Die Wendigkeit eines Naked Bikes gepaart mit dem Komfort einer Reiseenduro? Ein vielversprechendes Konzept, das die beiden Crossover-Bikes BMW F 900 XR und Triumph Tiger Sport 800 verfolgen. Doch auch ein breiter Spagat, der zwangsweise Kompromisse fordert. Auf welcher der beiden Kandidatinnen spürt man sie weniger? Wir schwingen uns in die Sättel und finden es im großen Alpen-Härtetest – dem MOTORRAD Alpen-Masters – heraus.
Komfort vor Sport gilt für beide
Abfahrt in Richtung Passo Fedaia. Ergonomisch lautet die Devise bei BMW F 900 XR und Triumph Tiger Sport 800: Komfort vor Sport. Zwar sind beide Sitzbänke eher straff gepolstert und die Kniewinkel etwas spitzer als auf einem Adventurebike, Tiger Sport und XR reichen dem Fahrer die Lenkerenden aber in angenehmer Höhe dar. Bedeutet, dass man ein weniger direktes Feedback von der Front erhält, dafür aber auch enge Bergaufkehren sehr gut überblickt, ohne den Hals unangenehm strecken zu müssen, und bergab die Handgelenke nicht zu sehr strapaziert werden.
Um die ersten Kehren lässt sich die BMW F 900 XR mit geringen Impulsen präzise manövrieren. Ihr Lenkverhalten hält keinerlei Überraschungen bereit, und auch Schlaglöcher bringen die Fuhre nicht nennenswert aus der Spur. Eng und langsam, weit und schnell – die XR kann beides und überspielt ihre 229 Kilogramm (vollgetankt) gekonnt.
Gasannahme mit Überraschungseffekt
Eine kleine Überraschung offenbart die im Road-Modus ruppige Gasannahme, die wir so von der BMW F 900 XR eigentlich nicht kennen. Wer in den niedrigen Gängen eins und zwei im Scheitelpunkt zu unsensibel am Hahn dreht, erzeugt einen spürbaren Ruck, der die Linie durchaus beeinträchtigen kann. Abgesehen davon passt die Leistungsentfaltung des Reihentwins aber prächtig ins Alpine, denn schon bei niedriger Drehzahl bekommt man eine für diese Art Motor tolle Laufkultur und auch mehr als akzeptablen Vortrieb.
Noch besser macht’s der Reihendreizylinder der Triumph Tiger Sport 800. Er zieht bei den Durchzugsmessungen am Berg mit Sozius etwas kräftiger durch und geht zudem spürbar sanfter, wenn auch nicht seidenweich, ans Gas. In den unzähligen Tornanti Südtirols ein Vorteil gegenüber der F 900 XR.
Fürs Protokoll: Beide Crossover sind mit eingetragenen 91 dB (BMW) bzw. 93 dB (Triumph) Tirol-tauglich und übertreffen ihre Selbsteinschätzung bei unserer Messung um jeweils 1 dB(A).

Wenn der wichtigste Schalter bei Nässe und Kälte spinnt, muss man kreativ werden.
Triumph Tiger Sport 12 kg leichter
Ihren kleinen motorischen Vorsprung verspielt die Triumph Tiger Sport 800 beim Handling. Das bergauf wie bergab etwas diffuse Lenkverhalten der Britin erfordert nämlich eine strenge Führung, um nicht vom anvisierten Radius abzuweichen. Nach handlichem Einlenken sträubt die vollgetankt zwölf Kilogramm leichtere Tiger Sport sich merklich gegen tiefere Schräglagen und stellt sich wieder auf, wenn man nicht am Lenker dagegenhält.
Außerdem spricht das konventionelle Fahrwerk weniger sensibel an als die elektronisch gesteuerten Federelemente der BMW F 900 XR und bietet auf Dauer den geringeren Federungskomfort. Die Michelin Road 5"A"-Reifen generieren auf nasser Fahrbahn dafür mehr Grip als die Continental RoadAttack 4 der BMW. Trotzdem, der Vorsprung der Triumph Tiger Sport 800 ist schneller dahingeschmolzen als der Schnee auf den Passhöhen.
Bremsleistung im Bergab-Test
Doch Durchzug und Handling sind nicht alles, besonders nicht in den Alpen. Nach einem Kaffeestopp auf dem Sellajoch widmen wir uns der Bremsmessung bergab mit Sozius. Ein wichtiger Wert, denn wenn passabwärts mal ein Reisebus die nächste Kehre blockiert, wird er sicherheitsrelevant. Die BMW F 900 XR zeigt sich dessen bewusst und setzt den Bestwert beim Alpen-Masters 2025. Um voll bepackt von 75 auf 25 km/h zu verzögern, benötigt sie nur 23,1 Meter, und man kann sich auch bei zwölf Prozent Gefälle darauf verlassen, dass das Hinterrad vom einstellbaren ABS am Boden und in der Fahrlinie gehalten wird.
Ganz im Gegensatz zu jenem der Triumph Tiger Sport 800. Ihr ABS bietet keine Einstellmöglichkeiten und kommt bergab an seine Grenzen. Zwar blockiert das Vorderrad nicht, doch bei Vollbremsungen kann das Heck unvermittelt in die Höhe schnappen, und nur manuelles Lösen des Hebels verhindert den Vorwärtssalto. Das Ergebnis: Erst nach 30,5 Metern hat die Tiger Sport 800 von 75 auf 25 km/h verzögert.

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Sozius-Komfort
Während der Bremsmessungen hat der Sozius es auf der Triumph Tiger Sport 800 etwas bequemer, mal abgesehen vom Adrenalin, dass bei Zwei-Personen-Stoppies in die Adern strömt. Das Sitzpolster in zweiter Reihe taugt bei der Britin auch für längere Etappen gut, der Kniewinkel ist ebenfalls erträglich, wenngleich das Arrangement nicht mit dem einer Reiseenduro mithalten kann.
Bei der BMW F 900 XR fällt der Sitz im Vergleich zur Triumph sehr kurz aus, und man hat beim Beschleunigen eher das Gefühl, nach hinten herunterrutschen zu können. Hier zahlt der Sozius den Preis für die sportliche Optik des kurzen Hecks. Auf beiden Crossovern stören die Seitenkoffer den 1,83 Meter großen Beifahrer nicht und fügen sich passgenau in die Kniebeuge ein.
Der etwas höhere ergonomische Komfort der Triumph Tiger Sport 800 kann letztendlich nichts mehr daran ändern, dass die BMW F 900 XR den Alpen-Vergleichstest in der Crossover-Gattung gewinnt. Die souverän handelnde BMW F 900 XR wird den Ansprüchen an eine Alpen-Tour besser gerecht als die lebendigere, dafür zappelige Tiger Sport