Vier Maschinen, vier Charaktere: Ducati 999, Honda Fireblade SC59, Honda VTR 1000 SP-1 und Suzuki GSX-R 1000 L2 treten zum Track-Test auf der Nordschleife an. Welche überzeugt mit Präzision, Power und Fahrstabilität? Und wo liegen die Stärken und Schwächen der Superbikes in der "Grünen Hölle"?
Ducati 999
Zwischen 2003 und 2006 wurden in Deutschland 1065 Einheiten der Ducati 999/S verkauft, bevor sie durch die wieder klassischer gezeichneten 1098-Modelle beerbt wurde. Frühe 999-Baujahre leiden häufig unter Elektronikproblemen, der Motor gilt bei korrekter, relativ kostenintensiver Pflege (Zahnriemen und Desmodromik) als solide. Insgesamt konnte die 999 R drei WSBK-Titel in fünf Einsatzjahren erringen: Neil Hodgson in 2003, James Toseland in 2004 und Troy Bayliss absolut dominant in der Saison 2006.
- Antrieb: Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 100,0 kW (136 PS) bei 9 750/min, 106 Nm bei 8000/min, Bohrung/Hub 100/63,5 mm, 998 cm³, Verdichtungsverhältnis 11,4 : 1, 54-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette
- Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahlrohr, Lenkkopfwinkel 66,5 Grad, Nachlauf 97 mm, Radstand 1420 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm
- Räder und Bremsen: Alu-Gussräder, 3.50 x 17”/5.50 x 17”, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17 (Testbereifung), 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten
- Gewicht: 213 kg (vollgetankt), Tankinhalt: 15,5 Liter
- Preise: 16.995 Euro (2006); 23.797 Euro (2023)
Motorrad-Training auf der Nordschleife mit dem MOTORRAD action team
Honda CBR 1000 RR SC59
Mit der ersten Fireblade wurde 1992 unter dem Prinzip "total control" die Ära des modernen Sportmotorradbaus eingeleitet. Das Modell SC59 ab 2008 gilt als die ausgewogenste aller Blades, damals strahlte sie mehr Sicherheit und Vertrauen aus als alle anderen Superbikes. Im Sport war die SC59 im Roadracing mit mehreren TT-Siegen erfolgreich, Martin Bauer wurde mit ihr IDM-Superbike-Champ 2008. Gebraucht gilt die SC59 als solide, allerdings ist das C-ABS ab Baujahr 2009 für Racing wenig geeignet und wiegt mollige zehn Kilo.
- Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 130,7 kW (178 PS) bei 12 000/min, 112 Nm bei 8500/min, Bohrung/Hub 76,0/55,1 mm, 999 cm³, Verdichtungsverhältnis 12,3 : 1, 46-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette
- Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen Lenkkopfwinkel 66,8 Grad, Nachlauf 96 mm, Radstand 1410 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm
- Räder und Bremsen: Alu-Gussräder, 3.50 x 17”/6.00 x 17”, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17 (Testbereifung), 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
- Gewicht: 209 kg (vollgetankt), Tankinhalt: 17,7 Liter
- Preise: 13.990 Euro (2009); 18.460 Euro (2023)
Honda VTR 1000 SP-1
Mit der SP-1 reagierte Honda auf die damalige Ducati-Übermacht in der Superbike-WM und beauftragte den hauseigenen Rennstall HRC mit dem Bau eines konkurrenzfähigen V2-Boliden. Durch den furiosen Colin Edwards konnte die Honda prompt in 2000 und 2002 den WSBK-Titel holen. Sie errang außerdem vier Siege beim prestigeträchtigen Acht-Stunden-Rennen von Suzuka, wurde Langstreckenweltmeisterin und gewann auf der TT. Gebraucht haben die meisten Exemplare viele Kilometer und sind längst nicht mehr besonders günstig.
- Antrieb: Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 97,0 kW (132 PS) bei 9500/min, 102 Nm bei 8500/min, Bohrung/Hub 100/63,6 mm, 999 cm³, Verdichtungsverhältnis 10,8 : 1, 54-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette
- Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 101 mm, Radstand 1410 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm
- Räder und Bremsen: Alu-Gussräder, 3.50 x 17”/6.00 x 17”, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17 (Testbereifung), 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
- Gewicht: 221 kg (vollgetankt), Tankinhalt: 18 Liter
- Preise: 26.460 Mark (2000); 21.397 Euro (2023)
Suzuki GSX-R 1000 L2
Die Suzuki GSX-R 1000 wurde 2001 eingeführt und erlebte durch große Absatzzahlen weltweit einen riesigen Erfolg. In 2005 gewann der Australier Troy Corser mit einer GSX-R 1000 die Superbike-Weltmeisterschaft, und der Nordire Michael Dunlop errang auf der GSX-R 1000 im Jahr 2017 den Sieg bei der Senior-TT. Ihre wahre Dominanz liegt im Langstreckensport, seit 2001 sackte sie dort ganze 14 WM-Titel ein. Speziell die Modelle K9 bis L6 gelten als technisch problemlos, die Verfügbarkeit der Gixxer am Markt ist zudem hoch.
- Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 136,0 kW (185 PS) bei 11 500/min, 117 Nm bei 10 000/min, Bohrung/Hub 74,5/57,3 mm, 999 cm³, Verdichtungsverhältnis 12,8 : 1, 44-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette
- Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel 66,5 Grad, Nachlauf 98 mm, Radstand 1405 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm
- Räder und Bremsen: Alu-Gussräder, 3.50 x 17”/6.00 x 17”, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17 (Testbereifung), 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
- Gewicht: 203 kg (vollgetankt), Tankinhalt: 17,5 Liter
- Preise: 14.790 Euro (2012); 18.390 Euro (2023)
Mit den Youngtimern auf der Nordschleife
Philipp Genikomsidis Wahl für die Nordschleife: Ducati 999, Erstzulassung 2006
Am heiligsten Asphaltband der Eifel treffen wir unseren MOTORRAD-Kollegen Ralf Schneider. Er hat die 999 sehr positiv in Erinnerung: "Ich fand sie immer klasse. Kultiviert, innovativ konstruiert und einfach geil auf der Renne." Er muss es wissen, schließlich kennt er das Bike von sämtlichen Präsentationen und unzähligen Tests. "Aber aufpassen, manche Ecken sind noch nass. Meine Honda ist eben über beide Räder weggeschmiert." Na, das kann ja was werden …
Grundsätzlich lenkt die Ducati agil und präzise ein, allerdings nur solange man in Schräglage die Finger von der Vorderradbremse lässt. Auf der Bremse gibt sich die 999 bockig und weicht unwillkürlich von der angepeilten Linie ab.
Tobi macht mit der VTR auf der Nordschleife ordentlich Alarm, ich gebe alles, um dranzubleiben – zumindest bis ich schnalle, dass die Testastretta-Musik erst so richtig jenseits der 5.000 Touren spielt. Darüber jubelt der L-Twin willig hoch, bis der Begrenzer jenseits der 10.000 Umdrehungen nach der nächsten Fahrstufe verlangt.
Anfahrt Arembergkurve, ich werfe erstmals bis tief in Schräglage den Brembo-Anker. Oha, geht doch! Bei Rennstrecken-Speed funktioniert die 999 auch auf der Bremse tadellos, fährt jetzt präzise und bleibt auf den flüssigen Radien der grünen Hölle bombenstabil. Mit jeder Kurve steigt das Selbstvertrauen. Die Kollegen haben recht – diese ungefilterte Superbike-Ikone gehört immer noch auf den Track und ganz sicher nicht ins Museum.
Robert Glücks Wahl für die Nordschleife: Honda Fireblade CBR 1000 RR Typ SC59, Erstzulassung 2009
Die satt liegende SC59 möchte mit etwas mehr Druck als erwartet eingelenkt werden. Dies als Manko zu bezeichnen wäre übertrieben, doch es fällt auf. Zwar carvt die Blade um Welten lockerer als der mitreisende Einbaum Namens VTR 1000 SP-1 aus dem Trias, aber nicht ganz so leichtfüßig wie die erwähnte GSX-R 1000. Ein echtes Ärgernis ist allerdings das ausgeprägte Leistungsloch um 4.000/min, das objektiv messbar und subjektiv beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven einbremst. Wo die Gixxer mühelos aus den Ecken davonzieht, wartet man auf der Blade noch darauf, dass sich die Kavallerie im Maschinenraum formiert. Abhilfe schafft eine niedrigere Gangstufe, was einer 1000er allerdings unwürdig ist.
Die Gänge flutschen im Getriebe hoch und runter, während der Reihenvierer über 5.500/min schön dosierbar anreißt. Vor allem auf der Nordschleife, wo flüssiges Fahren angesagt ist, sollte man so voll auf seine Kosten kommen.
Wie erwartet liegt die Honda stabil auf dem Nordschleifenasphalt und schenkt Vertrauen. Plötzlich die Arembergkurve: hart Ankern, die Bodenwelle mitten im Scheitel möglichst umfahren und mit Knallgas runter in die Fuchsröhre. Atmen, alles unter Kontrolle. Halt, waren das nasse Stellen am Streckenrand? Egal, weiter konzentriert Richtung Kompression, dann wieder bergauf und auf keinen Fall die enge Links am Adenauer Forst verbocken. Runden später fühle ich mich wieder beinahe wohl in der "Grünen Hölle" – danke dir, liebe Fireblade.
Tobi Münchingers Wahl für die Nordschleife: Honda VTR 1000 SP-1, Erstzulassung 2000
Die VTR 1000 SP-1 erinnert mit ihrer schluckfreudigen Federung und weichem Sitzpolster eher an einen etwas trägen Sporttourer als an ein scharfes Rennmotorrad. Gas auf- und zudrehen, präzise und kräftig bremsen – das kostet noch dazu alles Kraft. Die Sitzposition fällt mit akzeptablem Kniewinkel und einem nicht zu extrem über das rundlich geformte Spritfass nach vorn gebeugtem Oberkörper beinahe langstreckentauglich aus.
Passend dazu läuft der Zweizylinder weich und kultiviert. Er bollert tief, aber sanft und gibt seine, man muss ehrlicherweise sagen: geringe Power vollkommen linear ohne Delle in der Leistungskurve ab. Ab etwa 9.000 Touren muss er sich bis in den niedrigen fünfstelligen Drehzahlbereich allerdings doll anstrengen. Insgesamt fühlt sich der Motor schwungmassiger, aber auch träger an als der Ducati-Twin der 999.
Der Charme dieser Honda liegt in ihrer Konstruktion: 90-Grad-V2 im hochwertigen Alu-Rahmen mit zwei seitlich angeordneten Kühlern, Frischluftansaugung direkt durch den Lenkkopf, hintenraus zwei gewaltige Auspuffrohre – boah! Und so schlecht stellt sich die betagte Racing-Queen auf der Nordschleife dann doch nicht an. In den schnellen Sektionen und weitläufigen Kurven, also einem Großteil der Strecke, liefert sie gute Stabilität in Kombination mit ausreichender Präzision. Dass die SP-1 auf der Landstraße nicht schnell auf der Bremse zum Kurvenscheitel mag, spielt auf der Nordschleife ebenso keine Rolle. Sogar ihr Handling fühlt sich hier trotz des Hinterrads mit plattem 50er-Querschnitt okay an. Sie ist halt eine liebenswerte Racing-Ikone, die VTR 1000 SP-1.
Achim "Steini" Steinmachers für die Nordschleife: Suzuki GSX-R 1000 L2, Erstzulassung 2012
Der Vierzylinder der GSX-R 1000 L2 packt schon früh ab circa 4.500/min richtig kräftig zu. Selbst die beiden V-Twins, Ducati 999 und Honda VTR 1000 SP-1, kommen da nicht mit. Zugegeben, die Twins machen mich schon an, rein vom Unterhaltungswert punkten beide stärker und liefern vor allem durch ihre "kantigeren" Motoren das intensivere Fahrerlebnis. Aber würde ich mit so was leben und viele Kilometer auf allen möglichen Straßen fahren wollen? Nein danke. Noch dazu kommt auf der Nordschleife die unanfechtbare Dominanz des GSX-R-Motors auch in den schnellen Abschnitten voll zur Geltung.
Ich mag es ja kaum laut sagen, aber mit der L2-Suzuki fährt man den beiden Zweizylindern beinahe an beliebiger Stelle davon – der Leistungsunterschied ist krass. Und wenn man sich ein wenig anstrengt, hat auch die Fireblade SC59 keine echte Chance. Die Suzuki liegt ungefähr genauso stabil wie die Honda, lenkt aber leichter ein und verfügt über die zuverlässig kräftigere Bremse. ABS und Traktionskontrolle hat dieses Modell noch nicht, aber ich komme trotzdem bestens zurecht.
Selbst vom Fahrwerk der GSX-R 1000 L2 bin ich ganz angetan. Die Güte der Showa-Federung fiel mir zuerst auf der Landstraße auf, als wir die zerfurchte Totenkopfstraße unter die Räder nahmen. Ehrlicherweise hätte man die Federelemente für die schnellen Runden auf der Nordschleife schon ein wenig Richtung straff nachjustieren müssen, aber der Kompromiss war nicht schlecht. Im Abschnitt nach der Dreifach-Rechts in Richtung Ex-Mühle und nach Breidscheid runter lag die Suzuki sogar ganz fantastisch. Auf der anderen Seite wieder hoch zur Niki-Lauda-Kurve – dort ist der Fahrbahnbelag nicht ganz unkritisch – konnte man dafür etwas seitliche Bewegung im GSX-R-Chassis spüren. Wenn man es ernst meint, muss man einfach das Fahrwerk aufwerten, daran führt selten ein Weg vorbei.