Werkstatt - Schraubertipp für die Inspektion
Inspektion nach der Garantie selbst durchführen

Nach der Garantiezeit kann die Inspektion auch selbst durchgeführt werden: Wir verraten euch einige Tipps und Tricks zu Ölwechsel, Ventileinstellung, Bremsen und Co.

Alles unter Kontrolle - Die Inspektion
Foto: Ralf Petersen

Jedes Motorrad muss, wenn es problemlos funktionieren soll, regelmäßig gewartet werden. Die Hersteller haben zu diesem Zweck Inspektionen vorgeschrieben, die in bestimmten Intervallen durchgeführt werden müssen. Während der Garantiezeit führt eigentlich kein Weg an dieser Regelung vorbei. Nach Ablauf der Garantie kann aber jeder selbst entscheiden, ob, wann und wie er seine Maschine warten möchte.

Große und kleine Inspektion

Man unterscheidet zwischen kleiner und großer Inspektion. Die früher üblichen Intervalle von 6.000 km für die kleine und 12.000 für die große Inspektion sind bei modernen Maschinen teilweise schon erweitert worden. Allerdings soll die Maschine unabhängig von der Laufleistung mindestens einmal jährlich in die Werkstatt. Die Kosten einer Inspektion richten sich nach der dafür nötigen Arbeitszeit plus Ersatzteile. Je komplexer eine Maschine (bspw. hinsichtlich der Ventilbetätigung), umso höher die Kosten. Zwischen den Inspektionskosten einer Yamaha SR 500 und einer Ducati Panigale liegen daher nachvollziehbar Welten.

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Eine kleine Inspektion ist kein Hexenwerk. Wer sich einen entsprechenden Inspektionsplan anschaut, wird oft lediglich die Kontrolle von Kupplungsspiel, Kerzen, Luftfilter, Bremsbelägen etc. finden, und zwar nur eine einfache Prüfung bzw. Sichtkontrolle. Ein technisch einigermaßen versierter Motorradfahrer kann das eigentlich auch selbst erledigen. Im Gegensatz zur kleinen verlangt eine große Inspektion allerdings eine gewisse Erfahrung und oft auch entsprechendes (Spezial-)Werkzeug. In bestimmten Abständen müssen zudem besondere Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Meist werden Flüssigkeiten gewechselt (Kühl- oder Bremsflüssigkeit, Motor-, Kardan-/Getriebe- oder Telegabelöl; hier liefert der Wartungsplan die Infos). Da manche Motorradfahrer aber die entsprechenden Kilometer-Leistungen erst nach einigen Jahren erreichen, gibt es auch hier immer eine zeitabhängige Wartung (z. B. Gabelöl-Wechsel drei Jahre/30.000 km). Bleibt am Ende die Aufgabe, eine "gute" Werkstatt zu finden. Infos bekommt man darüber in Internet-Foren, bei regionalen Treffen etc.

Do it yourself oder nicht?

Nach der Garantiezeit besteht die Möglichkeit, in Absprache mit der (freien) Werkstatt nur bestimmte Wartungsarbeiten machen zu lassen, Öl oder Teile selbst zu besorgen sowie die einfachen Sachen selbst zu erledigen. Wer sich dazu entschließt oder sogar die komplette Inspektion selbst durchführen möchte, sollte dies mit Planung, in Etappen und ohne Zeitstress tun. So lassen sich z.B. die Arbeiten problemlos auf mehrere Tage verteilen. Das ist auch durchaus sinnvoll, da bestimmte Arbeiten bei warmem bzw. kaltem Motor durchgeführt werden müssen. Vorher empfiehlt sich das gründliche Studium der Reparaturanleitung, und auch viele Youtube-Videos sind oft hilfreich. Bei jedem Arbeitsgang legt man die entfernten Teile der Reihe nach ab, dann klappt es später auch mit dem Zusammenbau. Praktisch sind Magnetschalen, die das Herumrollen von Schrauben und Kleinteilen verhindern, sowie Dichtungssortimente für O-Ringe oder Metalldichtungen (gibt es z. B. bei Polo/Louis).

Vorarbeiten

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Störende Teile sollten abgebaut werden.

Unverzichtbar ist ein sicherer Stand (Haupt-/Montageständer). Um überhaupt Wartungsarbeiten durchführen zu können, muss man oft diverse Teile abbauen. Sitzbank, Seitendeckel und Tank sind das Minimum. Der Tank hat in der Regel eine ganze Reihe von Schläuchen, die man vorsichtig entfernt und für den späteren Zusammenbau kennzeichnet. Wer häufiger schraubt, für den sind (so weit möglich) Schnellverbinder für die Benzinleitung eine gute Investition.

Ölwechsel

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Das Öl sollte regelmäßig gewechselt werden.

Öl muss regelmäßig gewechselt werden, entweder nach einer bestimmten Laufleistung oder nach einer bestimmten Zeit. Sinnvoll sind eigentlich 12.000 km bzw. alle zwei Jahre. Bei jedem Wechsel sollten auch Ölfilter und Dichtung getauscht werden. Wichtig beim Ölwechsel ist die richtige Temperatur. Der Motor sollte warm gefahren sein (ca. 15 km Fahrstrecke/80 Grad/Schutzhandschuh!). Dann wird das Öl möglichst zügig gewechselt.

Abschmieren

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Im Prinzip müssen alle bewegbaren Teile geschmiert werden.

Jede Maschine hat einen Schmier- und Wartungsplan, dem man entnehmen kann, welche Stellen geschmiert werden müssen wie beispielsweise Hebel, die nicht beschichteten Stellen der Innenzüge, Ständer, im Prinzip alle beweglichen Teile. Gut zugängliche Punkte werden mit Fett, weniger gut zugängliche mit sauberem Motorenöl per Ölkännchen oder mit Ballistol geschmiert.

Nachziehen von Schrauben und Verbindungen

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Ralf Petersen
Ein elektronischer Drehmoment-Adapter vereinfacht die Arbeit vor allem für Anfänger.

Vorgesehen ist auch die Prüfung des korrekten Anzugmoments wichtiger Schrauben und Muttern. Die für Motorräder typischen Vibrationen führen nämlich dazu, dass sich schnell etwas lockert. Neben den Angaben zum passenden Drehmoment braucht man dafür auch entsprechendes Werkzeug. Entweder einen Drehmomentschlüssel oder einen Adapter. Für Anfänger perfekt geeignet ist der Racefoxx-Drehmoment-Adapter, mit dem eine normale Ratsche zu einem Präzisionsdrehmomentschlüssel (von 0–200 Nm) wird. Hat man sich mit der Bedienung vertraut gemacht, stellt man das Drehmoment ein und zieht bis zum Signalton an. Praktisch ist auch, dass man bis zu zehn verschiedene Drehmoment-Einstellungen speichern kann.

Bremsen

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Das Reinigen der Bremszangen gehört ebenfalls dazu.

Laut Wartungsplan müssen sie eigentlich nur auf Verschleiß kontrolliert werden. Je nach Bauart (z. B. bei Schwimmsattelbremsen) sind die Beläge aber nicht immer gut sichtbar. Ich demontiere deshalb grundsätzlich die Zangen, reinige die Kolben und schmiere eventuell vorhandene Gleitbolzen. So vermeidet man die typischen Standschäden. Beim Bremsflüssigkeitswechsel richtet man sich vor allem bei ABS-Systemen nach den Vorgaben der Hersteller. Ein (teurer) Werkstattbesuch ist dann oft unvermeidbar.

Luftfilter

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Die Luftfilterkontrolle ist relativ einfach.

Er wird auf Verschmutzung geprüft und gegebenenfalls gewechselt, oft gibt es dafür auch empfohlene Intervalle. Die Airbox ist meist gut zugänglich, die Prüfung simpel. Bei der Gelegenheit kontrolliert man auch Ansaugstutzen und Gummischläuche auf Alterung und Risse.

Kerzen

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Das Kerzenbild sollte geprüft werden.

Möglichst nur bei kaltem Motor ausbauen. Prüfung auf Kerzenbild (bei grauer bis hellbrauner Verfärbung des Isolators und der Elektrode ist die Verbrennung in Ordnung) und korrektem Elektrodenabstand (Fahrzeughandbuch). Bei rund gebrannten Kanten oder zu großem Abstand sind die Kerzen verschlissen. Mit der Hand und viel Gefühl vorsichtig einschrauben und mit dem richtigen Drehmoment (oft nur 10–30 Nm!) anziehen.

Ventilspiel-Kontrolle und Drosselklappen-Synchronisation

Für beide Wartungsarbeiten sind sowohl Erfahrung als auch (Spezial-)Werkzeug, Tester etc. nötig. Wird das Ventilspiel verändert, muss danach auch die Synchronisation überprüft werden.

Ventilspiel: Die Ventilspiel-Einstellung gilt gemeinhin als sehr schwierig. Hat man das Prinzip aber erst einmal verstanden, ist es jedoch recht simpel. Es wird immer bei kaltem Motor geprüft. Das erste Problem ist die Zugänglichkeit. Um überhaupt an die Ventile zu gelangen, muss der Zylinderkopfdeckel demontiert und dazu gegebenenfalls das halbe Motorrad zerlegt werden. Das zweite Problem besteht darin, die richtige Position zur Prüfung bzw. Einstellung der Ventile zu finden. Nach dem Entfernen eines oder mehrerer kleinerer Deckel lässt sich die Kurbelwelle meist mit einer Ratsche und passender Nuss drehen (alternativ durch Drehen des Hinterrads mit eingelegtem Gang), und man hat einen Blick auf das Polrad mit den entsprechenden Markierungen für den oberen Totpunkt (OT).

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Der Zugang zu den Ventilen ist schwierig zu erreichen.

Aber nur, wer das System eines Viertaktmotors verstanden hat, kann damit arbeiten, denn der Arbeitszyklus besteht aus vier Takten und damit zwei kompletten Kurbelwellenumdrehungen. Man muss also nicht nur die OT-Markierung, sondern auch die Ventile beobachten, um den richtigen Takt zum Einstellen zu finden (Verdichtungstakt – alle Ventile sind im OT geschlossen). Und das für jeden Zylinder. Bei einer VFR 400 gibt es beispielsweise vier verschiedene Markierungen.

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Die Kennzeichnung der OT-Position kann teilweise verwirrend sein.

Hat man zur Korrektur des Ventilspiels Einstellschrauben (egal ob Kipp- oder Schlepphebel), dann braucht man neben einer passenden Fühlerlehre nur Geduld und etwas Fingerspitzengefühl. Bei Tassenstößeln mit Einstellplättchen (sogenannten Shims) muss man sich die passenden Shims besorgen, und auch der Wechsel ist oft kompliziert. Schlimmstenfalls müssen sogar die Nockenwellen ausgebaut werden – das bleibt Spezialisten vorbehalten. Ob das Spiel korrekt ist und überhaupt korrigiert werden muss, kann man aber bei beiden Varianten selbst prüfen, indem man den vorgegebenen Abstand mithilfe einer Fühlerlehre misst, die "saugend" zwischen Ventil und Kipp-/Schlepphebel bzw. Nocken gleiten muss. Klingt extrem kompliziert, aber wenn man es mal gesehen bzw. probiert hat, geht das leicht von der Hand.

Drosselklappen-Synchronisierung (Vergaser und Einspritzer): Nur wenn alle Drosselklappen gleichmäßig arbeiten, bekommen alle Zylinder die gleiche Menge Frischgas und stimmen Laufruhe, Ansprechverhalten und Verbrauch. Synchronisieren muss man nur Motoren mit mindestens zwei Drosselklappen und mindestens zwei Zylindern. Dazu braucht man die Vorgaben des Herstellers bezüglich der Drehzahl (1.300–2.000 U/min) und Vorgehensweise, Schläuche/Adapter und ein Messgerät. Das können klassische Unterdruck-Uhren sein oder elektronische Messgeräte, z. B. Synx (sparsame Schrauber könne sich so etwas sogar selbst bauen – Anleitung findet man im Netz). Geprüft wird bei warm gefahrenem Motor (80 Grad). Da der Motor zum Einstellen laufen muss, unbedingt für ausreichende Belüftung sorgen. Die Maschine am besten vor die Garage stellen. Meist muss man den Tank abbauen, um an die Einstellschrauben der Drosselklappen zu gelangen.

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Die Drosselklappen müssen synchron arbeiten.

Da der Motor aber zum Laufen Benzin braucht, muss man für eine entsprechende Zufuhr sorgen. Entweder durch eine Zuleitung zum Tank oder eine Benzinflasche. Liegen die Vergaser bzw. die Einspritzanlage frei, werden bei der Gelegenheit bewegliche Teile geschmiert und Schläuche und Gummis auf Risse oder Beschädigungen kontrolliert. Zwischen Drosselklappe und Ansaugkanal jedes Zylinders befinden sich entweder schon Adapter mit aufgesteckten Gummikappen oder Schrauben, die erst entfernt und dann durch Adapter ersetzt werden. Nach der Montage der Schläuche des Messgeräts kann man daraufhin bei laufendem Motor den Unterdruck messen. Reguliert werden die Drosselklappen über Einstellschrauben. Eine Drosselklappe ist fest, die anderen beweglich. Das eigentliche Einstellen ist simpel. Durch Drehen der Einstellschrauben verändert sich die Stellung der Drosselklappen und damit die Frischgaszufuhr. Mithilfe des Messgeräts und mit Ruhe und Gefühl ist auch das keine Hexerei. Ist am Ende wieder alles zusammengebaut, sollte man mit einer vorsichtigen Probefahrt (am besten nur um den Block) beginnen und alle Funktionen überprüfen.

Fazit

Um die Inspektion selbst durchzuführen, braucht man zum Teil durchaus handwerkliches Geschick. Vor allem die Ventilspiel-Kontrolle und die Drosselklappen-Synchronisation können als Königsdisziplin bezeichnet werden.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023