Motor-Technik der BMW S 1000 RR nach 50.000 Kilometer

Die Top-Technik des Shift-Cam-Motors von BMW
Diese 7 Teile im Motor der BMW S 1000 RR begeistern

Veröffentlicht am 28.12.2023

Am Ende war es 1 PS, das der Motor der BMW S 1000 RR weniger leistete als zu Beginn des MOTORRAD-Dauertests. Zwischen den einstigen 214 PS und den finalen 213 PS lagen allerdings 50.000 Kilometer. Das ist die Standard-Distanz beim MOTORRAD-Dauertest, bevor der Motor zerlegt, vermessen und bewertet wird. Beim Zerlegen des sogenannten Shift-Cam-Motors traten erstaunliche Bauteile zutage. Die interessantesten 7 Teile hat MOTORRAD sich extra vorgenommen.

Kaum Verschleiß nach 50.000 Kilometern

Den kompletten Abschluss des Dauertests über 50.000 Kilometer könnt ihr hier lesen. Als Spoiler: Der Motor war im Grunde wie neu. Was Zeit erlaubte, einzelne Baugruppen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das sind die 7 besten Teile im Motor der BMW S 1000 RR

In den besten 7 Teilen des Motors der BMW S 1000 RR finden sich Einzelteile in außerordentlichen Kombinationen aus Vergütung oder Fertigung, komplette Baugruppen mit Aha-Effekt, mechanische Glanzlichter und Methoden der Oberflächenverarbeitung. Wir beginnen beim großen Vorteil dieses Vierzylinders, bei seiner mechanischen Schaltnockenwelle, genannt Shift-Cam.

Die Nockenwellen der BMW S 1000 RR

Bekannteste Besonderheit im Motor der BMW S 1000 RR ist das Shift-Cam-System. Die Einlassnockenwelle verfügt über 2 Nocken je Ventil. Die Nockenwelle selbst besteht aus 3 großen Teilen: Innenwelle mit dem fixen Antriebszahnrad und 2 Lagern sowie die per Vielzahn aufgeschobenen Außenwellen mit den Nocken. Drehzahlabhängig, bei 9.000/min, verschieben elektrische Aktuatoren mit Stiften über eine Art Weiche (Schaltkulisse) die beiden Segmente der Außenwelle um wenige Millimeter. Dadurch ändert BMW im Grunde die gesamte Charakteristik des Motors, was bei hohen Drehzahlen mehr Leistung bringt. Ebenfalls einen Blick wert ist die Auslassnockenwelle. Sie ist hohl gebohrt, was ihr auffallend niedriges Gewicht erklärt. Sie ist konventionell aufgebaut, mit einer Nocke pro Ventil. Über die Nockenwellen kommen wir zum nächsten Höhepunkt: zur Ventilbetätigung.

Was ist ein Schlepphebel?

Hochleistungsmotoren wie der Antrieb der BMW S 1000 RR nutzen Schlepphebel zum Öffnen der Ventile. Sie sind die derzeit leichteste Bauweise, um die Kraft der Nockenwelle auf die Ventile zu übertragen. In der S 1000 RR setzt BMW DLC-beschichtete Hebel ein. Pro Stück bringen die 16 Teile nur 7 Gramm auf die Waage, von denen nur gut die Hälfte bewegt werden, die andere Hälfte ändert auf der Achse rotierend die Lage nicht. Die schwarzen Schlepphebel sind, wo es nur geht, leichter gefräst und sollen wohl in der Grundform noch aus dem Formel-1-Motor von BMW stammen. Von welchem, überliefert die Sage nicht. Das Schwarz ist übrigens kein Lack, sondern die DLC-Beschichtung (diamond-like-carbon). Sie soll die Reibung zwischen Nocke und Hebeln verringern, was die Reibungsverluste im Ventiltrieb reduziert. Sprich: Der Motor benötigt weniger Leistung, um sie am Laufen zu halten und kann umso mehr für den Antrieb nutzen. Übrigens: Einer dieser Schlepphebel kostet knapp 100 Euro. Es oszillieren also knapp 1.600 Euro an Schlepphebeln im Zylinderkopf und öffnen die 16 Ventile, die wir jetzt betrachten.

Titanventile mit tollen Kanälen

Wobei die 16 Titanventile der BMW S 1000 RR nicht das eigentliche Highlight in diesem Teil des Motors sind, sondern die Kanäle, die von den Ventilen verschlossen werden. Sie sind gefräst. Klingt nicht nach einem Top-Thema, allerdings sind die Kanäle und der Übergang in den Ventilsitz egalisiert worden. Und das in einem Arbeitsschritt, was die durchgehenden Frässpuren belegen. Das Besondere daran: Der Zylinderkopf und damit die Kanäle bestehen aus Aluminium, die Ventilsitze aus Stahl. Und jeder, der schon einmal Stahl und Alu zeitgleich bohrte oder fräste, weiß: Beide Materialien können fast nicht unter den gleichen Bedingungen bearbeitet werden. Übrigens: Die Ventile werden kurzzeitig mit bis zu 44.000 m/s² beschleunigt, also dem 4.400-fachen der Schwerkraft, wenn die Nockenwelle sie öffnet.

Die bisherigen maßgebenden Baugruppen, Einzelteile oder Methoden finden wir alle im Zylinderkopf der S 1000 RR. Und den schauen wir uns nach 50.000 Kilometern als weiteres Top-Teil an.

Taufrisch nach 50.000 Kilometern, mit gefrästen Brennräumen

Viele Blicke wert ist der Zylinderkopf der BMW S 1000 RR. Nach 50.000 Kilometern sind im Grunde keine Verschleißerscheinungen zu erkennen, einzig die Auslassventile sind mit ihrem Kippspiel knapp unter den von BMW streng limitierten 0,4 Millimetern. Die vermeintlich durch die Shift-Cam stark beanspruchten Gleitlager sehen hingegen neuwertig aus. Interessant gestaltete BMW ebenfalls die Brennräume. Die Form ist nicht außergewöhnlich, allerdings ist der Brennraum selbst gefräst worden. So konnte BMW die Quetschflächen im Zylinderkopf und die Ventiltaschen auf dem Kolben so gestalten, dass im Kompressionshub das Gemisch gezielt an die zentrale Zündelektrode gelangt. Apropos Kolben:

Stahl in Stahl mit DLC-Beschichtung

Neben dem bereits erwähnten Kolbenboden griff BMW bei der S 1000 R ganz tief ins Regal für Machbares. Der Kolben selbst ist aus Aluminium, das Pleuel selbst und den Kolbenbolzen fertigt BMW aus Stahl. Und im Grunde hat Stahl auf Stahl fast den geringsten Reibungswiderstand überhaupt zueinander. Doch BMW geht auf Nummer sicher und beschichtet den Kolbenbolzen per DLC. Hintergrund: Neben dem Ventiltrieb bei niedrigen Drehzahlen ist der Kurbeltrieb, zu dem der Kolben gehört, bei hohen Drehzahlen ein wesentlicher Faktor der Reibungsverluste im Motor. Wir überspringen die Kurbelwelle und widmen uns einem weiteren Top-Teil: der Schaltung.

Meisterwerk: hohle Welle hartgelötet

Sie dürfte eines der Bauteile im Antrieb der BMW S 1000 RR sein, das Fahrer am häufigsten nutzen und darüber am wenigsten wissen. Eines der Top-Teile ist die Schaltwalze. Sie überträgt die Schaltimpulse von einer Hubbewegung des Fußes in eine Drehbewegung und setzt den Schaltvorgang um. In der BMW ist dieses Bauteil aufwendig hohl gefräst, um minimales Gewicht zu erreichen. Und Kenner haben schon entdeckt, dass die Welle an ihren Enden einen eigentlich viel zu geringen Durchmesser aufweist, um mit einem Werkzeug innen zu arbeiten. Deswegen ist eines der konischen Enden in der Fertigung nicht montiert, sondern wird am Schluss als Stopfen eingesetzt und mit Hartlot verbunden. Dieses Bauteil ist ein Meisterwerk und arbeitet eng mit den nächsten Top-Teilen zusammen: mit den Schaltgabeln.

Geschmiedeter Stahl mit Kupferdampf für weiches Schalten

Ebenso unscheinbar wie essenziell im Getriebe sind die Schaltgabeln. Im Falle der BMW S 1000 RR sind sie aus geschmiedetem Stahl, fallen allerdings durch eine goldgelbe Beschichtung im Bereich der beiden Gabeln auf. Laut BMW eine Art Kupferbeschichtung, die wohl aufgedampft wird und durch das weichere Kupfer das Verschieben der Schaltmuffen und damit den Schaltvorgang sanfter zu gestalten, was mit einer reinen Stahl-auf-Stahl-Paarung nicht ginge. Und trotz weichen Kupfers sind nach 50.000 Kilometern zwar deutliche Spuren an den Kontaktpunkten zu den Muffen, den sogenannten Dog-Ringen, zu erkennen, doch der Stahl darunter ist noch bedeckt.