Nach Naturschutzgebiet sieht es hier wirklich nicht aus. Von Stollenreifen aufgewühlte Erde, aufgeschüttete Tables, Reifenstapel. Aber die Tiere, um die es hier geht, benötigen auch nicht viel Platz. Zwischen der Piste gibt es klar abgegrenzte Bereiche im Gras, in denen man über tiefe Pfützen und Gruben stolpert. Auch im meterhohen Gestrüpp und in Entwässerungsgräben kann man sie entdecken: Bombina variegata, die Gelbbauchunke. Was für Laien nach Kröte oder Frosch aussieht, ist eine heutzutage stark gefährdete Art der Froschlurche, die bei uns ausschließlich in Mittel- und Süddeutschland vorkommt. Die kleinen Amphibien sind von oben unscheinbar, durch ihren namensgebenden gelb-schwarz gefleckten Bauch aber leicht erkennbar. Die Färbung soll potenzielle Fressfeinde vor ihrem Hautgift warnen.
Auch Traktorspuren sind bei Unken beliebt
Vor der größten Gefahr schützt sie das leider nicht, denn diese geht, wie so oft, vom Menschen aus. Ihre eigentlichen Lebensräume, Auen und Tümpel, werden zunehmend verbaut, zugeschüttet und nur noch selten überflutet. Eine gewisse "Störungsdynamik" brauchen die Tiere aber. Auch in Wäldern gibt es nur noch einzelne, oft isolierte Populationen. Dort nutzen die Tiere die Fahrspuren von Traktoren, hier sammelt sich häufig Regenwasser und bietet je nach Sonneneinstrahlung ein optimales Zuhause. Übrigens haben Wälder für Unken weniger zu bieten, als man denken mag, denn die meisten sind eben nicht mit "Natur" gleichzusetzen. Weil auch sie vom Mensch bewirtschaftet werden. Vor "dramatischen Rückgängen" warnt Professor Martin Dieterich, der als Experte für Gelbbauchunken an der Uni Hohenheim forscht. Eine Erklärung dafür sei die heutige Forstwirtschaft, die oft sehr dunkle Wälder zur Folge habe. "Die Unken brauchen jedoch auch Sonnenlicht. Zudem werden viele Forstwege befestigt und die Entstehung von Fahrspuren wird verhindert", ergänzt Dieterich, der aktuell zwei Masterarbeiten über die Gelbbauchunke betreut.
Truppenübungsplätze, Steinbrüche oder Motocrosspisten
Daher sind Naturschützer um jede Population froh, auch wenn sich diese auf Ersatzlebensräumen angesiedelt haben. Das sind häufig Bundeswehr-Truppenübungsplätze, Steinbrüche oder, wie hier, Motocrosspisten. Überall, wo eben nicht intensiv gewirtschaftet wird, sich Flora und Fauna halbwegs frei entwickeln können. Gerade hier finden die Unken, was ungefähr ihrem natürlichen Habitat entspricht: Störungsdynamik und eine unverbaute Landschaft, die sich laufend verändert und viele halb überwachsene, trübe Tümpel bereithält. Für den MSC Frickenhausen und das Gelände am Rand der Gemeinde blieb die Entdeckung der Mitnutzer ohne große Folgen. Clemens Pfeiffer, Leiter der Enduroabteilung und mittlerweile Unkenfreund, gibt zu verstehen, dass man sich beim Training selten in die Quere kommt. "Dort wo die Unken sind, fahren wir sowieso nicht. Wir heben ab und zu auch weitere Tümpel für die Unken aus, die nehmen aber nicht alles an." Als sie aber eine Grube für einen Laternenmast ausgebaggert hatten, waren die Unken schnell zur Stelle. Über Nacht nutzten sie den Platz, um ihren Laich abzulegen. "Den haben wir dann eben mit einem Kescher in einen anderen Tümpel verlegt", beschreibt Pfeiffer. Man ist nunmal pragmatisch.
Bei den jährlichen Pflegearbeiten mit Schaufeln und Baggern entstehen für die Tierchen immer wieder neue Entfaltungsmöglichkeiten. Fachlichen Rat bekommt der Verein dabei vom Landschaftserhaltungsverband Esslingen, durch eine Abschlussarbeit kam zusätzlich der Kontakt zu Professor Dieterich zustande. Neben den Unken entdecken auch Frösche und andere Besucher das Motocross-Gelände für sich, Hasen und Rehe hinterlassen im lehmigen Boden ihre Spuren. Wenn die Zwei- oder Viertakter aufbellen, suchen alle zwar kurzzeitig das Weite, meistens aber dürften die fast vogelähnlichen Unkenrufe ungestört übers Gelände ertönen. Zumindest bis Ende September, ab dann suchen die Tiere ihre Winterquartiere auf. Erst im Frühling kehren sie zurück.
Motorsport-Nachwuchs entwickelt Bewusstsein
Dieses Beispiel zeigt, dass Umweltschutz zwar Umdenken erfordert, manchmal aber sogar symbiotisch auch mit Motorradsport funktioniert. Wenn so ein Gelände vorhanden ist, hat das eben Vorteile für die Unke, wie Experte Dieterich erklärt. Sein Fazit bleibt pessimistisch: "Ohne grundlegende Änderungen im Naturschutz haben die Tiere aber keine Chance." Doch in Frickenhausen entwickelt der Motorsport-Nachwuchs ein Bewusstsein für die Unken und übernimmt sogar Patenschaften. "Wir drucken Fotos der Unken aus, und die Kids dürfen ihnen dann Namen geben", erzählt MSC-Mitglied Pfeiffer. Immerhin heimsen die Tiere mit ihren herzförmigen Pupillen und gelb- gefleckten Bäuchen viele Sympathien ein. Vielleicht dient das kräftige Gelb statt der Feindesabwehr in diesem Fall der Gewinnung neuer Freunde.
Fazit
Wenn sich Motorsport und Umweltschutz verbinden lassen, profitieren in diesem Fall nicht nur die Froschlurche, sondern auch der Nachwuchs, der so ganz nebenbei sein Bewusstsein für die Natur und seine Umwelt erweitert.