Motorradtour Costa Brava und Pyrenäen: Küste, Berge, Vulkanlandschaften

Motorradtour zwischen Costa Brava und Pyrenäen
Mittelmeersonne und ein Zückerchen von Straße

Veröffentlicht am 18.04.2025

Das Klicken der Helmsprechanlage durchbricht das sonore Summen aus Zweizylindersound und Windgeräusch. "Wir biegen da vorne links ab", sage ich Diana, die vor mir herfährt. "Wo? Dort den Berg hinauf?" "Ja genau!" Blinker links, dann schießt sie regelrecht die Rampe hoch. Unter uns bleibt die Nationalstraße 260 mit ihren Wohnmobilen und Wochenendausflüglern zurück. Aber wir sind immer noch auf der Nationalstraße. Ihrem alten Teil. Den hat man zwar abgeklemmt, aber nicht dichtgemacht. Deshalb schweben wir jetzt mutterseelenallein und hoch über der ultramarinblauen Costa Brava mit freier Sicht bis Korsika. Ganz so alleine sind wir allerdings doch nicht. Kein Wunder: Dieser Geheimtipp bleibt natürlich nicht allen verborgen.

Ein Zückerchen von Straße

In der Serpentine an der Punta de l’Escala schrauben drei Franzosen mit ihren Hyper-Nakeds die Kurven rauf und runter. Wer will es ihnen verdenken? Ist ja nix los hier. Außer praller Aussicht unter der Mittelmeersonne und einem Zückerchen von Straße. "Wenn wir noch vor Sonnenuntergang bei Olli und Miri sein wollen, müssen wir uns langsam sputen", funkt mir Diana ins Ohr. Langsam sputen! Ich mag diese Wortkombination!

In Le Boulou haben wir zu Ende gesputet. Das Tor zur Hofeinfahrt ist bereits für uns geöffnet, und als Olli aus dem Haus tritt, ist es so, als hätten wir uns vor zwei Wochen zuletzt gesehen. Eine unbekümmerte Herzlichkeit macht sich sofort breit, wie es sie nur bei Leuten gibt, die gut miteinander auskommen. Freunde eben. Abendessen, Gemurmel, Gelächter. Inmitten all der Storys und Histörchen platzt es aus Diana raus: "Ich glaube, morgen ist für mich kein Fahrtag." Olli grinst verstohlen: "Dann könnten wir doch zusammen fahren." – "Ja klar! Was ist eigentlich mit Thierry und Raoul?

Endloser Verkehr: Andorras Hauptstadt La Vella

Es gibt eigentlich wenig Gründe, nach Andorra zu fahren. Abgesehen von den Bergen rings um den Zwergstaat herum. Von den supersmoothen Straßen nicht zu reden. Und wenn man sich in der Nähe verabredet hat. Schon ab dem Col de Pailhères schrubben vor uns meine Dauerreisefreunde Raoul und Thierry über den tiefschwarzen Asphalt. Olli und ich hinterher. Wir sind eine Art fast fliegender Konvoi, jeder kann sich auf den anderen verlassen. Raoul hält am Bouleplatz von Ax-les-Thermes an. Die vier Männer mit den Boule-Kugeln in der Hand nehmen keine Notiz von uns. Raoul klappt das Visier hoch und blickt mich fragend an: "Links oder rechts?" – "Links."

Tunnel sind eine herrliche Sache! So wie die N 260 teilweise durch Tunnel läuft und daher die alte Nationalstraße quasi verkehrsfrei ist, so saugt auch der Tunnel d’Envalira fast allen Verkehr auf. Wir entgehen dem Schnorchel und biegen zum Pas de la Casa ab. Einst für viel mehr Traffic gebaut, ist er jetzt zu einer Carrera-Bahn mit wenigen Mitspielern geworden. Vor mir sehe ich, wie Thierrys Stiefelspitzen nach dem Kehrenasphalt tasten. Raoul klemmt seitlich versetzt an ihm dran. Top Gun auf Motorrädern. Und Platz ist allemal genug da. Aber kein Licht ohne Schatten: Mit dem Einschwenken auf die Hauptroute jenseits des Envalira-Tunnels ist der Spaß vorbei. Mehr noch: Das Geschiebe durch La Vella, die andorranische Hauptstadt mit ihren Einkaufsmeilen, hat das Zeug zum Miesmacher. "Gibt’s denn hier keine Alternative?" – "Nur wenn wir alle auf Enduros säßen."– "Dann Augen zu und durch!"

Endloses Kurvenlabyrinth Richtung Osten

Durch sind wir im wahrsten Sinn, als wir La Seu d’Urgell, den Bischofssitz auf spanischer Seite, erreichen. Doch eine Entschädigung für das eben Erfahrene folgt auf dem Fuß. In einem scheinbar endlosen Kurvenlabyrinth schraubt sich unsere Straße nach Osten. Mit jeder Richtungsänderung kommt Feierlaune auf. Vielleicht hätte ich im Einkaufsparadies noch nach frischen Reifen schauen sollen? Kaffeestopp in Ripoll. Rund um den Rathausplatz sind Sonnenschirme aufgespannt. Überall weht die rot-gelbe katalanische Flagge. "Das mit der missglückten Unabhängigkeit wurmt scheinbar doch viele." "Das glaube ich auch. Hast du die gelben Schleifen gesehen, die überall auf die Straßen gepinselt sind?" – "Stammen die auch von der Unabhängigkeitsbewegung?" – "Ja. Und wohin bewegen wir uns jetzt?" "Zu den Vulkanen."

Vulkanlandschaften im Garrotxa-Naturpark

Kiefern- und Eichenstämme flirren im strahlenden Sonnenlicht vorbei. Die rund 40 Vulkane des Garrotxa-Naturparks können wir, ähnlich wie bei den Eifelvulkanen, oft nur erahnen. Mittelmeerküste, Hochgebirge, Vulkanlandschaft. Ich glaube, ich könnte ewig hier unterwegs sein. Meine Gedanken machen sich auf einen eigenen Weg und fast hätte ich übersehen, dass die beiden vor mir nach rechts abbiegen. Hä, wo sind wir? Ich habe komplett die Orientierung verloren.

Hilfesuchend blicke ich zu Olli. Der deutet ins Tal. Ah, da, die Brücke von Besalú. Jetzt weiß ich wieder. Die Pont Vell kann man nicht mehr vergessen, wenn man sie einmal gesehen hat. Sie führt durch Wachtürme hindurch und quert mit mehreren Bögen, die über Eck laufen, den Rio Fluvià. Das Ding habe ich schon zigmal fotografiert. Aber da das beste Bild ja nie gemacht wird, lade ich die Erinnerung an dieses einmalige Bauwerk erneut auf die Speicherkarte. Wieso strahlen diese alten Orte eigentlich immer so eine Behaglichkeit aus? Sind unsere modernen Orte zu kalt geraten?

Punta de l’Escala: Berge und Mittelmeer

"Sollen wir ab Figueres die Autobahn nehmen?" Ich glaube, ich habe mich verhört und sehe so verstört aus, dass Thierry sofort mit einem breiten Grinsen einlenkt: "War nur Spaß!" Die Strecke war ich zwar gerade erst mit Diana gefahren. Aber so ist das mit Hausstrecken. Es geht nicht um das "Wie oft". Es geht ums "Das". Wir stoppen in der Kehre über der Punta de l’Escala, saugen alles in uns hinein. Sonne, Berge, weiße Segel auf dem Blau des Mittelmeers, die knisternden Motoren. Das Surren einer Fliege und das tief unter uns tönende leise Branden der Wellen.