshalb ist es an dieser Stelle rein spekulativ, Ihnen zur Anschaffung eines Airbags zu raten (korrekterweise musste man von einem „Motorradbekleidungsairbag“ sprechen). Kann funktionieren, muss aber nicht. Zumal dann als nächste Frage im Raum steht: Kann es eine günstige, rein mechanisch betätigte Lösung oder darf es nur der irre schnelle, wie im Auto per Pyrotechnik und komplett elektronisch gesteuerte Airbag sein? Der auch irre teuer ist.
Nun könnte der Blick auf den Abschnitt „Crashtest“ (weiter unten in diesem Artikel) die Antwort vorwegnehmen. Aber wie gesagt: Es gibt auch Unfälle, die komplett anders verlaufen und wo auch eine Reißleine gute Dienste tut. Machen wir es also so: Sie investieren beim Motorrad-Airbag nach Lektüre dieser Marktübersicht „al gusto“ wie in eine Lebensversicherung, schärfen weiterhin Ihre Sinne und der per Reißleine oder pyrotechnisch scharf gemachte Airbag bleibt da, wo er hingehört: im Sack!
Airbags für den alltäglichen Gebrauch auf der Straße unterscheiden sich in vielen Punkten von den Airbags, die für den Rennstreckeneinsatz entwickelt wurden. Motorrad-Airbags für den Alltag sollen ohne großen Aufwand angezogen werden können. Zusätzlich unterscheiden sie sich auch preislich enorm von ihrem Rennstrecken-Pendant.
Die italienische Marke hat Pionierarbeit geleistet. Seit 2015 gibt es ein autark arbeitendes System für den Straßeneinsatz. Die komplett elektronisch gesteuerte Einheit mit Gaskartuschen sitzt im Rückenprotektor einer Extra-Weste und ist per Schlauch mit in den Jacken eingenähten Airbag-Kammern verbunden. Bei Erkennen von Unfällen wird der Airbag binnen 25 Millisekunden aufgeblasen und soll vor allem Schultern, Brust, Nieren und Rücken schützen.
Interessanterweise nutzt der Motorradhersteller für seine Fahrerausstattung kein eigenes System, sondern kauft die Technik zu. Unter der Außenhaut dieser beiden BMW-Textiljacken verbirgt sich das elektronische Alpinestars-System. Die Weste mit der zentralen Steuereinheit ist über Schläuche mit Luftkammern der Jacke verbunden.
Die italienische Traditionsmarke kann bei der Airbag-Entwicklung den größten Erfahrungsschatz vorweisen. Prototypen dieses komplett elektronisch gesteuerten Systems tauchten bereits vor 18 Jahren auf. Nach intensiver Vorarbeit im Rennsport hat man diese autark gesteuerten Straßen-Airbags entwickelt.
Der Handschuh-Spezialist hat sich inzwischen zum hochwertigen Komplettausstatter gemausert. So ist es konsequent, dass das Allgäuer Familienunternehmen weiter in Sicherheitstechnik investiert.
Unter Held-Label kommen dabei die Reißleinen-Systeme von Helite zum Einsatz.
Die Franzosen sind inzwischen die Allround-Spezialisten der Airbag-Szene. Zusätzlich zu den universell einsetzbaren Westen wird das per Reißleine ausgelöste Airbag-System inzwischen auch fix und fertig in diversen Jackenmodellen aus Leder und Textil angeboten – nicht nur für Herren, sondern auch im speziellen Damenlook.
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Die nachfolgend vorgestelle Airbag-Bekleidung eignet sich primär für den Einsatz auf der Rennstrecke. Sie zeichnet sich dadurch aus, auch bei Stürzen mit hoher Geschwindigkeit zu schützen. Entsprechend teuer sind die guten Stücke allerdings. Für den Alltag eignet sich die Bekleidung nicht ganz so gut.
Das kleine Familienunternehmen bei Frankfurt hat sich über viele Jahre einen Ruf als Anbieter maßgeschneiderter Einteiler aus Känguruleder vor allem für den Rennstreckeneinsatz gemacht.
Zusammen mit dem Reißleinen-Airbag von Helite will die Enkelgeneration bei der dank umfangreicher Protektorenausstattung bereits sehr guten Schutzfunktion der Alne-Kombis nochmals deutlich nachlegen.
In der Königsklasse des Motorradrennsports tobt auch bei der Ausrüstung der Kampf zweier Giganten. Weltmeister Marc Márquez lässt seine Knochen durch Airbag-Kombis von Alpinestars schützen, Publikumsheld Valentino Rossi greift mit dem Dainese-Airbag an. Dank der immensen Datenflut, die im Profi-Rennsport gesammelt und ausgewertet wird, kann Alpinestars seine Airbag-Kombis nicht nur für semiprofessionelle Hobbyracer, sondern auch dem Oldie-Fan einen zeitgemäßen Schutz für Vintage-Rennen anbieten. Die mit dem jeweiligen Race-Outfit kombinierbare Weste mit elektronischem Airbag arbeitet komplett autark.
Das Schnittbild rechts veranschaulicht besonders gut den Stand der Technik, an welcher der italienische Hersteller als Vorreiter in der Airbag-Entwicklung jetzt knapp zwei Jahrzehnte gefeilt hat.
Aus einem ursprünglich klobigen Fullsize-Airbag ist jetzt ein dünnes, kaum auftragendes Luftkammersystem geworden, das beim typischen Rennstreckensturz gezielt wichtige Körperpartien schützt. Nicht nur bei Profis wie Vale, sondern auch bei Amateuren.
Die italienischen Lederschneider haben nicht den Bekanntheitsgrad wie die Platzhirsche Alpinestars und Dainese.
Das Rennstreckenbusiness haben sie aber auch schon lange kultiviert. Ihre Einteiler werden nun auf Wunsch mit dem Reißleinensystem des Zulieferers Motoairbag (Italien) ausgestattet.
Über viele Jahre hat man den Namen Held nur auf Handschuhen lesen können – dafür aber bei vielen Top-Fahrern aus deutschen Landen.
Diese rennsportliche Kompetenz haben die Bayern sukzessive ausgeweitet – inzwischen hat sich Held auch mit sportlichen Einteilern einen Namen gemacht. Um weiterhin am Ball zu bleiben, gibt es inzwischen auch eine Version mit integriertem Reißleinen-Airbag von Helite.
Während die französischen Reißleinen-Spezialisten unter eigenem Label schon ein eigenes Jacken-Programm für den Alltagsgebrauch aufgelegt haben, beschränken sie sich für die Rennstreckenfraktion bislang noch auf eine Weste als Extra-Feature.
Das Modell GP Air ist aber speziell für den Einsatz über Rennkombis präpariert: großer Ausschnitt für den Rückenhöcker, abriebfeste Außenhaut, Extra-Protektoren für Brust und Rücken.
Mit dem Tod des charismatischen Firmengründers Claus Hämmer stand ein schweres Erbe ins Haus. Das aber die Kinder Julia und Denis zusammen mit den Angestellten dieser urschwäbischen Marke mit Bravour gemeistert haben. In Sachen Innovation hat man noch nie wirklich still-gestanden.
Damals wie heute hat man im Hause Schwabenleder mit sehr viel Akribie daran gefeilt, stets ein bestmögliches Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Auf Känguruleder hat man beispielsweise erst gesetzt, als es in der erwarteten Qualität bezogen werden konnte. Genauso konsequent ist Schwabenleder nun in die Airbag-Technik eingestiegen: Das komplett elektronisch geregelte System kommt von Alpinestars.
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Universal-Airbags stellen einen guten Kompromiss dar. Meistens werden sie in Vestenform angeboten. Sie sind günstiger als die zuvor vorgestellten Airbags und werden größtenteils über ein Reißleinen-System ausgelöst.
Relativ dezent hat der französische Hersteller sein über Reißleine gesteuertes Airbag-System in dieser universell einsetzbaren Softshell-Weste untergebracht, die ganz einfach über normaler Motorradbekleidung getragen werden kann.
Im Bedarfsfall kann man mit überschaubarem Aufwand und zu geringen Kosten den Airbag nach Auslösung auch wieder scharf machen.
Mit Blick in den Katalog könnte man das Airbag-Angebot von Held fast schon als Großoffensive betrachten. Es gibt Komplettlösungen für die Straße und die Rennstrecke und obendrein noch diese unterschiedlich konzipierten Westen, mit denen sich auch die alte Harro-Rennweste oder der „Knochensack“ sicherheitsrelevant pimpen ließen. Besonders pfiffig die Idee, Westen nicht nur zum Drüberstreifen, sondern auch als „Untendrunter“ anzubieten.
In der Summe ist Helite auch bei den universell einsetzbaren Westen bestens aufgestellt. Nicht nur, dass sie als Zulieferer (z. B. für die oben abgebildeten Held-Airbags) in Erscheinung treten, auch unter eigenem Logo haben die Franzosen eine Lösung parat.
Vorzeige-Objekt ist die Turtle-Weste, die zusätzlich zum Airbag noch mit einem konventionellen Rückenprotektor ausgestattet ist. Daneben gibt es aber auch das Modell „Airnest“ in Kindergrößen.
Die japanische Marke gehört zu den ältesten Anbietern von Airbag-Westen – bereits um die Jahrtausendwende waren Hit-Air-Westen mit Reißleinen-Auslösung erhältlich.
Inzwischen hat man das Urmodell überarbeitet und will mit dieser Universal-Weste neben dem Rücken auch Lendenwirbel und Rippen schützen. Ein Upgrade durch den Einsatz konventioneller Protektoren, wie bei anderen Herstellern inzwischen Usus, ist aber nicht möglich.
Auch Spidi hat sich bereits frühzeitig ins Airbag-Geschäft begeben. Bereits 1999 wurde zusammen mit einem japanischen Partner an einem Reißleinen-System gearbeitet.
Von dieser Auslösetechnik hat man bis heute nicht abgelassen. Die universell einsetzbare Weste gibt es wahlweise mit oder ohne konventionellen Rückenprotektor – was derzeit der weitverbreitete Standard ist. Interessant ist allerdings die Konzeption des Airbags mit einer sehr üppigen Luftpolsterung um den Kragen.
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Reißleine, Sensoren, Pyrotechnik … verglichen mit dem Auto-Airbag scheint die optimale Lösung fürs Motorrad noch ein wenig Experimentalcharakter zu haben. Immerhin konkretisiert sich jetzt der Fortschritt in zwei Bahnen. Auf der einen Seite die komplett mechanischen Airbags, die mittels am Motorrad befestigter Reißleine ausgelöst werden. Allerdings können bis zum wirksamen Druckaufbau mittels CO2-Kartusche bis zu 0,2 Sekunden vergehen – für manche Unfallszenarien viel zu lang. Deutlich effektiver arbeiten sensorgestützte Airbags mit Pyrotechnik – wie im Auto. Erkennt der Rechenalgorithmus eine Unfallsituation (Rennstrecke oder Straße), ist das System deutlich unter 100 Millisekunden scharf gestellt und ausgelöst.
Unabhängig von einer Zertifizierung der Airbags auf Grundlage der Europa-Norm EN 1621-4 (ähnlich wie bei Standardprotektoren) haben diverse Crashtests gezeigt, in welchem Millisekundenbereich ein Airbag ausgelöst haben sollte.
Besonders eindringlich die Messwerte beim klassischen Kreuzungsunfall, wo ein Airbag den Aufprall gegen die Dachkante eines Autos lindern könnte.
Dazu müsste er aber, so zum Beispiel eine Testreihe des ADAC Technikcenters, deutlich unter 50 Millisekunden ausgelöst worden sein und sich auch bereits entfaltet haben. Ein Wert, den elektronisch gesteuerte Airbags gerade so, Reißleinen-Systeme aber niemals erreichen.
Unterm Strich ist es erstaunlich, dass sich die Fahrzeughersteller bislang sehr zurückgehalten haben. Vor allem, bei denen der Techniktransfer aus einem stark aufgestellten Autobereich schon längst hätte stattfinden können. Immerhin ist und bleibt Honda noch ein wenig aktiv, auch wenn es in Summe nicht mehr als ein Feigenblatt ist, dass auch die aktuelle Gold Wing weiterhin als Variante mit einem Fahrzeug-Airbag geordert werden kann (35.990 Euro). Bevor Fragen kommen: Die erste Gold Wing mit Airbag erschien bereits 2006!
Mit Helite und Alpinestars haben zwei Hersteller den Markt förmlich beflügelt: Denn sie machen es möglich, dass auch andere Anbieter diese Airbag-Technik nutzen können. Pfiffig insofern, dass die vor allem bei Elektroniksystemen immensen Entwicklungskosten flotter eingespielt werden und wieder Cash für weitere Innovationen da ist. In Sachen Effektivität stehen die E-Airbags uneinholbar vorn, aber das gilt auch für den Preis. Interessant könnte in Zukunft die Entwicklung eines günstigen, aber schnellen Zwitters aus Reißleine und E-Steuerung sein.