Am 14. Februar 2020 hat der Bundesrat die Novelle der Straßenverkehrsordnung verabschiedet. Am 27. April 2020 wurde die Novelle im Bundesgesetzblatt (Nr. 19) veröffentlicht, damit trat sie am 28. April 2020 in Kraft. Nach jeder Menge Kritik und einer Online-Petition mit dem Titel "Führerscheinfalle der StVO-Novelle rückgängig machen", bei der bisher über 160.000 Unterschriften gesammelt werden konnten, sollen die Strafen nun wieder herabgesetzt werden. Besonders die schärferen Bestrafungen, die den Verlust des Führerscheins bedeuten, seien viel zu extrem und für manche Menschen sogar existenzgefährdend. Laut Mobil in Deutschland e.V hatte das Saarland bereits gestern Nachmittag damit begonnen, die Strafen herabzusetzen – am Abend folgten dann die Bundesländer Bayern und Niedersachsen. Heute sollen alle übrigen Bundesländer folgen.
Laut Mobil in Deutschland e. V soll bei der Veröffentlichung der Novelle ein Fehler begangen worden sein: "In der Eingangsformel der Verordnung ist die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt. Das muss aber passieren, somit ist die Verordnung nichtig. Dieser Formfehler muss auch schnell korrigiert werden, sonst drohen den Ländern tausende von Verfahren von Autofahrern wegen zu Unrecht zugesendeten Bußgeldbescheiden. Darauf hat der Bundesverkehrsminister die Länder jetzt hingewiesen. Das Saarland, Bayern und Niedersachsen haben daraufhin die StVO-Novelle bereits ausgesetzt." Entsprechend kehrt man in den genannten Bundesländern zum alten Bußgeldkatalog zurück, der bis zum 27. April 2020 gegolten hatte.
Auch Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs und Initiator der Petition "Führerscheinfalle der StVO-Novelle rückgängig machen", zeigte sich in der veröffentlichten Pressemitteilung zufrieden: ""Ich gehe davon aus, dass alle anderen Bundesländer diesem Beispiel jetzt folgen werden. Das ist auch gut so. Neben der Rechtsunsicherheit ist die ganze StVO-Novelle in Summe Murks. Die Bußgelder sind zu hoch, der Führerscheinentzug ist völlig unverhältnismäßig. Daher bin ich sehr zufrieden, dass das jetzt in Gänze geändert wird." Auch das Bundesverkehrsministerium hat die Länder übrigens dazu aufgefordert, ab sofort wieder den alten Strafenkatalog anzuwenden. Zudem möchte das Ministerium bereits in naher Zukunft einen neuen Vorschlag für Änderungen der Straßenverkehrsordnung vorlegen.
Ursprüngliche Änderungen des Bußgeldkatalogs
Ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen wurde in der Novelle zwar abgelehnt, dafür gab es in anderen Bereichen aber relevante Änderungen. So sind die Bußgelder für Geschwindigkeitsüberschreitungen erneut gestiegen. Auch Fahrverbote sind künftig früher fällig. Drohte Fahrern zuvor erst dann ein Fahrverbot, wenn sie zwei mal innerhalb eines Jahres die Geschwindigkeitsbeschränkungen außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 26 km/h überschritten haben, so gehen ab sofort bereits Ersttäter einen Monat lang zu Fuß. Innerorts reicht eine Übertretung um 21 km/h um den Führerschein einen Monat abgeben zu müssen. "(...) Zudem ist die Anordnung von Fahrverboten innerhalb geschlossener Ortschaften einheitlich bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h geboten, (...)", so der Wortlaut auf Seite 32 des Bundesratbeschlusses.
Kritik aus dem eigenen Ministerium
Nach dpa-Informationen (Deutsche Presse-Agentur) arbeitet das Bundesverkehrsministerium seit nur knapp drei Wochen nach Inkrafttreten der neuen Verordnungen bereits an der Überarbeitung eines Teils des Bußgeldkatalogs. Im Fokus steht vor allem die Regel, dass nun schon ein Monat Fahrverbot droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h. Das sei "unverhältnismäßig", hieß es im Ministerium. Mit einer Änderung solle die Akzeptanz bei den Bürgern sowie das "Gerechtigkeitsempfinden" wieder hergestellt werden. Es ist noch nicht bekannt, was im Detail geplant ist. Das Ministerium sei aber bereits auf die Bundesländer zugegangen, um deren Zustimmung für die Umsetzung zu erhalten, hieß es. Die Bundesländer hatten im Bundesrat im Februar Scheuers Vorlage in vielen Punkten allerdings verschärft, unter anderem die Regel zum Fahrverbot für Temposünder. Scheuer hatte die geänderte Verordnung dennoch in Kraft gesetzt, weil er die Novelle sonst ganz hätte zurückziehen müssen, um die Verschärfungen zu verhindern.
Außerorts zu schnell
Für das zu schnelle Fahren außerhalb geschlossener Ortschaften gilt nun folgendes:
- bis 10 km/h: 20 Euro (bislang 10 Euro)
- 11 – 15 km/h: 40 Euro (bislang 20 Euro)
- 16 – 20 km/h: 60 Euro (bislang 30 Euro)
- 21 – 25 km/h: 70 Euro + 1 Punkt
- 26 – 30 km/h: 80 Euro + 1 Punkt + 1 Monat Fahrverbot (bisher kein Fahrverbot)
- 31 – 40 km/h: 120 Euro + 1 Punkt + 1 Monat Fahrverbot
- 41 – 50 km/h: 160 Euro + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot
- 51 – 60 km/h: 240 Euro + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot
- 61 – 70 km/h: 440 Euro + 2 Punkte + 2 Monate Fahrverbot
- über 70 km/h: 600 Euro + 2 Punkte + 3 Monate Fahrverbot
Innerorts zu schnell
Für die Überschreitung der geltenden Höchstgeschwindigkeit innerorts gibt es folgende Änderungen:
- bis 10 km/h: 30 Euro (bislang 15 Euro)
- 11 – 15 km/h: 50 Euro (bislang 25 Euro)
- 16 – 20 km/h: 70 Euro (bislang 35 Euro)
- 21 – 25 km/h: 80 Euro + 1 Punkt + 1 Monat Fahrverbot (bisher kein Fahrverbot)
- 26 – 30 km/h: 100 Euro + 1 Punkt + 1 Monat Fahrverbot (bisher kein Fahrverbot)
- 31 – 40 km/h: 160 Euro + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot
- 41 – 50 km/h: 200 Euro + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot
- 51 – 60 km/h: 280 Euro + 2 Punkte + 2 Monate Fahrverbot
- 61 – 70 km/h: 480 Euro + 2 Punkte + 3 Monate Fahrverbot
- über 70 km/h: 680 Euro + 2 Punkte + 3 Monate Fahrverbot
Punkte für Gehwegparker

Auch das bei Motorradfahrern so beliebte Parken auf Gehsteigen ist deutlich teurer geworden. Das Bußgeld dafür ist von 20 auf 55 Euro angestiegen. Kommt eine Behinderung dazu werden daraus 70 Euro und ein Punkt. So richtig heftig wird’s für Fahrzeuge – und die StVO unterscheidet hier nicht zwischen Autos und Motorrädern –, die länger als eine Stunde auf einem Gehsteig parken. Dann kann das Bußgeld nach der neuen Regelung bis zu 100 Euro kosten und es gibt zusätzlich noch einen Punkt in Flensburg. Konkret heißt es dazu im Beschluss des Bundesrats: "Die Einstufung des Verstoßes erfolgt durch die zuständigen Behörden vor Ort", was u. a. bedeutet, dass die lokalen Behörden Motorräder auf Gehsteigen tolerieren können, es aber nicht müssen.
Durchfahren der Rettungsgasse
Wer keine Rettungsgasse bildet, zahlte früher 200 Euro Bußgeld und kassierte zwei Punkte in Flensburg. Ab sofort wird es auch noch einen Monat Fahrverbot geben. Deutlich härter werden vor allem Fahrer bestraft, die durch die Rettungsgasse fahren oder sich an Einsatzfahrzeuge dranhängen: dann drohen mindestens 240 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
Fazit
Die vielen kritischen Äußerungen und die erfolgreiche Online-Petition haben Früchte getragen. In drei Bundesländern wurde die Verschärfung der Strafen am 2. Juli bereits rückgängig gemacht. Einen Tag später sollen alle anderen Bundesländer folgen.