Im Motorradbau gibt es viele unterschiedliche Bauarten von Auspuffanlagen. Lange Zeit stand dabei vor allem das Aussehen im Mittelpunkt. Formschöne, meist verchromte Anlagen waren oft das Schmuckstück der Maschine. Der satte (und häufig auch recht laute) Sound spielte ebenfalls eine zentrale Rolle, was in den 70er- und 80er-Jahren aber niemanden ernsthaft zu stören schien.
Einteilige und mehrteilige Auspuff-Anlagen
Bei den Bauarten unterscheidet man zwischen einer einteiligen und einer mehrteiligen Bauweise, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Einteilige Auspuff-Anlagen lassen sich meist nur sehr aufwendig demontieren und bei Wartungsarbeiten – zum Beispiel am Hinterrad beziehungsweise beim Kettespannen – sind die Endtöpfe oft im Weg. Mehrteilige Auspuff-Anlagen lassen sich zwar leichter entfernen, haben dafür aber häufiger Probleme mit den Dichtungen an den Verbindungsstellen. Bei den Krümmern, die normalerweise direkt an den Zylindern angeschraubt sind, werden in der Regel Kupferdichtungen verwendet, die gegebenenfalls nach einer Demontage erneuert werden müssen. Wie bei fast allen Schraubverbindungen, die heiß werden können, empfiehlt es sich, das Gewinde der Stehbolzen/Schrauben dünn mit Kupferpaste einzustreichen und die Muttern regelmäßig auf festen Sitz zu überprüfen.
Sammler, Interferenzrohr, Vorschalldämpfer
Das Mittelstück der Anlage besteht häufig aus einem mehr oder weniger formschönen Sammler beziehungsweise zumindest einem Interferenzrohr oder einem Vorschalldämpfer, an dem der eigentliche Endtopf befestigt ist. Falls im Bereich der Übergänge/Befestigungen Dichtungen verwendet werden, müssen diese, je nach verwendetem Material, gegebenenfalls erneuert werden. Bei älteren, nicht mehr lieferbaren Zubehöranlagen, wie etwa dem in den 90ern häufig verbauten BSM-Endtopf, hilft dann nur Bastelarbeit weiter. Manchmal passen auch Dichtungen anderer Hersteller.
Reflexionsdämpfer vs. Absorptionsdämpfer
Beim eigentlichen Dämpfer unterscheidet man zwei Bauarten: Die meisten serienmäßigen Auspuffanlagen haben einen sogenannten Reflexionsdämpfer. Der Schall wird durch verschiedene Resonanzkammern geleitet, mehrfach reflektiert und löscht sich quasi selbst aus. Ein Reflexionsdämpfer ist langlebig und hat eine konstante Dämpfung, ist aber auch teuer und relativ schwer. Bei einem Absorptionsdämpfer, der vor allem bei Nachrüstanlagen verwendet wird, befindet sich im Dämpfer-Inneren ein zentrales Siebrohr, das von Stahl- oder Mineralwolle als Dämmmaterial umgeben ist und die Schallenergie in Wärme umwandelt. Ein Absorptionsdämpfer ist zwar günstiger in der Herstellung und hat auch ein niedrigeres Gewicht, doch da das Dämmmaterial altert, lässt die Dämpfung mit der Zeit nach, und die Maschine wird lauter. In puncto Langlebigkeit ist das ein klarer Nachteil. Überprüfen lässt sich diese Veränderung sehr gut mithilfe eines günstigen Messgerätes wie zum Beispiel von Racefoxx für knapp 30 Euro, das erstaunlich genau arbeitet.
Pflege der Auspuffanlage
Das eigentliche Problem bei der Pflege der Auspuffanlage liegt aber fast immer im Außenbereich, unabhängig von der Qualität der verwendeten Materialien. Während die gut sichtbaren Bereiche oft und gern gereinigt und geputzt werden, sind die Rück- und Unterseiten sowie die Teile, die direkt unter dem Motorblock sitzen, meist schlecht zu erreichen und leiden deshalb häufig unter Korrosion. Straßen- und Industriestaub setzt sich auf der Oberfläche fest und greift das Metall an – vor allem, wenn im Winterbetrieb Streusalz dazukommt. Selbst Edelstahlanlagen können dann anfangen zu rosten. Eine regelmäßige Reinigung und Pflege ist deshalb im Hinblick auf Optik und Langlebigkeit sinnvoll, zumal es mittlerweile gute Pflegeprodukte gibt, um der Korrosion entgegenzuwirken.
Komplett demontieren und reinigen
Die beste Methode eine Auspuffanlage zu überholen, ist die komplette Demontage, das Reinigen, Entrosten und Nachlackieren. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn der Ab- und Anbau vor allem einer doch relativ schweren einteiligen Auspuffanlage ist eine ziemliche Plackerei, alleine kaum zu bewältigen, und man muss höllisch aufpassen, um Kratzer und Beschädigungen zu vermeiden. Die Befestigungsschrauben sind häufig schwer zugänglich, oft schon korrodiert und sollten unbedingt vorher mit Rostlöser behandelt werden. Besondere Vorsicht gilt dabei den Stehbolzen am Zylinderkopf, die gern mal abreißen können. Ist die Anlage aber erst demontiert, lassen sich mithilfe von Polier- oder Bohrmaschine mit Aufsatz, Nevr Dull, Retropolish, Bürsten, Rostumwandler und speziellem Auspufflack erstaunlich gute Ergebnisse erzielen. Das (Nach-)Lackieren erfolgt meist mit einer Spezialfarbe, die sich anschließend im Fahrbetrieb noch einbrennen muss. Macht man das regelmäßig alle drei bis vier Jahre (besonders bei Maschinen, die auch im Winter genutzt werden), hat man lange Freude an der Anlage.
Beschichtung aus Hochleistungslack auf Keramikbasis
Ist der Auspuff aber optisch bereits sehr stark mitgenommen, kommt eventuell eine Beschichtung infrage, wie sie etwa die Firma Menze in Hagen anbietet. Hierbei wird ein Hochleistungslack auf Keramikbasis verwendet, der auch für eine zweite Beschichtung auf Chrom gut geeignet ist. Ein weiterer Pluspunkt: Die Schichtstärke des Keramiklacks ist so dick, dass sie Vernarbungen und leichte Kratzer überdeckt. Der Preis für eine Standardanlage wie etwa einer Honda Sevenfifty liegt mit gut 560 Euro im vernünftigen Rahmen.
Hitzeschutz-Aufkleber und Hitzeschutzband
Ebenfalls nicht unproblematisch ist die Wärmeabstrahlung und damit verbunden der Hitzeschutz. Fahrer von Under-Seat-Anlagen oder Scramblern können oft ein Lied davon singen. Bei der Montage von Koffern ist daher ein ausreichender Abstand zur Auspuffanlage zu beachten, um Beschädigungen zu vermeiden. Ebenso effizient wie einfach zu montieren sind in diesem Fall Hitzeschutz-Aufkleber, zum Beispiel von Polo für zirka 20 Euro, die man an die gefährdeten Bereiche der Koffer kleben kann. Um die Hitzeabstrahlung zu reduzieren, verwendete man früher oft doppelwandige Krümmer, die auch noch dafür sorgten, dass die verchromten Rohre nicht blau anliefen. Heutige Krümmer bestehen meist aus dünnem VA-Stahlrohr, das sich nicht nur verfärbt, sondern auch viel Wärme abgibt. Günstige Abhilfe schafft hier Hitzeschutzband (Polo, zirka 30 Euro), das man um den Krümmer wickeln kann. Es wird übrigens auch gern bei verrosteten Krümmern und aus optischen Gründen bei Umbauten verwendet. Beim Wickeln sollte man darauf achten, das Band immer kräftig in Wickelrichtung auf dem Krümmer nachzudrehen. Zur Fixierung der Enden kann man Kabelbinder aus VA-Stahl verwenden.
Original-Schalldämpfer vs. Zubehör-Schalldämpfer
Auch ein Sturz oder auch nur ein leichter Rutscher können natürlich die Auspuffanlage in Mitleidenschaft ziehen. Größere Dellen am Endtopf oder stark beschädigte Krümmer sind häufig irreparabel. Am schlimmsten ist es, wenn die Stehbolzen am Zylinderkopf durch die Wucht eines Sturzes ausgebrochen sind. Dann wird die Reparatur teuer und kompliziert. Extrem teuer ist in jedem Falle auch der Ersatz der Schalldämpfer. Eine Original-Auspuffanlage kostet zum Beispiel für eine Africa Twin, Bj. 2017, stolze 4.500 Euro, und eine perfekt erhaltene gebrauchte Auspuffanlage zu einem günstigen Preis zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Da auch Optik und Sound der serienmäßigen Anlagen nicht immer den Wünschen der Besitzer entsprechen, ist es kein Wunder, dass Zubehörschalldämpfer zu den beliebtesten Umbauteilen bei Motorrädern gehören. Allerdings ist die Abstimmung einer Auspuffanlage eine Kunst für sich, und nur wenige Zubehöranlagen namhafter Hersteller kommen an das Niveau des Originals heran oder übertreffen es sogar. Vor dem Kauf empfiehlt sich deshalb eine gründliche Recherche – zum Beispiel in entsprechenden MOTORRAD-Tests.
Zubehör-Auspuffanlagen haben in der Regel eine eingestanzte E-Nummer. Allerdings ist nicht jeder Auspuff mit dieser Nummer auch für jedes Motorrad zugelassen, sondern nur für bestimmte, homologierte Modelle. Eine Montage an einer nicht homologierten Maschine ist trotz E-Nummer illegal. Die von einigen Auspuffherstellern mitgelieferten Bescheinigungen im Scheckkartenformat können daher bei Kontrollen recht hilfreich sein. Sofern sich im Serienschalldämpfer ein Katalysator befunden hat, muss ein solcher natürlich auch im Nachrüstdämpfer vorhanden sein. Die Montage der neuen Anlage ist nicht immer problemlos, verlangt etwas Erfahrung und häufig mehr als rudimentäre Schrauberkenntnisse.
Originale Auspuffanlage nachbauen lassen
Für viele ältere Motorräder und Youngtimer gibt es leider oft keinen passenden Ersatz für eine defekte, vergammelte oder beschädigte Auspuffanlage mehr. In diesem Fall kann man sich an professionelle Auspuffbauer wenden. Sie sind in der Lage, die originalen Auspuffanlagen aus hochwertigem Material nachzubauen und auch individuelle Wünsche zu berücksichtigen. Nicht zuletzt ist der Bau einer individuellen Auspuffanlage, die in Sachen Sound und Optik den persönlichen Vorstellungen entspricht, kein Ding der Unmöglichkeit und prinzipiell zumindest bei Motorrädern bis Baujahr 1994 noch mit überschaubarem Aufwand realisierbar. Für meine Honda Sevenfifty habe ich eine Vier-in-vier-Anlage, bestehend aus vier Zubehör-Endschalldämpfern, den serienmäßigen Krümmern und einem speziell angefertigten Mittelteil verwendet. Die Abnahme inklusive Geräuschmessung, Leistungsmessung und technischer Prüfung war zwar relativ aufwendig, das Ergebnis aber absolut überzeugend (siehe MOTORRAD 19/2018).