Harley-Davidson Revolution Max-Motor: Neuer Twin im Alltag

Harley-Davidson Revolution Max-Motor So fährt der neue Harley-Twin im Alltag

Der neue V2 von Harley könnte das Rückgrat einer kompletten Modellfamilie werden. MOTORRAD hat sich den Motor genau angeschaut und getestet.

Harley Davidson Revolution Max 2021 Harley-Davidson
Harley Davidson Revolution Max 2021
Harley Davidson Revolution Max 2021
Harley Davidson Revolution Max 2021
Harley Davidson Revolution Max 2021 17 Bilder

Die motorische Zukunft von Harley-Davidson ist mit der offiziellen Vorstellung der Harley-Davidson Pan America 1250 Realität. Konkrete Daten, Hintergründe und Fakten zu dem Revolution Max getauften neuen, flüssigkeitsgekühlten V2-Motor lassen Harley-Davidson in einem sehr modernen Licht erscheinen. Und der Dauertest der Pan America 1250 S bei MOTORRAD zeigt: Der neue Motor ist ein guter Motor geworden.

So fährt der neue Harley-Twin im Alltag

Grundsätzlich ist der Revolution Max in der Pan America 1250 S so zu beschreiben: sparsames Raubein mit großem Drehzahlband und Drehfreude. Im Dauertest nimmt die Pan Am sich im Schnitt 5,2 Liter und selbst bei höheren Drehzahlen steigt der Durst nicht übermäßig. Der Kaltstart ist keine Glanzleistung des Motors. Erst rappelt er ziemlich heftig, dann braucht er gut eine Minute bis er ohne abzusterben gefahren werden kann. Überhaupt: Kalt oder lauwarm rappelt der Twin ziemlich und zeigt starkes Konstantfahrruckeln. Nach einer kurzen Warmlaufphase arbeitet er deutlich besser und zeigt sich von seiner gut erzogenen Seite. Und die heißt: Elastiziät. In kleinen Gängen ab gut 2.500/min immer fahrbar, in Gang 5 und 6 sollten schon 3.000 Touren anliegen, damit er wohlgestimmt auf Durchzug geht. In Folge reichen im Alltag bis 120 km/h maximal 5.000 Touren zum fröhlichen Fahren. Ab 6.000 legt der Rev-Max in der Pan Am stark nach, wird dabei allerdings wieder etwas rappeliger und dreht recht freudig bei 9.400 Touren sanft in den Begrenzer. Einzig die leichte Anfahrschwäche trübt das Bild: Unter 2.000 Touren kommt die schwere Pan Am nur mit schleifender Kupplung vom Fleck.

Dauertester Pan America
Enduro

Getriebe rustikal aber souverän

Das geradeverzahnte Getriebe arbeitet zwar etwas rustikal, aber die Gänge treffen immer und sind sehr gut abgestimmt: In Gang 6 fährt die Harley zwischen 50 und 220 km/h gefühlt per Overdrive ohne zu Klagen. Der Sprung von Gang 1 in 2 ist allerdings sehr knorrig. Aktuell noch nicht optimal appliziert ist der Quickshifter mit Blipper. Aufwärts wie abwärts funktioniert er nicht immer sicher und gut. Allerdings: Es gibt Momente und Situationen, in denen das System außerordentlich gut arbeitet, leider sind die Momente selten und nicht reproduzierbar.

Braucht es eine 152 PS Harley?

152 PS, von denen bei unterschiedlichen Leistungsmessungen von MOTORRAD maximal 147 anlagen, sind für den Autor in der Harley zuviel. Sie liegen erst bei knapp 9.000 Touren an und dahin dreht man den toll drückenden Motor nie. 10 PS weniger zu Gunsten von noch mehr Kraft bei niedrigen und mittleren Drehzahlen stünde der Komfort-Enduro sehr gut.

Harley-Davidson Pan America 1250 Special Top-Test
Enduro

Die Leistungsdaten des neuen Motors

Mit den Leistungsdaten des neuen Motors betritt Harley definitiv Neuland. Keine Harley war ab Werk je stärker oder drehzahlfreudiger. Aus seinen 1.247 Kubik schöpft der Twin in der Pan America 152 PS bei 8.750 Umdrehungen und liefert mächtige 128 Nm bei 6.750 Touren.

Harley Davidson Revolution Max 2021
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Die Zylinderköpfe haben je zwei Nockenwellen, eine variable Ventilsteuerung, vier Ventile, die Auslassventile sind zur besseren Kühlung mit Natrium gefüllt.

Motor trägt mit

Erstmals in der Geschichte von Harley ist der Motor mittragend konstruiert, er trägt also viel zur Steifigkeit des gesamten Motorrads bei. Der vordere Teil des Rahmens mit dem Lenkkopf zieht sich mit einem Hilfsrahmen für Tank und Airbox über die beiden Zylinderköpfe weg und wird an sechs bis acht Punkten damit verschraubt. Ein Blick zwischen die beiden Zylinder beim Motorrad gibt hier eine X-Verstrebung preis. Heckrahmen und Schwinge sind am hinteren Zylinderkopf und am Getriebegehäuse verschraubt.

Die Kurbelwelle

Natürlich ein V2. Das muss bei Harley sein. Die beiden Zylinder stehen in einem Winkel von 60 Grad zueinander, die Kolben bewegen sich aber in einem 90 Grad Winkel zu einander und zünden entsprechend unregelmäßig. Harley hat dem Motor dafür zusätzlich einen Hubzapfenversatz von 30 Grad spendiert, was den Motor, historisch betrachtet, zu einem unechten V2 macht. Zu erkennen ist das an den seitlich versetzt zueinander stehenden Zylindern. Klassische Harley-Twins, also echte V2, haben keinen Versatz die Zylinder stehen direkt hintereinander. Das einzigartige Gabelpleuel der luftgekühlten Twins hat im neuen Revolution Max-Motor keinen Platz. Ebenfalls größtenteils unechte V2 waren die Japan-Twins der 1980er und 1990er.

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Der Zylinderwinkel von 60 und der Hubzapfenversatz von 30 Grad ergeben eine Zündfolge wie ein 90 Grad Twin.

Hubraum und Zylinderköpfe

Kolben aus geschmiedetem Leichtmetall mit einem Durchmesser von 105 Millimetern nehmen einen 72 Millimetern langen Weg durch mit Nickel und Siliziumkarbid beschichtete Zylinder. Zusammen ergibt das einen Hubraum von 1.247 Kubik. Die Zylinderköpfe aus Aluminium tragen je zwei Nockenwellen, die je vier Ventile per Schlepphebel betätigen. Der Ventiltrieb ist wartungsfrei durch einen hydraulischen Ausgleich des Ventilspiels: ganz Harley per Hydrostößel. Der gefräste Kolbenboden erlaubt eine sehr hohe Verdichtung von 13,0:1. Dieser hohe Arbeitsdruck und die entstehenden Temperaturen erklären auch die Nutzung einer Doppelzündung sowie die Füllung der Auslassventile als Wärmetauscher: Die Ventile sind mit Natrium gefüllt, welches bei 97 Grad schmilzt und mit jedem Ventilhub durch den Schaft geschleudert wird. Durch die hohe Wärmeleitfähigkeit von Natrium wird so viel Hitze vom thermisch stark beanspruchten Auslassventil in den Zylinderkopf übertragen.

Für eine bessere Zylinderfüllung und Drehmomentverlauf im unteren Bereich hat der Revolution Max eine variable Ventilsteuerung für Einlass- und Auslassventile. Ein elektrohydraulischer Phasenversteller – ein Elektromotor, der mit dem Druck des Motoröls arbeitet – verdreht die Nockenwellen um bis zu 40 Grad nach früh oder spät: Die Ventile öffnen zu anderen Zeitpunkten während der Umdrehung der Kurbelwelle. So können die Vorteile von wenig Ventilüberschneidung für mehr Drehmoment und die von viel Überschneidung zur Steigerung der Höchstleistung einfach kombiniert werden. Zusätzlich fungiert das System beim Motorstart als Dekompressions-System.

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Der Kolben mit seinem Durchmesser von 105 Millimetern erzeugt einen so großen Brennraum, dass H-D zwei Zündkerzen zur optimalen Verbrennnung braucht.

Trockensumpfschmierung

Die Ölversorgung übernimmt im Revolution Max-Motor eine Trockensumpfschmierung. Das Ölreservoir ist unter den beweglichen Teilen von Kurbelwelle und Getriebe in das Motorgehäuse integriert und wird von drei Saugpumpen versorgt. Die saugen das "gebrauchte" Öl aus dem Kurbelgehäuse, dem Bereich um die Lichtmaschine und Kupplung herum ab. Das System ermöglicht eine niedrigere Bauhöhe des Motors, einen besseren Schwerpunkt sowie die sichere Versorgung mit Öl, selbst bei sehr hoher Schräglage oder wenn das Motorrad liegt. Um die Kühlung des Öls kümmert sich ein Wärmetauscher im Kühlwasserkreislauf an der rechten Motorseite.

Das Schmiersystem weist noch eine weitere Besonderheit auf: Die Pumpe im Kurbelgehäuse erzeugt einen Unterdruck und ermöglicht so eine geringere Vorspannung der Kolbenringe, was wiederum in weniger Reibung im Zylinder während des Hubs resultiert. Bald 100 Jahre Erfahrung von Harley mit Trockensumpfschmierungen haben ein System ermöglicht, das mit sehr wenig Öldruck (4,1 bis 4,8 bar) arbeitet und so die Leistungsverluste bei hohen Drehzahlen verringert: Ein hoher Öldruck bei niedrigen Drehzahlen würde durch hohe Drehzahlen der Pumpen weiter steigen, was einen Überdruck an Öl in den Lagern und so einen Bremseffekt zur Folge hätte. Vergleichbar mit dem Eintauchen in Wasser.

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In Fahrtrichtung links sitzt die Lichtmaschine auf dem Abtriebszahnrad des Anlassers. Eine der drei Ölpumpen wird per Kette angetrieben. Der Ölstutzen scheint vor dem Lichtmaschinendeckel zu sitzen.

Massenausgleich V2 mit Hubzapfenversatz

Der Hubzapfenversatz von 30 Grad plus den Zylinderwinkel von 60 Grad ergibt einen Zündwinkel von 90 Grad. Wie bei modernen Reihentwins mit einer 270-Grad-Kurbelwelle oder den echten 90-Grad-Motoren von Ducati ergeben sich sehr ausgeglichene Massenkräfte und Ordnungen: der Motor vibriert nur wenig. Aber gerade bei hohen Drehzahlen und durch die vier obenliegenden Nockenwellen entwickeln solche Motoren sehr feine Schwingungen, die Harley beim Revolution Max-Motor mit einer kettengetriebenen Ausgleichswelle im Kurbelgehäuse ausgleicht. Um diese Welle leicht und kompakt zu halten, dreht sich im Zylinderkopf zwischen den Nockenwellen eine weitere Ausgleichswelle. Ein Kniff, den unter anderem schon KTM bei seinen enorm starken Einzylindern mit 690 Kubik eingesetzte.

Kupplung und Getriebe

Die für Harley völlig neue Bauweise des Motors erlaubt eine kompakte Kupplung-Getriebe-Einheit, was einen kurzen Primärantrieb über schrägverzahnte Zahnräder erlaubt. Zur Erinnerung: Die großen luftgekühlten Twins nutzen dafür eine sehr lange Kette zwischen Kurbelwelle und Kupplung, bei Umbauten sogar einen breiten Zahnriemen. Beim Revolution Max also eine Übertragung der Drehzahlen per Zahnrad, das mit Ausgleichsfedern ausgestattet ist, um die Drehmomentspitzen eines Big-Bang-Motors – was ein 90-Grad-Twin immer ist – zu dämpfen. Das ist nun keine technische Revolution, zeigt aber die Konsequenz, mit der Harley diesen Motor entwickelt hat. Die im Durchmesser eher kleine Kupplung arbeitet mit acht Reibscheiben, verringert durch eine Drehmomentunterstützung die Handkräfte und arbeitet durch das gleiche System auch als Anti-Hopping-Kupplung beim Runterschalten.

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Je Nockenwelle verfügt der Motor über einen Sensor, zu Steuerung der variablen Steuerzeiten. Eine der beiden Zündspule sitzt in der Mitte, die andere in Fahrtrichtung links.

Motor für alle Klasse

Quasi schon klar war bei der Präsentation des 1250er: Es wird eine Variante mit 975 Kubik geben, die bereits im Streetfighter-Bronx-Konzept präsentiert wurde. Mit weniger Bohrung und Hub (97 x 66 Millimeter) leistet diese Variante in der 2022 vorgestellten Nightster 89 PS bei 7.500 Touren und drückt 95 Nm bei 5.750 /min. Weniger Hubraum wird es wohl aber nicht werden, da dann die Nachteile eines V-Motors stark zum Tragen kommen: hohes Gewicht durch viele doppelte Bauteile sowie die Kosten für die Herstellung. Gründe, warum die meisten anderen Herstellern in dieser Klasse auf Reihenmotoren setzen. Und: Bereits 2017 stellte Harley-Davidson einige Konzepte vor, mit dem neuen Motor in unterschiedlichen Konfigurationen. Darunter waren damals schon die Pan America und die Sportster S. Fehlen im Reigen nur noch Bronx oder Streetfighter, in zwei Versionen. Recht sicher scheint bereits eine Variante der Pan America mit 975 Kubik. Sie wurde von Harley quasi selbst geleakt, als in den amerikanischen Ersatzteilkatalogen dieses Modell als RH975 erschien und sich den Tankdeckel mit der RH 1250 teilt, der großen Pan Am.

Umfrage

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Ja, nur so kann es weitergehen.
Nein, es werden weiter die klassischen luftgekühlten V2 dominieren.

Fazit

Der neue Revolution Max ist ein moderner V2-Motor mit zeitgemäßer Technik, hoher Leistungsausbeute, wenig Verbrauch, gut zu fahren und einer Literleistung von 126 PS. Damit muss Harley sich nicht verstecken. Der Motor zeigt aber auch, dass der V2 konstruktiv aufwändig ist. Ein großer Brennraum mit hoher Verdichtung braucht beispielsweise eine Doppelzündung zur optimalen Verbrennung. Andere Hubräume sind sicher, kein Hersteller der Welt kann sich nur einen Motor leisten. Das Prachtstück Revolution Max werden wir in anderen Dimension sicher zeitnah sehen.

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