Ducati Panigale V2 S Top-Test: 35 PS weniger, aber schneller

Ducati Panigale V2 S im Top-Test
35 PS weniger, trotzdem schneller

ArtikeldatumVeröffentlicht am 10.10.2025
Als Favorit speichern

Mit der Einführung der Euro-5+-Zulassungsnorm entschieden sich die Italiener dazu, aus zwei V2 im Programm einen zu machen. So tragen aktuell Multistrada V2, Streetfighter V2 und eben die neue Panigale V2 denselben Motor. Weitere Modelle wie die Monster folgen.

Den neuen V2 baut Ducati allerdings in zwei Versionen. Die forschere Variante mit 120 PS besitzen die neuen Streetfighter- und Panigale-Typen, eine etwas leistungsreduzierte Auslegung mit 115 PS die neue Multistrada V2. Deren Aggregat verfügt zudem über eine stärkere Lichtmaschine, um einen höheren Strombedarf abzudecken, sowie über kürzer übersetzte Gänge eins und zwei – für mehr Antrittsstärke mit Gepäck oder Sozius.

Darauf verzichtet die neue Ducati Panigale V2 als S-Version großzügig, vor allem, was die Aspekte Mitfahrer und Extra-Kilos betrifft. Lasten aufladen? Bitte nicht. Aus dem Duc-Werk rollt sie als reines Solistenwerkzeug. Wer partout zu zweit unterwegs sein will: Einen Soziuskit gibt’s im Ducati-Zubehör. Das erklärt auch, warum der neue V2-Sportler unter den Kriterien der 1.000-Punkte-Wertung, die einen Sozius mitberücksichtigen, keine Zähler erhält.

Neue Ducati Panigale V2 S mit 35 PS weniger

Zu den harten Fakten: Der Motor kommt ohne Desmodromik – aber mit Intake Variable Timing (IVT), bei dem per elektronischer Steuerung ein Aktuator am Ende der Einlassnockenwellen die Steuerzeiten je nach Drehzahl variiert. Das Versprechen: fülliges Drehmoment unten heraus, starke Mitte und viel Schmalz im Drehzahlhimmel. Klingt gut, nur bringt die neue Ducati Panigale V2 S nur noch 890 Kubik mit, erreicht mit 120 PS und 93 Nm ihre Maximalwerte. Allein bei der Power ist das ein Minus von 35 PS im Vergleich zur Vorgängerin. Da hilft doch die ganze Technik nicht weiter – oder?

Doch, und wie! Direkt zu den Messwerten: Ganz oben raus, wenn der Spurt Richtung Tempo 200 gefordert ist, drückt die alte Panigale, die beim Top-Test mitlief, ihre schicke Nase knapp vor die junge Nachfolgerin. Dort liefert ihre Mehrleistung das passende Stammtisch-Argument fürs bessere Abschneiden. Allerdings nur im Zusammenspiel mit der Übersetzung. Bis 100 km/h bedarf’s auf der neuen Ducati Panigale V2 S wegen der kürzeren Übersetzung einen Schaltvorgang mehr als bei der Vorgängerin. Die 200er-Marke erreicht die neue V2-Sportlerin in Gang fünf, zuvor reichte Stufe vier aus. Gerade bei hohem Speed, bei dem der Windwiderstand massiv steigt, genügt der Extra-Schaltvorgang, um am Ende schlechtere Werte aufs Papier zu bringen. Wer also Hockenheims alten Waldgeraden hinterhertrauert oder an Mugello einzig die Startgerade liebt, bleibt besser der Superquadro-Pani treu.

Panigale V2 S kann jetzt auch Alltag

Alle anderen sollten dagegen – sofern das eigene Herz freudig erregt hüpft, sobald ein V2-Sportler ins Blickfeld gerät – die neue Ducati Panigale V2 S genauer in Augenschein nehmen. Um bei den Fahrleistungen zu bleiben: Bei den Durchzugsmessungen schlägt Neu sehr souverän Alt. Was schlussendlich bedeutet, dass der V2-Sportler jetzt auch Alltag kann und will. Mit klarem Stakkato-Sound, der schaurig-schön das Trommelfell beehrt und nie aufdringlich-nervig ausfällt, schiebt der 2025er-V2-Sportler schon ab 2.300 Umdrehung manierlich voran. Bei dieser Drehzahl peitscht die Vorgängerin nur lustlos mit der Kette, schlagen ihre fetten 100er-Kolben bei jeder Zündung auf die Kurbelwelle ein wie ein voller Maßkrug, der zu schwungvoll auf dem Bierzelttisch landet.

Viel gesitteter huschen dagegen die 96er-Kolben der neuen Ducati Panigale V2 S durch ihre Zylinderlaufbuchsen aus Alu, legen dabei 61,5 Millimeter Weg zurück und schrecken selbst vor ödem Gezuckel innerorts nicht zurück. Tempo 40 im vierten Gang? Da ist die neue Panigale V2 dabei. Bei 50 km/h folgt dann per Blipper (wie zuvor serienmäßig) der nächste Gang, 10 km/h später darf’s schon der sechste sein. Bei gleichen Bedingungen mimt die ältere Panigale V2 den Rabauken. Sie braucht viel Einsatz an der früher wie heute mittlere Handkräfte erfordernden Kupplung mit Top-Dosierbarkeit, um das stotternde V2-Herz bei niedrigen Touren zu beruhigen. Alltag? Das war nie ihre Stärke.

Überarbeitete Ergonomie

Auch deshalb, weil die unter der oberen Gabelbrücke angeklemmten Stummel starke Arme und einen leidensfähigen Nacken erfordern, um den Blick weit nach vorn zu werfen. Zarte zwei Zentimeter trennen Lenker und Sitz in der Höhe. Ganz anders geht Ducati das Thema Ergonomie bei der neuen Ducati Panigale V2 S an. Wie schon zuvor, bleibt’s zwar bei 40 Zentimetern Abstand zwischen Platz und Rasten, was selbst langen Zeitgenossen einen aushaltbaren Kniewinkel beschert, ab der Hüfte aufwärts stehen die Zeichen aber auf Sportler-Wohlfühlprogramm. Die an der oberen Gabelbrücke verschraubten Stummel der neuen Ducati Panigale V2 S überragen diese sogar zart und befinden sich dadurch fast zehn Zentimeter überm Sitz.

Zudem hat Ducati die Lenkerhälften weit ausgestellt. Im Vergleich: Bei der Vorgänger-Pani V2 betrug ihre Breite 760 Millimeter, jetzt sind’s 795. Zudem liegen die Stummel der 2024er-Version in Fahrtrichtung vor der Gabel, während sie bei der neuen Ducati Panigale V2 S in der Gabelmitte befestigt sind, sich von dort zur Seite strecken. Dadurch liegt viel weniger Last auf den Händen, Kurvenattacken gelingen Liegestütz-frei. Oberkörper-Riesen hocken allerdings auch sehr kompakt auf der V2-Panigale in 83,5 Zentimetern Höhe.

Neue Ducati Panigale V2 S wiegt nur 189 kg

Dank schmalem, aber bequemem Solositz und gut geformten Tankausbuchtungen bleibt der Erdboden immer sicher erreichbar. Der Inhalt des Spritbehälters schrumpfte übrigens von 17 auf 15 Liter. Gleich aus mehreren Aspekten ist das kein Grund, die Nase zu rümpfen. Das Weniger an Benzinvorrat trägt mit dazu bei, das Gewicht der neuen Ducati Panigale V2 S ordentlich nach unten zu drücken. Gemeinsam mit dem nur 54,4 Kilogramm wiegenden Motor (minus neun Kilogramm), der Lithium-Ionen-Batterie, dem vier Kilogramm leichten Monocoque-Rahmen sowie Ducatis Grammabknapserei an allen Ecken und Kanten bringt die neue Pani V2 nur noch 189 Kilogramm auf die Waage. Vollgetankt! Zuvor hielt der Zeiger des Gewichtsmessers erst beim Wert 208. Das sind fast 40 Pfund weniger pro 2025er-Modell. Und dieses Minus drückt sich immer in den Vordergrund.

Verbesserter Lenkeinschlag, feinfühlige Fahrwerksware

Rangieren mit dem deutlich verbesserten Lenkeinschlag? Ein Kinderspiel. Handling beim Durchwuseln durch die kleinsten Lücken im City-Chaos? Mit Lässigkeit. Schimmert das Ortsausgangsschild nur noch zart im Rückspiegel, die wie bisher vor allem die Unterarme zeigen, behält die neue Ducati Panigale V2 S ihr flinkes Wesen bei. Enge Serpentine, weiter Schwung, aufrecht hockend oder sportlich-engagiert bewegt – der neue V2-Sportler macht alles mit. Sein nahbares, freundliches Wesen geht locker als Yogakurs für Fans des flotten Strichs durch.

Geführt an den breit ausgestellten Lenkerstummeln, fliegt die 2025er-Ducati Panigale V2 S fast wie von selbst um jeden Radius, feedbackt mit ihrer Öhlins-Fahrwerksware feinfühlig. Besonders die Gabel gleitet smooth über alles hinweg, was sich dem 120er-Pneu an der Front in den Weg stellt. Hinten teilt das direkt mit der neuen Zweiarmschwinge – mit großen, seitlichen Durchbrüchen – verbundene Federbein schon mal deutlich mit, dass die Straße unterm 190/55er hinten gespickt ist mit Aufbrüchen oder Trennfugen. Besonders bei hohem Tempo auf der BAB kommt dann teilweise leichte Unruhe ins Fahrwerk. Daran ändert auch die progressiv gewickelte Feder des Dämpfers wenig.

Fünf-Zoll-TFT mit Race-Ansicht

Allerdings: Als knallharter Geselle teilt die 2024er-Panigale noch unbarmherziger aus. Trotz bis auf eine Viertelumdrehung voll geöffneter Dämpfungen von Zug- und Druckstufe an Gabel und Federbein streckt sie Komfortsuchenden die Rote Karte entgegen. Erst wenn die Straße topfeben vorm Visier, der Kurvenverlauf weit und der Speed klar überm Landstraßenlimit liegt, begeistert sie. Dann saugt sie sich auf dem Teerband fest. Für einen kurzen Moment fliegen Fahrer und Maschine als Einheit durch Raum und Zeit. Jede zweitklassige Straße bricht diese enge Bindung aber wieder auf.

An Bord der neuen Ducati Panigale V2 S lassen sich selbst straßenbauliche Unzulänglichkeiten locker ertragen. Und das in jedem Fahrmodus, weil der neue V2 einfach ultraspontan, aber dennoch geschmeidig auf jeden Wunsch der rechten Hand reagiert. Richtig gut: In der Race-Ansicht des neuen Fünf-Zoll-TFTs lassen sich während der Fahrt die Setups von TC, Wheeliekontrolle, Motorbremsmoment und ABS anpassen. In Stufe drei arbeitet der kurventaugliche Blockierverhinderer mit Abhebeerkennung fürs Hinterrad, in Stufe zwei überwacht er den hinteren Pneu zwar noch, ein Kopfstand ist aber drin. Stufe eins setzt den Fokus komplett aufs Vorderrad. Klasse: crispe Dosierbarkeit des Brembo-Ankers bei sehr linear abrufbarer Wirkung. Das war bisher aber fast auf ähnlichem Niveau so. Dank neuer, linker Griffeinheit gelingt die Abstimmung der Fahrmodi oder das Zurückstellen des Tageskilometerzählers ohne Handbuch-Lektüre im Nu.

Ducati Panigale V2 S für 18.890 Euro

Und damit noch einmal zurück zum Motor: Bedingt das höhere Drehzahlniveau der neuen Panigale einen ordentlichen Schluck mehr aus der Benzinpulle? Nein, im Gegenteil. Mit 4,5 Litern auf 100 Landstraßenkilometern saugt sie nun 0,6 Liter weniger aus dem Tank als zuvor, schafft über 300 Kilometer am Stück. Weil die Service-Intervalle ohne Desmo-Check sogar 15.000 Kilometer betragen und der Preis für die Ducati Panigale V2 S mit 18.890 Euro fast 2.000 Euro unter der 2024er-Panigale-V2 liegt, fällt das neue V2-Sportler-Paket schlussendlich richtig rund aus.

Die neue Ducati Panigale V2 S hebt so Fahrspaß und Funktion auf ein neues Level. Entspannt, flott und viel Fun – da kommt ein dicker Haken dran.