Willkommen in der alljährlichen Rabattschlacht. Auch in diesem November werden wir wieder kräftig dauerbeschallt: Jetzt die Kfz-Versicherung wechseln und Hunderte Euro sparen. Mindestens. Und eventuell sogar noch ein Gutschein „on top“. Natürlich hat Sie die Endlosschleife in der TV- und Radiowerbung mürbe gemacht und dann doch einmal auf eine Online-Vergleichsplattform gelotst. Einfach mal gucken, kostet ja nix. Vielleicht geht’s oder, besser gesagt, fährt es sich in Zukunft tatsächlich noch günstiger …
Wir wagen mal eine Blindprognose. Laut Tarifrechner finden Sie tatsächlich etliche Assekuranzen, die Ihr Lieblingsgefährt für deutlich weniger Euronen versichern würden. Hmm, ein Klick und schon hätte man sich die Sparpackung gesichert. Full Service inklusive, dem alten würde sogar vom neuen Anbieter gekündigt werden und so weiter. Klingt doch verlockend! Doch Moment, natürlich wissen Sie als kritischer Verbraucher, dass nicht alles Gold ist, was glänzt – und die bekannten Vergleichsportale alles andere als die wohltätigen Robin Hoods der Versicherungsbranche sind.
Auch die wollen natürlich am fetten Kuchen knabbern und durch den Neuabschluss entsprechend mitverdienen. Und weil sie in erster Linie keine Wohltäter, sondern knallhart rechnende Wirtschafter sind, hat das natürlich Einfluss auf das Ranking. Spätestens seitdem das Landgericht München im Sommer dieses Jahres die Internet-Plattform Check24 dazu verurteilt hat, für mehr Transparenz zu sorgen, weiß man, dass pro Neuvertrag bis zu 100 Euro Provision fließen können und andererseits namhafte Versicherer erst gar nicht im Vergleichsranking auftauchen, weil sie keine Platzierungsgebühr an Check24 zahlen wollen. Darunter zum Beispiel auch Branchengrößen wie die HUK Coburg – einer der größten Kfz-Versicherer der Bundesrepublik.
Interessanterweise hat sich die HUK in diesem Jahr erstmals aus unserem Vergleich herausgehalten – und das, obwohl bei uns weder Provisionen fließen noch Platzierungsgebühren verlangt werden. Bis zum Redaktionsschluss war nicht klar warum. Zumal sich die HUK in den vergangenen Jahren – sowohl was die Prämienhöhe unserer Beispielrechnungen wie auch die eigentlichen Leistungsmerkmale betrifft – hervorragend geschlagen hat.
Genau der zweite Punkt ist es dann auch, der einem nach dem schwammigen Internet-Vergleich zu denken geben sollte. Denn eine konkrete Aussage, was nun tatsächlich im Gegenzug zur jährlichen Versicherungsprämie geboten wird, lässt sich nicht wirklich herauslesen. Dazu müssten Sie sich zunächst vor Vertragsabschluss durchs Kleingedruckte wühlen und schauen, welche Leistungen inklusive sind und was alles unter den Tisch fällt.
Im MOTORRAD-Tarifvergleich lassen wir dagegen die Hosen bei allen 47 Versicherungsangeboten, die wir am Beispiel der beliebten Yamaha MT-09 durchgerechnet haben, runter. In akribischer Kleinarbeit wühlten sich die Analyseprofis der Ratingagentur Franke und Bornberg durch sämtliche Vertragsinhalte, bewerten und taxieren sie entsprechend. Und kommen leider in jedem Jahr zu dem Schluss, dass die Angebote für die Motorradfahrer noch lange nicht auf dem Niveau der Autoversicherungen angekommen sind (siehe Interview).
Immerhin können sich in unserer Auflistung bei der qualitativen Beurteilung vier Tarife die begehrte Auszeichnung mit fünf Sternen sichern. Und der Blick in die Spalte mit den jährlichen Prämienzahlungen für die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflicht bzw. Kombi aus Haftpflicht und Teilkasko zeigt: das Ganze sogar zu moderaten Preisen!
Andererseits zeigt unsere Tabelle auch: Viele Versicherer kanzeln Kunde Kradler mit unterdurchschnittlichen Leistungspaketen ab. Und lassen ihn noch tief in die Tasche greifen. Insgesamt 13 Tarife gehen mit zwei mageren Sternchen vom Platz. 25 weitere bieten lediglich Durchschnittsware. Das Bild wäre noch dramatischer, wenn wir gezielt nur kradspezifische Leistungsmerkmale bewerten würden. Denn auf diesem Feld besteht für alle Versicherer dringend Handlungsbedarf. Eine echte Motorradversicherung, die nicht nur ein Motorrad in der Bezeichnung trägt, sondern auch im Leistungskatalog nachhaltig aufgreift, ist weiterhin Mangelware. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wie sähe denn Ihr Ideal einer Motorradversicherung aus? Schreiben Sie uns an wunschtarif@motorradonline.de.
So haben wir geprüft

Online vergleichen? Kann man machen, führt aber weder zur günstigsten noch besten Versicherung. MOTORRAD checkt anders.
Egal, ob Sie die neue Versicherung für Ihr Bike im Internet 24-fach checken, financescouten oder verivoxen: Die bekannten Internetportale vergleichen nicht nur, sondern bieten vor allem den Neuabschluss an. Womit sie vor allem als Versicherungsmakler in Erscheinung treten, die je nach Gesellschaft unterschiedlich hohe Provisionen kassieren und so Einfluss auf das Ranking nehmen. Inzwischen gibt es dazu Gerichtsurteile: So muss Branchenriese Check24 seine Kunden klarer informieren, dass sie mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen ihr Geld verdienen. Der MOTORRAD-Tarifvergleich will Ihnen dagegen nichts aufschwatzen, sondern eine transparente Vergleichsmöglichkeit bieten. Deshalb arbeiten wir seit Jahren mit der unabhängigen Ratingagentur Franke und Bornberg (www.franke-bornberg.de) zusammen. Die Hannoveraner Versicherungsanalysten bewerten Tarife und Leistungen dabei auf Basis verbindlicher Quellen, die in den Vertragsbedingungen genannt werden müssen. Als Musterfall diente uns in diesem Jahr eine Yamaha MT-09 mit folgenden Eckdaten: EZ 5/2014, 847 cm³, 85 kW/115 PS, ABS, Neupreis (2014): 7995 Euro, Zeitwert (2016): 5500 Euro. Der Versicherungsnehmer ist männlich, 32 Jahre alt, hat den Führerschein seit 2002, ist alleiniger Nutzer und in die SF-Klasse 14 eingeteilt. Zulassungsbezirk ist HH (PLZ 21107), die jährliche Fahrleistung beträgt 4500 km, eine Garage ist nicht vorhanden. Versicherer, die in unserem Ranking mit fünf Sternen bewertet werden und bei denen maximal 50 Prozent vom Mittelwert aller Prämien im Vergleich gezahlt werden müssen, werden mit dem MOTORRAD Top-Tarif ausgezeichnet.
Glossar
- Haftpflicht: die Pflichtversicherung für Fahrzeuge. Zahlt nur Fremdschäden.
- Haftpflicht plus Teilkasko: empfehlenswerte Kombi. Über die Teilkasko werden Eigenschäden wie z. B. ein Diebstahl gedeckt. Selbstbeteiligung in diesem Tarifmodell: 150 Euro.
- Deckungssumme Sach-/Vermögensschäden: Wie viel zahlt die Versicherung? Gesetzlich vorgeschrieben sind 1,12 Mio. Euro für Sach- und 50.000 Euro für Vermögensschäden.
- Deckungssumme Personenschäden: Gesetzlich vorgeschrieben sind pro geschädigter Person 7,5 Mio. Euro.
- Geltungsbereich: In welchen Ländern gilt Ihre Motorradversicherung? Im Regelfall in Europa bzw. innerhalb der EU, meist aber nicht in Urlaubsregionen wie der Türkei
- Eigenschadendeckung: Beschädigt der Versicherungsnehmer (VN) mit seinem Fahrzeug sein Eigentum, kann dies auch über die Kfz-Versicherung gedeckt sein – meist aber abzüglich einer Selbstbeteiligung.
- Versicherte Personen Mallorcapolice: Im Regelfall sind der Versicherungsnehmer und sein/e Partner/in als Fahrer abgesichert.
- Deckungssumme Mallorcapolice: Extraschutz für den Gebrauch von Mietfahrzeugen im Ausland. Erhöht die dort geltenden Deckungssummen auf deutsche Standards.
- Geltungsdauer Mallorcapolice: Ist meist individuell geregelt. Ein Monat ist Minimum, es gibt aber auch unbefristete Regelungen.
- Geltungsbereich Mallorcapolice: Kein Problem beim Europa-Urlaub, doch die Tour auf der Miet-Harley in den USA ist fast nie abgesichert.
- Sanktionen: Stimmen Eckdaten bei Vertragsabschluss nicht (z. B. Fahrzeugnutzer, Stellplatz in Garage, km-Leistung), drohen Geldstrafen.
- Selbstregulierung: kleinere Sachschäden selbst bezahlen, ohne dies der Versicherung zu melden. Doch die Summen sind begrenzt.
- Meldung von Schäden: Pflicht des Versicherungsnehmers, Schäden ab bestimmten Summen der Polizei zu melden.
- Sonderausstattung/Zubehör: Gerade bei aufwendig umgebauten Motorrädern sollte der Wert der Anbauteile mitversichert sein.
- Schutzhelm/Schutzbekleidung: Erfreulich: Schäden am Motorradhelm werden mittlerweile von einigen Versicherern mit übernommen.
- Neupreisentschädigung: Wird beim Fahrzeugdiebstahl der Neu- oder Zeitwert ersetzt? Versicherer handhaben das sehr unterschiedlich.
- Abzug Neu für Alt: Wird für die beschädigte (Gebraucht-)Sache ein Neuteil angeschafft, können Versicherer den Wertvorteil auf die Schadenssumme anrechnen.
- Grobe Fahrlässigkeit: Unter welchen Umständen können Versicherer mit diesem Einwand Leistungen kürzen? Bei der Standardregelung verzichtet der Versicherer auf eine Kürzung, außer bei Drogen- und Alkoholgenuss oder bei Ermöglichung eines Diebstahls.
- Zusammenstoß mit Tieren: Muss nicht nur der klassische Wildunfall sein. Gilt die Teilkasko auch bei der Kollision mit der Alpen-Kuh?
- Tierbiss/Folgeschäden: Was tun, wenn kleine Nager Gummischläuche aufbeißen oder die Elektrik lahmlegen? Einige Gesellschaften differenzieren bei den Verursachern, andere klammern wiederum Folgeschäden aus. Grundsätzlich ein Bestandteil der Teilkasko.
- Elementargefahren: Sind Schäden bei Naturkatastrophen durch die Teilkasko abgedeckt?
- Transport auf einer Fähre: für Motorradfahrer ein Standardtransportmittel in attraktive Urlaubsregionen, für viele Versicherer aber leider noch lange keine Inklusivleistung.
Übersicht über Versicherungstarife (1)

Übersicht über Versicherungstarife (2)

Interview
Michael Franke (54). Der Geschäftsführer der Hannoveraner Ratingagentur Franke und Bornberg nimmt Stellung zum aktuellen Tarifvergleich von 47 Motorradversicherungen.
Im Sommer 2016 lockte ein Motorradversicherer Neukunden mit zehn Prozent Rabatt, wenn sie eine bestimmte Helmmarke tragen. Glauben Sie, dass solche Rabattaktionen zunehmen werden?
Die Kfz-Versicherung ist wohl die meistumkämpfte Versicherung zu dieser Jahreszeit. Der Preiskampf startet im Oktober und endet zum 1. Januar des neuen Jahres. Hier locken alle Versicherer mit günstigen Angeboten. Zum Saisonbeginn für Kräder wird es sicherlich ebenfalls die einen oder anderen Versicherer geben, die mit solchen Aktionen von sich reden machen. Aus unserer Sicht wird dies jedoch eher eine Ausnahme sein.
Viele achten vermutlich auf eine möglichst günstige Versicherungsprämie. Auf welches Leistungsmerkmal sollte der Motorradfahrer bei seiner Versicherung allerdings nicht verzichten?
Grundsätzlich sollte man auf ein gesundes Mittelmaß achten. Die Versicherung muss zu der Lebenssituation des Einzelnen passen. Wichtige Leistungskriterien sind beispielsweise der Zusammenstoß mit Tieren, da dies nahezu jedem passieren kann, der mit seinem Bike unterwegs ist. Oder die Übernahme von Schäden durch Tierbiss insbesondere für Fahrzeughalter, deren Maschinen bei Nichtgebrauch draußen abgestellt werden. Hier gibt es entscheidende Leistungsunterschiede. Auch die Mallorcapolice ist für Kradfahrer im Ausland unverzichtbar, sofern man dort nicht auf eine Spritztour verzichten möchte. In den meisten Ländern sind die Deckungssummen niedriger als bei uns, und es kann schnell passieren, dass die Versicherungssummen des Besuchslands ausgeschöpft sind.
Bei unseren jährlichen Auswertungen stellen Sie immer wieder fest, dass Motorradversicherungen im Vergleich zum Auto stiefmütterlich behandelt werden. In welchen Punkten sollte der Leistungskatalog für Kradfahrer künftig deutlich nachgebessert werden?
Leistungsunterschiede sind vor allem beim Abzug „Neu für Alt“, bei der Neu- bzw. Kaufpreisentschädigung oder bei der Sonderausstattung anzutreffen. Der Motorradfahrer wird in der Regel schlechtergestellt. Aus unserer Sicht sollten gerade die Leistungskriterien für den Motorradfahrer angepasst werden. Denn egal ob Pkw oder Krad, sofern z. B. zwölf Monate nach dem Kauf das Fahrzeug gestohlen wird, ist es doch ein echter Vorteil für den Versicherungsnehmer, dann den kompletten Neupreis bzw. Kaufpreis zu erhalten und nicht den tatsächlichen Wert.
Teils günstig im Westen, teils teuer im Osten

Motorrad-Regionalklassen im Vergleich. Ähnlich wie bei den Autos sind auch die Prämien für die Motorradversicherungen vom Wohnort abhängig. Als Grundlage zur Berechnung dienen Regionalklassen (RK), in denen die Schaden- und Unfallbilanz eines jeweiligen Gebiets erfasst wird. Anders als bei Pkw-Versicherungen, für die alle 415 deutschen Zulassungsbezirke eingestuft werden, dienen für die Krad-Versicherer lediglich die 38 Regierungsbezirke als Grundlage für die Unterteilung. Über sogenannte Indexwerte wird nun die entsprechende RK-Einstufung vorgenommen. In die Indizes fließen für die Haftpflicht-Regionalklassen die Schadenhäufigkeit und die durchschnittliche Schadenhöhe ein, für die Teilkasko-RK ist es z. B. die Anzahl der Diebstähle oder der Wildunfälle. Ein Indexwert unter 100 bedeutet: weniger Schäden als der bundesdeutsche Schnitt, entsprechend niedrig wird für dieses Gebiet die RK ausgewiesen. Die RK selbst sind beim Motorrad auch deutlich gröber als beim Auto gegliedert. Bei der Haftpflicht gibt es aktuell fünf (Auto: zwölf), bei der Teilkasko acht (Auto: 16).
MOTORRAD-Fazit
Mit 47 unterschiedlichen Versicherungsangeboten fällt unser 2017er-Tarifvergleich so üppig wie lange nicht mehr aus. Aber das heißt noch lange nicht, dass der Motorradfahrer nun die Qual der Wahl hat. Nur vier Motorradversicherungen überzeugen mit einem herausragenden Leistungsangebot und erhalten die Bestnote in Sachen Qualität. Gleichzeitig können diese vier Tarife (Allianz Topschutz, Alte Leipziger Comfort, Ergo Modul Komfort Plus und R+V Police Plus) bei unserem Musterfall auch mit attraktiven Jahresprämien überzeugen. Dagegen zeigen 38 Tarife maximal eine durchschnittliche Leistung.