BMW R 1200 RT im Fahrbericht
Neuer Wasserboxer in der Touring-Galaxie

Als drittes Wasserboxer-Modell startet die BMW R 1200 RT mit neuem Design und aufgewerteter Ausstattung in neue Touring-Galaxien. Formal wie fahrdynamisch rückt sie näher an das Sechszylinder-Flaggschiff BMW K 1600 GT.

Neuer Wasserboxer in der Touring-Galaxie
Foto: BMW

Der spanische Señor hält den Kopf aus dem Fenster seines Seats. „Watercooled?“ Si, si, stimmt. Der neue Motor der BMW R 1200 RT hat nun wie die 2013er-GS kühlende Wassermäntel um die Brennräume. Kombiniert mit höherer Schwungmasse von Kurbelwelle und Lichtmaschine. Links und rechts in der neuen, ausladenden Vollverkleidung sitzen zwei dezente Wasserkühler. Zudem werden die Zylinderköpfe von oben nach unten statt von hinten nach vorn durchströmt. BMW verspricht maximal 125 PS, ebenso viele Newtonmeter. Beim luft-/ölgekühlten Motor waren es 15 PS und fünf Newtonmeter weniger.

Kompletten Artikel kaufen
BMW R 1200 RT im Fahrbericht
Neuer Wasserboxer in der Touring-Galaxie
Sie erhalten den kompletten Artikel (2 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Angenehm beim Abbiegen und im Stadtgewusel: der enge Wendekreis und die leichtgängige, fein dosierbare Ölbadkupplung der BMW R 1200 RT. Plötzliches Absterben bei untertourigem Anfahren kennt dieser Motor im Gegensatz zur Standard-GS dank vergrößerter Schwungmassen nicht. Hängt aber trotzdem fein am Gas und macht draußen auf der Landstraße jede Menge Laune. Kommt mächtig von unten und bietet ab 6000 Touren kräftigen Zusatzschub, begleitet von dumpf grollendem Boxer-Blubbern. Bei so viel Drehmoment gibt die serienmäßige Stabilitätskontrolle ASC willkommene Sicherheit. Zwei Fahrmodi, „Road“ und „Rain“, bewirken unterschiedliche Eingreifschwelle und Gasannahme.

BMW R 1200 RT mit optionaler Berganfahrhilfe

Der Straßenmodus passt bei Sonnenschein perfekt, da wirkt der „Dynamic“-Modus entbehrlich. Mit ihm hängen die elektronisch betätigten Drosselklappen noch direkter am Gas, lässt die Stabilitätskontrolle mehr Schlupf zu, regelt aggressiver. Diesen dritten Fahrmodus bündelt BMW mit einer Anfahrhilfe zu einem aufpreispflichtigen Sonderausstattungspaket. Die „Hill Start Control“ der BMW R 1200 RT soll Anfahren am Berg oder bei Gefälle erleichtern: Wird im Stand stark mit dem Handhebel gebremst, hält die verzögerungsstarke Teilintegralbremse den Heckstopper so lange zugekniffen, bis der Fahrer den ersten Gang einlegt und einkuppelt. Dann braucht es etwas mehr Gas, um losfahren zu können, man gewöhnt sich aber schnell daran.

Mehr Anpassung verlangt die zweite Weltneuheit bei Serienmotorrädern: Der optionale Schaltassistent „Pro“ ermöglicht nicht nur Hoch-, sondern auch Runterschalten ohne Kuppeln. Unter viel Last bei voller Beschleunigung ist Hochschalten auf diese Art ein Genuss. Umgekehrt klappt Runterschalten im Schiebebetrieb bei geschlossenem Gasgriff dank selbsttätiger Zwischengas-Funktion verblüffend gut. Im Teillastbereich geht in beide Schaltrichtungen mitunter ein harter Ruck durch dieBMW R 1200 RT, das ist gewöhnungsbedürftig.

Semiaktives Fahrwerk als Sonderausstattung

Ansonsten ist die neue BMW R 1200 RT ganz die Alte. Sie ist toll ausbalanciert, schwingt herrlich handlich von einer Seite auf die andere, bleibt präzise auf Kurs. Ein dynamischer Tourer par excellence. Er soll ohne Extras und mit zu 90 Prozent gefülltem 25-Liter-Tank 274 Kilogramm wiegen, inklusive serienmäßigen Koffern, also nicht mehr als der Vorgänger. Selbst auf deutschen Autobahnen mit vollem Gepäck rennt der Reise-Tourer stoisch geradeaus, bei Tachoanzeige 240 echte 225 km/h. Bei Tempo 130 rotiert die Kurbelwelle gut 4500-mal pro Minute. Speziell bei mittleren Drehzahlen vibriert der Boxer spürbar, in den Griffen noch mehr als am Tank. Doch nie störend. Läuft schön smooth, der Wasser-Flat-Twin.

Endgültig zum Raumgleiter wird die BMW R 1200 RT durch das semiaktive Fahrwerk als Sonderausstattung. Mit Dynamic-ESA bestückt, fischen die fein ansprechenden Federelemente Störimpulse aller Art souverän raus. Der Federungskomfort setzt Maßstäbe. Beim Bremsen wie Beschleunigen hält die selbsttätig regulierende Dämpfung Front und Heck weitgehend in der Balance.

Hohe Schräglagenfreiheit trotz Absenkung

Prima: Die neu im Windkanal optimierte Scheibe schirmt hochgefahren unter leichtem Sog vollflächig ab. Selbst tief gestellt schützt sie Rumpf und Schultern ohne störende Turbulenzen. Allerdings wird’s dann lauter. Lenkerhälften, Fußrasten und der höhenverstellbare Fahrersitz wurden gegenüber der alten BMW R 1200 RT um je zwei Zentimeter abgesenkt, gut für kleine Touristen. Trotzdem ist die Schräglagenfreiheit hoch.

Genau wie der Sitzkomfort auf den vorn wie hinten verlängerten Sitzen. Sie sind für Extra-Euros beheizbar, Heizgriffe aber Serie. Viele Funktionen des Bordcomputers und perfekte Ablesbarkeit seines 5,7 Zoll großen Farbdisplays bringen viel Lesespaß beim Kilometerschrubben. Der Tourentest über die gut 2000 Kilometer von Almería nach Stuttgart folgt in MOTORRAD, Ausgabe 5/2014. Macht mächtig Spaß, der renovierte Raumgleiter. Auch bei Nacht, wenn die neuen LED-Scheinwerfer mit optionalem Tagfahrlicht superhell leuchten. Nicht zu übersehen: Da ist ein neuer Stern aufgegangen am Tourerhimmel.

Daten und Fakten

BMW
Ein 5,7 Zoll großes Farbdisplay präsentiert die Informationsflut des Serien-Bordcomputers. Das integrierte Navi kostet extra.

Motor

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 540 W, Batterie 12 V/16 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,910.
Bohrung x Hub: 101,0 x 73,0 mm
Hubraum: 1170 cm³
Verdichtungsverhältnis: 12,5:1
Nennleistung: 92,0 kW (125 PS) bei 7750/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 6500/min

Fahrwerk

BMW
Der optionale Schaltassistent „Pro“ erlaubt Hoch- und sogar Runterschalten ohne Kupplung. Braucht Gewöhnung.

Tragender Motor-Getriebe-Verbund, längslenkergeführte Telegabel, Ø 37 mm, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 276 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße und Gewichte

Radstand 1485 mm, Lenkkopfwinkel 63,6 Grad, Nachlauf 116 mm, Federweg v/h 120/136 mm,  Sitzhöhe 805–825 mm, Leergewicht 274 kg, zulässiges Gesamtgewicht 495 kg, Tankinhalt/Reserve 25,0/4,0 Liter.
Gewährleistung: zwei Jahre     
Farben: Blau, Grau, Schwarz
Preis: 16.990 Euro
Nebenkosten: 390 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023