Sächsische Schweiz

Sächsische Schweiz
Entdeckungen im Nahen Osten

Veröffentlicht am 01.01.2004
Entdeckungen im Nahen Osten
Foto: Fischer

Mit klammen Fingern öffne ich den Verschluss meiner Thermoskanne. Zischend steigt der Dampf des heißen Kaffees auf und vermischt sich mit dem Nebel, der alles mit seinen kalten Schwaden überzieht. Nichts erinnert an die fantastische Aussicht, die man bei klarem Wetter genießt.

Noch liegt der Bastei-Felsen in unwirklicher Stille, aber in ein oder zwei Stunden werden die Stimmen der Touristen von den Felswänden widerhallen und sie zum meistbesuchten Ort der Sächsischen Schweiz machen. Tief unten versteckt sich eine weitere Attraktion, das Freilichttheater »Felsenbühne Rathen«. Wirklich ein herrliches Fleckchen Natur, unvermutet nah bei Dresden.

Wer zum ersten Mal hierher kommt, vermag kaum zu glauben, wie viele kurvenreiche Straßen und Sträßchen sich durch die Sächsische Schweiz winden. Und jetzt im Winter gehören einem diese Wege praktisch ganz allein. Kaum andere Besucher und nur eine Hand voll Reisebusse am Tag. Dafür kriecht schon während der ersten Kilometer die Kälte unter die Kombi, und bis zur Hocksteinschänke, die sich am ehemaligen »Großdeutschlandring« befindet, klappern Jörg und mir ganz schön die Zähne. Das fast schon alpine Fahrvergnügen auf dieser ziemlich in Vergessenheit geratenen Rennstrecke hinab ins Polenztal sorgt allerdings schnell wieder für feuchtwarme Hände. Ein Traum, dieser Kurvenwirrwarr. Allerdings nicht an den Wochenenden – an denen ist der Abschnitt, der sich durchs Tal bis zum Örtchen Heeselicht erstreckt, für Motorräder gesperrt. Zu viele Unfälle in den Zeiten nach der Wende. In der gleichen verführerischen Art führt die Straße aus dem Tal hinaus zum Städtchen Hohnstein. Äußerst verwinkelt kleben die alten Fachwerkhäuser an den Hängen. Nichts scheint hier waagerecht zu sein. Über allem thront malerisch die kleine Burg.

Wir halten uns in Richtung Elbe. Ab und an verläuft die Strecke oberhalb der Nebelgrenze. Dann sorgen die schwarzen Umrisse der Tafelberge, die die weiße Masse durchstoßen, für eine imposante Kulisse. Eine solche Wetterlage muss wohl einst Caspar David Friedrich zu seinem Bild »Wanderer über dem Nebelmeer« inspiriert haben.

Eine Weile später lichtet sich der Dunst, die eigentümliche Landschaft, die einst von Flüssen geschaffen wurde, die sich tief in die Sandsteinplatte gefräst haben, wird endlich sichtbar. Schmale Wege schlängeln sich durch enge Schluchten, senkrecht aufragende Sandsteinwände rücken bedrohlich nah an den Fahrbahnrand. Über manche weniger steilen Hänge liegen gewaltige, mit Gras und Moos bedeckte Felsbrocken verstreut, so, als hätte vor langer Zeit ein Riesenbaby seine Bauklötze in der Landschaft verteilt.

Kurz darauf gelangen wir ins Elbtal, folgen einige Kilometer der Straße, die zur tschechischen Grenze führt. Braun und träge fließt der Fluss in seinem Bett dahin, verkörpert die Ruhe schlechthin. In Bad Schandau kehren wir der Elbe schon wieder den Rücken, biegen ins romantische Kirnitzschtal ab, wo wir uns die schmale, gepflasterte Straße nur mit einer uralten Straßenbahn teilen müssen. Quietschend zuckeln die historischen Triebwagen bis zum Lichtenhainer Wasserfall und schütteln die Passagiere auf den Holzbänken kräftig durch.

Deutlich bequemer sitzend, erreichen wir Hinterhermsdorf, ein äußerst idyllisch gelegenes Dörfchen, das mit seinen aus dem 17. Jahrhundert stammenden Häusern inzwischen komplett unter Denkmalschutz steht. Am nahen Ufer der Kirnitzsch steigen wir von den Motorrädern in ein kleines Boot um und lassen uns durch eine enge Klamm treiben. Dunkle Felsen ragen steil empor, Bäume krallen sich an die Wände, ausgewaschene Sandsteine schneiden Grimassen, und auf dem Moos glitzern Wassertropfen – eine faszinierende wie unheimliche Szenerie.

Gelassen bummeln wir auf unseren Maschinen zurück in Richtung Elbe, überqueren den Fluss und gelangen nach Königstein. Schon von weitem ist die mächtige Festung auszumachen, die hoch über der Stadt errichtet wurde. Der Ausblick von dort oben ist einfach genial, reicht über die Hochebenen bis zu den Tafelbergen. Am eindrucksvollsten wirkt der Blick zum Lilienstein, den die Elbe in einer großen Schleife fast kreisförmig umschließt. Früher wurde der natürlichen Erosion mit Kanonenkugeln nachgeholfen, als man von der Festung aus Zielschießen in das Massiv des Liliensteins veranstaltete. Gebannt schauen wir hinüber, während ein Falke durch die Luft gleitet. Er blickt ebenso gebannt, jedoch nicht zu uns, sondern nach unten, in der Hoffnung, eine unvorsichtige Maus zu erspähen.

Wir bleiben südlich der Elbe, lassen die Motorräder einfach hin und her schwingen, peilen schließlich den Pfaffenstein mit der berühmten Felsnadel Barbarine an, rauschen weiter nach Langenhennersdorf. Erstklassig, diese Strecke. Aber richtig kalt ist’s inzwischen geworden; am Nachmittag hat die Sonne eben kaum noch Kraft. Trotzdem entscheiden wir uns noch für einen kurzen Spaziergang im nahen »Labyrinth«, einer aus gutem Grund so bezeichneten Felsenlandschaft. Gewaltige Steinblöcke, mal quer liegend, mal übereinander getürmt oder wahllos geschichtet ergeben ein interessantes Durcheinander. Wir klettern Stiegen hinauf, kriechen durch Tunnel und sind froh über die Motorradklamotten: Gleich mehrmals müssen wir über blanken Fels steil abwärts rutschen. Wir fühlen uns wie Kinder auf einem überdimensionalen Abenteuerspielplatz.

Leider wird es allmählich Zeit, die Heimfahrt anzutreten. Über die B 172 gelangen wir zum nächsten Elbbogen und auf der Höhe von Wehlen mit einer kleinen Fähre zur gegenüberliegenden Uferseite, steuern die Motorräder in Richtung Pirna. Ein letztes Mal zeigt sich uns in den Rückspiegeln die markante Sandsteinkulisse: schroff und unverkennbar der Lilienstein, breit der Königsstein mit der nun beleuchteten Festung und weiter hinten im Dunst all die weiteren Tafelberge.

Das Ortsschild von Pirna huscht vorbei. Eigentlich ist der Ort das Tor zur Sächsischen Schweiz, für uns bedeutet er heute das Ende dieser außergewöhnlichen Tour. Langsam tuckern wir durch die verwinkelte Altstadt. Nur ein paar dick vermummte Gestalten hetzen über die Bürgersteige, die einen schütteln beim Anblick von zwei Motorradfahrern die Köpfe, die anderen nicken uns anerkennend zu. Motorradfahren in der kalten Jahreszeit ist eben eine besondere Sache.

Infos - Sächsische Schweiz

Das Elbsandsteingebirge ist eine wahrlich einzigartige Landschaft in Deutschland. Neben tollen Strecken finden sich hier rund 1100  Gipfel, die bestiegen werden können, sowie ein 1200 Kilometer langes Netz von Wanderwegen.

DAnreiseVon Dresden gelangt man auf der B 172 über Heidenau und Pirna direkt ins Reich der Steine. Weitaus attraktiver als die oft staugeplagte Hauptstrecke erweisen sich die zahlreichen, teilweise recht kurvigen Nebenstraßen.DübernachtenIn praktisch jedem Ort finden sich Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen oder Privatzimmer. Der Tipp: Zimmer in Landgasthöfen sind oftmals sehr günstig und gefallen wegen ihrer familiären Atmosphäre und guter Küche. Folgende Adressen sind besonders empfehlenswert: Gasthof und Pension »Ziegelscheune«, Elbweg 22, Krippen, Telefon 035028/80437, pro Person ab 21 Euro; Gasthof und Pension »Zum Erbgericht Heeselicht«, Am Markt 8, Heeselicht, pro Person ab 19 Euro bei zwei Übernachtungen, Telefon 035973/2290; Hotel »Neue Schänke«, Am Königstein 3, Königstein, Telefon 035021/99960, pro Person ab 35 Euro, www.neue-schaenke.de; Gasthof »Hocksteinschänke«, Am Hockstein 1, Hohnstein/Rathewalde, Telefon 035975/81342, pro Person ab 26 Euro, www.hocksteinschaenke.de; sowie Hotel »Zur Aussicht«, Am Bergborn 7, Hohnstein, Telefon 035975/87000, pro Person ab 46 Euro, www.hotel-zur-aussicht.de. Weitere Adressen und praktische Tipps liefert der Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V., Am Bahnhof 6, 01418 Bad Schandau, Telefon 035022/4950, www.saechsische-schweiz.de.Infos über die im Text erwähnte Bootsfahrt liefert die Touristinformation in Hinterhermsdorf, Telefon 035974/5210. DLiteraturDer Buchhandel hält eine schier unüberschaubare Menge an Reiseführern über diese Region bereit, egal, ob man klettern, wandern oder Rad fahren möchte. Viele Streckentipps, die sich in diesen Büchern finden, eignen sich natürlich ebenso hervorragend für Motorradfahrer. Einen prima Überblick verschafft der HB-Bildatlas »Dresden und Sächische Schweiz« für 8,50 Euro.Eine gute Straßenkarte ist unerlässlich. Die einzelnen Blätter der General Karte von Mairs Geographischer Verlag im Maßstab von 1:200000 eignen sich für Motorradtouren in Deutschland besonders gut; für einen Trip in die beschriebene Region Blatt 11 »Chemnitz, Dresden und Erzgebirge« in den Tankrucksack stecken.