Dauertest-Zwischenbilanz BMW K 1200 S
Der Ernst des Lebens

Nachdem BMWs neues Powerbike in vielen Tests glänzte, wartet nun die ultimative Prüfung: 50000 Kilometer im Dienst der Redaktion. Eine Zwischenbilanz bei Halbzeit.

Der Ernst des Lebens
Foto: fact

Es war keine leichte Geburt. Steißlage, würde eine Hebamme wohl sagen. Kaum war die gelb-schwarz-silberne K 1200 S nämlich die ersten Meter im Redaktionsauftrag gerollt, stand sie schon in der Werkstatt. Die Kupplung musste wegen ungebührlichen Rupfens getauscht werden, bevor die Bayerin im Schwabenland schließlich richtig ins Leben starten konnte. Dann wurde es ernst.

Doch was heißt hier "ernst": So wie ein frisch gebackener Vater seinem Spross im Kreißsaal ein "was für ein Prachtkerl" entgegenschmettert, begeisterte sich Redakteur Rolf Henniges nach der Jungfernfahrt für den BMW-Nachwuchs. "Ein tolles Motorrad", schrieb er der K ins Stammbuch. Aber er wäre nicht mit Leib und Seele MOTORRAD-Tester, hätte er nicht auch gleich einen kleinen Makel ausgemacht. Nur einen Satz später bescheinigt er der Hinterradbremse schlechte Dosierbarkeit.

Ein Urteil, das umgehend bestätigt wird. Und zwar von einem, der es wissen muss. Der Chef selbst ließ es sich nicht nehmen und trieb die K sowohl über die gefürchtete Hausstrecke über den Pragsattel als auch in Windeseile über 1000 Kilometer nach Oschersleben und zurück. "Guter Wetterschutz, gute Restreichweitenanzeige, Hinterradbremse schwach", bringt er die Sache auf den Punkt.

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Testbeginn

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Los geht's in den Dauertest.

In den folgenden drei Monaten spulte die Dauertest-K im Expresstempo 10000 Kilometer ohne technische Probleme ab. Allerdings mit durchaus unterschiedlichen Kommentaren. Je nachdem, ob die 1200er im Überlandverkehr oder im Alltag in der Stadt unterwegs war, erntete sie entweder viel Lob für die unabhängig von der Körpergröße hervorragende Ergonomie, den kräftigen Motor, die tolle Stabilität und das auf Knopfdruck einstellbare, aufpreispflichtige ESA-Fahrwerk – oder geharnischte Kritik für die nach wie vor rupfende und schwergängige Kupplung, die teilweise kernigen Vibrationen im mittleren Drehzahlbereich, die schlecht dosierbare Bremse, das taumelige Langsamfahrverhalten und nicht zuletzt für das Getriebe.
"So laut, dass sich die Passanten nach einem umdrehen", notiert einer der peinlich berührten K-Treiber, weil die unfreiwillig zuhörende Umwelt dieses Malheur eben nicht den verantwortlichen BMW-Ingenieuren, sondern dem unschuldigen Fahrer anlastet. "Getriebe funktioniert am besten morgens nach einer minus fünf Grad kalten Nacht, wenn das Öl die ätzenden Schläge und Geräusche in seiner Zähflüssigkeit ertränkt", sinniert ein weiterer Kollege resignierend.

Trotzdem ein kleiner Tipp für den Fahrbetrieb: Wie auf der Rennstrecke mit dem Fuß den Schalthebel "vorspannen", nur ganz kurz mit der Gashand zucken, und "pflop", liegt exakt und vor allem praktisch geräuschlos die nächste Fahrstufe an. Die seismographisch relevanten Erschütterungen, die das Einlegen des ersten Gangs an der Ampel in der Regel erzeugen, lassen sich so hingegen nicht vermeiden. Unerwünschte Fahrwerksreaktionen, die auf das Konto der Reifen gehen, hingegen schon. Bei 13200 Kilometern geschah etwas, was selbst notorische Zweifler im Glauben an die Wundertätigkeit des schwarzen Goldes bestärkte. Fuhrparkchef Gerry Wagner zog nach insgesamt zwei Hinter- und einem Vorderreifen der Erstbereifung Bridgestone BT 014 einen Satz Michelin Pilot Power auf. Ein Ereignis, das nicht unbeachtet blieb. "Was Reifen aus so einem Motorrad machen können! Bitte keine anderen mehr als den Pilot Power verwenden." Dieser Kommentar darf stellvertretend stehen für die einhellige Meinung der gesamten Fahrerschaft, die sich auf der Michelin-bereiften 1200er durchweg pudelwohl fühlte und dem französischen Pneu insbesondere ein verbessertes Handling und eine transparentere Rückmeldung gutschrieb. Mit der Folge, dass Gerry die Bitte erhörte und seither keinen anderen Pneu mehr aufzog.

Kleine Pannen

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MOTORRAD geht den Dingen auf den Grund.

Dafür stellte sich bei rund 15000 Kilometern der erste ernst zu nehmende Defekt ein. Die BMW litt an schleichender Inkontinenz des Kühlflüssigkeitsbehälters, ein Leck war jedoch nicht zu erkennen. Die BMW-Werkstatt ging der Sache schließlich auf den Grund und fand einen undichten Simmerring an der Wasserpumpe, weshalb Kühlflüssigkeit ins Motoröl gelangen konnte. Zum Glück wurde dieser Schaden rechtzeitig entdeckt.

Deutlich länger brauchte es, um der Ursache für einen praktisch von Anfang an vorhandenen Gendefekt auf die Spur zu kommen. Die Rede ist von der unzureichenden Hinterradbremse, die im Lauf der Zeit hinsichtlich Wirkung und Dosierbarkeit immer mehr zu wünschen übrig ließ. Selbst die BMW-Werkstatt wusste nach einem umfangreichen Bremsencheck keinen Rat, entdeckt wurde der Fehler zufällig. Die Rückholfeder des Bremshebels hatte sich mit Nachdruck ins weiche Aluminium gearbeitet und derart verkeilt, dass eine Betätigung der Bremse kaum mehr möglich war. K 1200 S-Besitzer, die ebenfalls Schwierigkeiten mit der hinteren Bremse haben, sollten daher ein Auge auf ihre Halteplatte und den Bremshebel werfen.

Und auf den Steuerkettenspanner, wenn sich nach jedem Anlassen ein mechanischer Klangteppich der schlimmsten Art über die große K legt. Selbst wenn die autorisierte Fachwerkstatt sagt, das sei normal: Glauben Sie es nicht, nach dem Tausch des Steuerkettenspanners und einer Vorspannung der Feder auf die maximal zulässigen drei Millimeter war das Problem deutlich gemildert. Dafür traten mit Erreichen der Halbzeit bei 25000 Kilometern andere Schwierigkeiten auf. So quittierte der linke Blinkerschalter den Dienst, und die Kupplung rupft zunehmend stärker und lässt sich immer schlechter dosieren. Der Ölverbrauch hingegen, bei früheren BMW-Dauertests ein immerwährendes Thema, war bisher keines. Gerade einmal 0,8 Liter wurden über rund 27000 Kilometer außerplanmäßig nachgefüllt.
Die Werkstatt ersetzte noch die Kugelgelenklager des Duolevers gegen modifizierte, die mittlerweile in alle K-Modelle eingebaut werden und bei problematischem Langsamfahrverhalten von BMW auch in älteren Modellen nachgerüstet werden. Ebenso wie die Hohlschraube der Handbremspumpe, die BMW bei 90000 Motorrädern tauschte, um Druckspitzen in der Bremshydraulik zu verhindern, die bei Fahrertrainings und ihren speziellen Bedingungen zum ABS-Ausfall führen konnten. Wohin der MOTORRAD-Langstreckentest noch führt, werden die restlichen 23000 Kilometer zeigen.

Meinungen

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Fazit: Die BMW ist ein großer Tourer mit speziellen Schwächen.

Kasten Schwers, Tester

Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust: Zum einen finde ich den Langstreckenkomfort, die Motorleistung und das ESA-Fahrwerk der K 1200 S absolut begeisternd, zum anderen würde ich mir an vielen Stellen den japanischen Standard wünschen. Das Getriebe, das Spiel im Antriebsstrang und die gelegentlichen Zicken von ABS und Bremskraftverstärker – beide waren vor allem bei den Fahrversuchen mitunter nicht einsatzbereit – sollten die Münchner der großen K noch austreiben.

Werner Koch, Redakteur

Fahren, fahren, fahren – es gibt fast nix Besseres für die Marathon-Tour, als die K 1200 S. Draufsetzen, wohl fühlen. Und das stundenlang. Zu dem Super-Sitzkomfort kommt dann noch mächtig Druck im Kessel. Außerdem ist die K mit den richtigen Gummis ein erstaunlich zackiger Kurvenwetzer. Angesichts dieser Tourenqualitäten gehen die etlichen Macken bei Motor und Antrieb fast unter. Fehlt nur noch ein 50-Liter-Tank.

Rolf Henniges, Redakteur

Die K 1200 S ist schnell beurteilt: Gasannahme und Lastwechselreaktionen unbefriedigend, das Getriebe eine halbe Katastrophe. Hinzu kommen störende Vibrationen. Nicht, dass man sich mit dem bajuwarischen Versuch, ein starkes Motorrad zu bauen, nicht arrangieren könnte. Nein. Kann man garantiert. Doch allein schon wegen den hakigen, hart rastenden Gängen würde ich sie dem Händler wieder auf den Hof stellen. Abgesehen von diesen elementaren Querelen ist die K ein prima Tourenbike.

Zubehör


Es gibt Motorräder, bei denen man schon nach den ersten Metern weiß, was man gerne einmal ausprobieren möchte, um das Motorrad besser zu machen. Die BMW K 1200 S gehört nicht dazu. Beispiel Fahrwerk: Mit dem aufpreispflichtigen ESA-Fahrwerk verfügt die Bayerin über ein einmaliges Feature in der Motorradwelt. Es reicht ein Knopfdruck statt aufwendigen Umbaus der Federbeine, um von Komfort auf Sport, von leer auf volle Beladung umzustellen. Und auch die ergonomischen Verhältnisse decken eigentlich alle Ansprüche ab. Trotzdem hat MOTORRAD natürlich einiges ausprobiert. Vor allem der Superbike-Lenker von Rizoma und die MRA-Spoilerscheibe gefielen, während der Remus PowerCone-Auspuff und die Fußrastenanlage von Wunderlich schnell wieder verschwanden.

Brems-/Kupplungshebel "VarioLever"

Das Verlockende am einstellbaren Brems-/Kupplungshebel "VarioLever" von Wunderlich (79 Euro) ist das Versprechen, die Dosierbarkeit der bremskraftunterstützten Bremsanlage der K 1200 S durch die Verkürzung des Hebels zu verbessern. Funktioniert aber nicht so recht. Dafür lagen die Hebel nicht eben günstig in der einen oder anderen Fahrerhand, so dass MOTORRAD das feine Finish der Funktion opferte und wieder auf Originalhebel zurückrüstete.

Superbike-Lenker und –Gabelbrücke

Hier waren der Wunsch nach Individualisierung und die unansehnliche Original-Gabelbrücke Auslöser für die Umrüstung. Die unkomplizierte Montage des "Power Sportego", das feine Finish und auch das Handling dieser vielfach einstellbaren Kombination (Wunderlich, Gabelbrücke 399 Euro, Lenker 89 Euro) konnten überzeugen, so dass wir viele tausend Kilometer damit verbrachten. Besonders in der Stadt und auf der Landstraße hat man die K am breiten Lenker gut im Griff.

Touringscreen MRA-Vario

Der Wunsch nach besserem Windschutz stellt sich bei einem Autobahnfeger wie der K 1200 S beinahe zwangsläufig ein. Ein Wunsch, den MRA für 119,90 Euro in den meisten Fällen zuverlässig befriedigt. So auch dieses Mal mit der Vario Touringscreen, die über einen siebenfach einstellbaren Zusatzspoiler verfügt, der den individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann und selbst mit dem hohen Superbike-Lenker noch exzellenten Windschutz liefert.

Rizoma-Rastenanlage SportVario

Gundsätzlich ist an der serienmäßigen Fußrastenanlage der K 1200 S nichts auszusetzen. Außer vielleicht, dass sie in Finish und Materialauswahl doch sehr "funktionell" ausfällt. Gerade daran hapert es aber bei der Rizoma-Rastenanlage "SportVario (399 Euro, Wunderlich). Da die Halteplatte weiter nach außen ragt, muss der Fahrer die Beine unnötig weit spreizen. Gleichzeitig ist auch der Seitenständer sehr schlecht erreichbar.

Auspuff PowerCone

Wem das serienmäßige Ofenrohr der K 1200 S nicht gefällt, der findet auf dem Zubehörmarkt mannigfaltigen Ersatz. MOTORRAD orderte mit dem Remus PowerCone aus Titan (Phoenix Motorrad-Tuning, 345 Euro) sehr schlanken, einfach und problemlos zu montierenden Ersatz. Zur obligatorischen Leistungsmessung kam es jedoch nicht, weil das optisch sehr gefällige Rohr derart laut war, das niemand länger guten Gewissens damit herumfahren wollte.

Reifen

K 1200-S-Besitzer können froh sein: Die Qual der Wahl hat man angesichts von vier freigegebenen Paarungen nicht. Ebenso wenig wie hinsichtlich der Dimension. Vorne rollt die BMW auf dem üblichen 120/ 70-Format, hinten kommt ein fetter 190/50-Schlappen zum Einsatz. Dabei ist die Ausrichtung bis auf den einzigen Tourenreifen im Quartett, den Michelin Pilot Road, eindeutig sportlich. Bei der Reifenempfehlung wurde lediglich die reine Performance berücksichtigt, nicht das Verschleißverhalten. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bei einem Tourensportreifen mit deutlich längerer Lebensdauer zu rechnen ist als bei einem Sportreifen. Der Pilot Road kann daher eine echte Alternative sein.

Bridgestone BT 014

Die Erstbereifung ist nicht die zwangsläufig erste Wahl. Etwas träger in der Handlichkeit als Sportec M1 oder Michelin Pilot Power, ist beim Bridgestone in Schräglage leichter Druck am Lenkerende notwendig, um die K 1200 S auf Kurs zu halten. Dazu kommt spürbares Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage und eine nicht eben transparente Rückmeldung. Insgesamt ein gutmütiger Reifen mit guter, aber keinesfalls überragender Haftung für alle Alltagssituationen.

Metzeler Sportec M1

Der Sportec M1 glänzt auf der BMW mit guter Handlichkeit, jedoch braucht auch er in Schräglage Druck am Lenkerende, weil sonst das Vorderrad spürbar einklappt. Ebenso macht sich die harte Karkasse beim Überfahren von Bodenwellen in Schräglage bemerkbar. Und beim Bremsen in Kurven ist ein deutliches
Aufstellmoment zu verzeichnen. Dafür liefert der Sportec exakte Rückmeldung und satte Haftung selbst dann, wenn schon die Fußrasten am Boden schleifen.

Michelin Pilot Power

Der Pilot Power überzeugt auf der großen BMW in jeder Hinsicht. Er gibt sich nicht nur wunderbar handlich und lenkt extrem leicht ein, sondern liefert zudem exakte Rückmeldung. Dazu gesellt sich ein geringes Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Beim Überfahren von Bodenwellen spürt man die weiche Karkasse. Ein sehr sportlich zu fahrender Reifen, der zudem im Regen ganz eindeutig zum Besten gehört, was man für Geld und gute Worte kaufen kann.

$(text:b:Michelin Pilot Road)

Der Pilot Road verhält sich sehr neutral über den gesamten Schräglagenbereich, gibt sich allerdings etwas unhandlicher als die reinen Sportreifen. Beim Überfahren von Bodenwellen besitzt er sehr gute Eigendämpfung. Etwas schlechter ist das Gefühl fürs Vorderrad bei extremer Schräglage. Dennoch bietet auch der Pilot Road genügend Grip für die meisten Alltagssituationen, wenn auch nicht auf dem Niveau der Sportreifen. Beim Bremsen in Schräglage stellt er sich leicht auf.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023