Keine Frage, viele hatten sich auf eine ganz neue FJR 1300 eingerichtet. Und was stellt uns Yamaha hin? Eine alte Bekannte im neuen Outfit. Aber manchmal wirkt so eine Frischzellenkur ja Wunder.
Keine Frage, viele hatten sich auf eine ganz neue FJR 1300 eingerichtet. Und was stellt uns Yamaha hin? Eine alte Bekannte im neuen Outfit. Aber manchmal wirkt so eine Frischzellenkur ja Wunder.
Es gibt Komplimente, die macht man nur hinter vorgehaltener Hand. „Die hat sich aber gut gehalten“ gehört dazu, weil es eindeutig auf das Verfallsdatum anspricht. Darüber redet niemand gern. Außer bei Yamaha. „Als wir die FJR 1300 im Jahr 2001 vorstellten, haben wir dem Touring-Segment eine neue Dynamik gegeben“, lautet zuverlässig der erste Satz einer FJR-Präsentation. Genauso ist es, da haben die Yamaha-Strategen recht und erinnern sich auch heute noch bei jeder Gelegenheit gerne daran. Woran man sie hingegen bisweilen erinnern muss, ist die zeitliche Dimension. „Hallo, das war vor über einem Jahrzehnt“, möchte man ihnen zurufen. „Inzwischen hat sich viel getan.“
Genau, das hat es. Eine Kawasaki GTR 1400 kam, die BMWs K 1200 GT und K 1300 GT kamen und gingen, ein Sechszylinder aus München flutete die Szene mit Leis-tung, Drehmoment und einem Elektronik-Feuerwerk. Nur die FJR blieb, wie sie war. Jedenfalls in ihren Grundfesten. Daran hat sich auch im Modelljahr 2013 nichts geändert. „Warum auch?“, fragt man bei Yamaha. „Was können andere, was die FJR nicht kann?“
Genau darum soll es hier gehen. Um das herauszufinden, sind wir hier. Mitten in Spanien, westlich von Madrid. Kühl ist es hier am frühen Morgen, nur langsam taut die Sonne den nachtkühlen Asphalt auf. Zeit für die Heizgriffe, und der erste scheinbar kleine Fortschritt der neuen FJR ist ein richtig großer. Zum einen, weil es nun auch Yamaha endlich geschafft hat, ohne grobschlächtigen Gasgriff und baumelnde Kabel für warme Finger zu sorgen. Und zum anderen, weil sich diese FJR-Funktion - wie noch viele andere - zentral vom linken Lenkerende steuern lässt. Eine Menütaste, eine Schaltwippe - mehr braucht es nicht, um die dreistufigen Heizgriffe zu aktivieren. Oder die Höhe des neuen, ausladenderen Windschilds. Oder die neuen Funktionen des Digitaldisplays, in dem sich von der Außentemperatur bis zum Durchschnittsverbrauch, der effektiven Fahrzeit oder der Durchschnittsgeschwindigkeit alles übersichtlich abrufen lässt.
Das ist ein Fortschritt, keine Frage, angesichts des eher rudimentären Infogehalts der Vorgängerin. Und es entspricht zeitgemäßem Touring-Standard. Dasselbe gilt für den neuen, serienmäßigen Tempomat, der vom linken Lenkerende aus intuitiv zu bedienen ist und per Knopfdruck die Geschwindigkeit in Zwei-Kilometer-Schritten variiert. Die Position der breiteren, höheren und nun anders hinterströmten Frontscheibe lässt sich hingegen stufenlos einstellen. Auch gibt es jetzt eine Memory-Funktion, damit man sie nicht nach jedem Stopp neu justieren muss. Der Windschutz ist zweifelsfrei besser als bisher, auch wenn es bis zur Ruhe hinter einer K 1600- oder gar Pan European-Scheibe noch ein großer Schritt ist.
Aber den will man bei Yamaha ja ganz bewusst nicht gehen, wie in den spanischen Bergen immer wieder betont wird. Im Gegenteil: Man habe mit dem stabilen Fahrwerk, dem kräftigen Motor, den übersichtlichen Abmessungen und dem für die Touring-Klasse geringen Gewicht (298 Kilogramm vollgetankt) ja gerade das Pfund, mit dem man wuchern könne. Aus dieser Sicht heraus ist es nur logisch, dass Yamaha an den Eckwerten festhielt und lediglich im Detail optimierte. Bei der Gemischaufbereitung zum Beispiel, wo statt der gefühlvollen Gashand jetzt rechnergesteuerte Stellmotoren das Öffnen der Drosselklappen übernehmen, und zwar in Perfektion. Sanfte, aber bestimmte Gasannahme, ruckfreie Beschleunigung, nachdrücklicher Schub über den gesamten Drehzahlbereich - in dieser Hinsicht gibt es bei der Neuen wirklich nichts zu klagen, zumal der 1300er bei der Modellpflege vor allem dank neuer, wirksamerer Katalysatoren (jetzt zwei statt vorher vier) auch knapp drei PS mehr Leistung mobilisiert.
Doch darum ging es nur in zweiter Linie, denn die FJR ist leistungsmäßig auch heute noch gut aufgestellt. Vorrangiges Ziel war es vielmehr, eine Traktionskontrolle und zwei unterschiedliche Mapping-Varianten zu installieren. Dabei öffnet „S“ die Drosselklappen deutlich weiter als der zahmere „T-Modus“, den es aber angesichts der tadellosen Manieren der S-Variante eigentlich nicht braucht. Ebenso wenig wie die (abschaltbare) Traktionskontrolle. Jedenfalls auf dem Gourmet-Asphalt im spanischen Hinterland, während sie bei Regen oder auf losem Terrain gewiss gute Dienste leistet. Unter diesen Bedingungen freut man sich auch über das ABS, das unverändert übernommen wurde und zuverlässig, allerdings nach wie vor auch mit etwas grobschlächtigen Regelfrequenzen seiner Aufgabe nachkommt. Allerdings sollte, wer kräftig verzögern will, immer den Fußbremshebel mitbenutzen, weil beim teilintegralen Yamaha-System erst dann die versammelte Bremskraft vorne zur Verfügung steht, während beim Zug am Bremshebel die hintere Bremse außen vor bleibt.
Doch das nur am Rande. Was machen die wichtigsten Neuerungen, das elektrisch verstellbare Fahrwerk und die zweite Generation des kupplungsfreien Getriebes YCC-S? Beides steht leider erst im Frühjahr in der AS-Version zur Verfügung, und zwar nur im Paket. Bis dahin müssen FJR-Interessenten mit dem überarbeiteten Basis-Fahrwerk vorliebnehmen, das etwas straffer abgestimmt wurde (siehe rechts) und neue Reifen (Bridgestone BT023 oder, wie beim gefahrenen Exemplar, Metzeler Roadtec Z8 Interact) erhielt. Doch ist dies auch die einzige Modifikation der neuen FJR, die nicht voll und ganz überzeugt, weil - so zumindest der Eindruck beim Fahrtermin in Spanien - dabei etwas Rückmeldung und Neutralität auf der Strecke -blieben, denn die FJR ließ sich von Bodenwellen in Schräglage spürbar vom Kurs abbringen. Endgültigen Aufschluss darüber kann aber erst ein ausführlicher Test liefern.
Bis dahin dürfen potenzielle FJR-Neukunden und FJR-Besitzer (weltweit wurden 95 000 FJRs verkauft) darüber nachdenken, ob sie angesichts des unveränderten Preises von 17 395 Euro nicht doch beim freundlichen Yamaha-Händler vorbeischauen. Oder besser: Ob sie wirklich mehr brauchen, als die FJR 1300 bietet, denn sie hat sich in der Tat gut gehalten. In den zwei unterhaltsamen Tagen im Hinterland von Madrid jedenfalls hat kaum jemand etwas vermisst. Nicht einmal den sechsten Gang oder Overdrive, denn längere Autobahnetappen fanden sich nicht auf der Präsentations-Route.
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei Ausgleichswellen, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 42 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 490 W, Batterie 12 V/12 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,773.
Bohrung x Hub 79,0 x 66,2 mm
Hubraum 1298 cm³
Verdichtungsverhältnis 10,8:1
Nennleistung 107,5 kW (146 PS) bei 8000/min
Max. Drehmoment 138 Nm bei 7000/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Telegabel, ø 48 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Teilintegral-Bremssystem mit ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Maße+Gewichte
Radstand 1545 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 Grad, Nachlauf 109 mm, Federweg v/h 135/125 mm, Gewicht vollgetankt 289 kg, Tankinhalt 25,0 -Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Braun, Schwarz, Silber
Preis 17 395 Euro
Nebenkosten 230 Euro
Was ist neu?