Mit der supersportlichen TL 1000 R will Suzuki beweisen, daß trotz massiver Anlaufschwierigkeiten mit der TL 1000 S das Zweizylinderprinzip Früchte tragen kann.
Mit der supersportlichen TL 1000 R will Suzuki beweisen, daß trotz massiver Anlaufschwierigkeiten mit der TL 1000 S das Zweizylinderprinzip Früchte tragen kann.
»Die TL 1000 R, ein Motorrad mit dem Potential, Superbike-Rennen zu gewinnen.« So klar und deutlich bringt es Suzuki gleich auf der ersten Seite der offiziellen Pressemappe auf den Punkt. Kein allzu bescheidener Anspruch, den die Japaner da erheben, und vor allem keine leichte Aufgabe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Schließlich konnte Suzuki 1997 mit ihrem ersten sportlichen Zweizylinder nicht gerade große Erfolge verbuchen. Zu viele kleine und große Schwächen plagten die TL 1000 S, als daß man von einem durchdachten, ausgereiften Konzept hätte reden können. Die neue TL 1000 R soll deshalb nicht nur ein sportlicher Ableger der S-Version sein, sondern eine konsequente Weiterentwicklung.
Und die gilt es auf der australischen Grand Prix-Strecke von Eastern Creek etwas näher kennenzulernen. Bei traumhaften 35 Grad im Schatten stehen die ersten Vorserien-Maschinen bereit. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, daß diese R-Version mit der TL 1000 S nicht mehr viel gemeinsam hat. Das Äußere ähnelt eher der GSX-R-Linie als dem Zweizylindermodell. Die R wirkt sehr gedrungen und wuchtig.
Dabei macht sie ohne Verkleidung einen eher zierlichen Eindruck. Der neue Brückenrahmen aus Aluminium baut extrem schmal, und das einteilige Rahmenheck ist aus dünnsten Alu-Röhrchen zusammengeschweißt. Auffällig, daß der Motor nicht direkt, sondern über zusätzliche Halteplatten mit dem Chassis verschraubt ist. Im Sporteinsatz kann so später leicht die Einbaulage des Triebwerks verändert werden. Gleiches gilt für die neue Schwinge mit stabilisierenden Unterzügen. Deren Anlenkpunkt kann mittels verschiedener Aufnahmebuchsen im Rahmen variiert werden und nach dem gleichen Prinzip auch der Lenkkopfwinkel (siehe Kasten). Diese Veränderungsmöglichkeiten sind allerdings nur für den Renneinsatz gedacht. Und zu diesem Zweck bietet Suzuki auch einen speziellen Kit an. Rund 140 000 Mark kostet das komplette Set, das so ziemlich alles umfaßt, was laut Superbike-Reglement erlaubt ist.
Doch zurück zur Serie. Der stark überarbeitete TL-Motor ist kaum mehr wiederzuerkennen. Ohne auch nur ein einziges Mal im Standgas zu patschen, schnurrt er ruhig und unauffällig vor sich hin. Der thermische Haushalt ist dank der beiden großen Wasserkühler anscheinend in Ordnung, denn selbst bei sengender Hitze und fünf Minuten im Standgas klettert das Thermometer nicht über 90 Grad. Der Neue läßt zwar den kräftigen Antritt unterhalb der 4000/min-Marke etwas vermissen, zeigt sich aber im oberen Bereich als überaus drehfreudiger Geselle, der immer wieder vom elektronischen Begrenzer in seine Schranken gewiesen werden muß. Rein gefühlsmäßig scheinen die versprochenen 135 PS durch die ab 6000/min gleichmäßig ansteigende Leistungskurve eine recht optimistische Ansage zu sein, doch ein Blick auf den Tacho, der auf der Zielgeraden knapp 260 km/h markiert, deutet darauf hin, daß der TL-Motor nicht an Schwindsucht leidet.
Für reibungslosen Kraftschluß sorgt eine neue, verstärkte Kupplung. Mit sechs statt wie bisher fünf Federn ausgestattet, wird diese zugunsten geringerer Handkräfte jetzt hydraulisch betätigt. Während die Dosierbarkeit beim Anfahren etwas zu wünschen übrig läßt, überzeugt im Fahrbetrieb das bereits von der TL 1000 S bekannte Anti-hopping-System (siehe Kasten). Egal bei welcher Drehzahl heruntergeschaltet wird, niemals beginnt das Hinterrad zu stempeln.
Prima Noten gibt es für die Bremsanlage. Die Sechskolbenzangen überzeugen durch gut Wirkung und gleichbleibende Dosierbarkeit in kaltem wie in heißem Zustand. Selbst nach zehn hart gefahrenen Runden sind noch keinerlei Zeichen von Müdigkeit festzustellen. Da könnte sich die GSX-R 750 eine Scheibe abschneiden.
Für weniger Begeisterung sorgt das Fahrwerk. Trotz des extrem kurzen Radstands von 1395 Millimetern und einem 67 Grad steilen Lenkkopfwinkel reagiert die TL recht unwillig, wenn es darum geht, in eine enge Kurve einzulenken. Ab zirka 30 Grad Schräglage fällt sie dann förmlich in die Kurve hinein und wirkt kippelig und nervös. So läßt sich nur mit viel Mühe ein sauberer Radius auf den Asphalt zirkeln. Auch beim Herausbeschleunigen benimmt sich die R nicht sehr souverän. Auf kräftiges Gasgeben in Schräglage reagiert sie mit einem schaukelnden und pumpenden Heck. Der Grund für dieses ungebührliche Verhalten ist allerdings schnell gefunden. Auf der Suche nach ordentlichem Grip auf der rutschigen Piste war der Druck in den eigens für die TL 1000 R entwickelten Metzeler ME Z3 vorn und hinten bis auf 2,0 bar abgesenkt worden. Mit dem Standard-Luftdruck von 2,5 bar sind sowohl Einlenkverhalten als auch die Stabilität beim Beschleunigen deutlich besser.
Eine weitere Verbesserung bringt eine straffere Einstellung des hinteren Drehflügeldämpfers. Trotz eines speziellen Ventils läßt, wie schon bei der TL 1000 S, bei zunehmender Fahrdauer die Dämpfung drastisch nach. Eigentlich sollte dieses Ventil eigentlich Dämpfungsverluste durch Temperaturschwankungen ausgleichen, doch schon nach 20 Minuten mußte die Zugstufendämpfung bis zum Anschlag zugedreht werden.
Serienmäßig bereits mit einem Lenkungsdämpfer ausgerüstet, kann auch die R ihre Neigung zum Lenkerschlagen kaum vertuschen. Immer wieder zuckt es leicht in den Lenkerstummeln, wenn beim Beschleunigen das Vorderrad kurz den Bodenkontakt verliert. Zur besseren Gewichtsverteilung rutschte die Batterie links neben den vorderen Zylinder, gleichwohl lasten noch 51 Prozent des Gewichts auf dem Hinterrad.
Apropos Gewicht: zwei aus dem Hotel geschmuggelte Personenwaagen entlarven die TL 1000 R als echte Schwerathletin. 217 Kilogramm vollgetankt ohne Bordwerkzeug sind heutzutage eine Menge Holz für einen supersportlichen Zweizylinder. Damit wiegt die R nicht nur rund drei Kilogramm mehr als ihre Schwester S, sondern ist auch schwerer als die gesamte Vierzylinder-Konkurrenz wie R1, CBR 900 oder ZX-9R. Im Preis liegt Suzukis sportlicher Vau mit 19 490 Mark allerdings deutlich unter diesen Konkurrentinnen.
Es ist nicht ungewöhnlich, daß japanische Motorräder bereits ein Jahr nach der Präsentation modellgepflegt werden. Eine intensive Überarbeitung überrascht schon eher. Wenn aber nach Jahresfrist ein in vielen Baugruppen völlig neues Motorrad auf den Markt gebracht wird, gleicht das einer Sensation. So geschehen bei Suzukis Supersportler TL 1000 S, dem 1998 das vollverkleidete Superbike TL 1000 R zur Seite gestellt wurde.Für Verwunderung sorgt der komplett neue Brückenrahmen, da nicht etwa das Chassis der TL 1000 S die Ursache für deren umstrittenes Fahrverhalten war.Die Existenz des mit 14 Kilogramm vergleichsweise gewichtigen Rahmens begründen die Techniker mit den zahlreichen Möglichkeiten für das geplante Superbike-Engagement. So gibt es für den Steuerkopf verschiedene Einsätze, mit denen sich der Radstand, der Lenkkopfwinkel und somit auch der Nachlauf verändern lassen. Weiterhin variieren verschiedene Inlets die Position der Schwingenlagerung um zwei Millimeter nach oben oder unten, ganz abgesehen von den üblichen Verstellmechanismen des Federbeins. Mit verschiedenen Federn und Umlenkhebeln kann der Fahrer sowohl die gesamte Fahrwerksgeometrie als auch die Federcharakteristik nach eigenen Vorstellungen wählen. Doch auch das Triebwerk überarbeiteten die Suzuki-Techniker gründlich. Optimierte Einlaßkanäle, zwei Einspritzdüsen pro Zylinder, eine größere Kühlkapazität und eine überarbeitete Kupplung sollen neben weiteren Detailmaßnahmen der auf 135 PS gestiegenen Leistung gerecht werden. Die Kupplung, die bei der Langstrecken-TL 1000 S von MOTORRAD Probleme bereitete, ist nun verstärkt und hat einen überarbeiteten Anti-Hopping Mechanismus. Im Schiebebetrieb verdrehen sich die Klauen des Kupplungsmitnehmers und rücken über Rampen die Kupplung so weit aus, daß Drehmomentspitzen, die durch den hohen Ungleichförmigkeitsgrad eines großen Zweizylinders im Schiebebetrieb entstehen, abgebaut werden. Das gefürchtete Stempeln des Hinterrads bei Schiebebetrieb und gleichzeitigem Bremsen entfällt. Der Aufwand hat sich offensichtlich gelohnt, das Verhalten im Schiebebbetrieb war bei den ersten Probefahrten mustergültig.