Barcelona eine perfekte Wahl von Ducati für die Präsentation ihrer beiden Modelle: des neuen Sporttourers ST 3 und des erstarkten Supersportlers 749 S. Erstens bietet das Hinterland
der katalanischen Metropole wahrhaft atemberaubend schöne Straßen, zweitens holte Werksfahrer Loris Capirossi auf dem Circuito Catalunya im Juni mit seiner
Desmosedici den historischen ersten
MotoGP-Sieg für die rennsportverrückte Motorradmarke aus Bologna.
Wie kaum ein anderer Hersteller steht Ducati für Sport. Und weil dort neben einem stabilen Chassis und Top-Bremsen eben vor allem die Leistung zählt, sollte nun auch die Sporttourer-Familie diesem Image noch stärker gerecht werden (siehe auch Kasten rechts). Deren Einstieg
bildete bislang die etwas in die Jahre
gekommene ST 2, ausgerüstet mit einem wassergekühlten Zweiventil-Triebwerk mit 83 PS. Das war nicht gerade ein Aus-
bund an Leistungsfreude, auf der anderen Seite aber ein überaus sympathischer Zeitgenosse. Was also tun, um dessen bärigen Charakter mit viel Druck aus dem Drehzahlkeller zu erhalten, gleichzeitig
jedoch ein deutliches Plus an Leistung
zu erzielen? Ducati wählte einen wassergekühlten V2 mit je zwei Einlassventilen und einem großen Auslassventil, zusätzlich erhielt der Zweizylinder Doppelzündung. Er soll das Beste aus zwei Welten verbinden: den bulligen Antritt eines Zweiventilers sowie die Drehfreude eines Vierventilers.
Und in der Tat, der erste Eindruck, den dieser Antrieb hinterlässt, ist wirklich überzeugend. Ducati scheute dabei die Konkurrenz aus dem eigenen Stall nicht
im Gegenteil: Für Vergleichszwecke stand eine ST 4 S zur Verfügung. Mechanisch arbeitet der Dreiventiler im Leerlauf etwas lauter als der Desmoquattro, doch wer daraus auf eine schlechtere Laufkultur schließt, den straft die ST 3 bereits nach wenigen Kilometern Lügen.
Der nominell 102 PS leistende V2 läuft samtig weich und zieht, untermalt von einem sonoren Grollen, ab Standgas druckvoll los. Kein Kettenpeitschen und
im Gegensatz zum Vierventiler
keine lästigen Lastwechselreaktionen, was einem insbesondere in engen Kehren und dementsprechend niedrigen Gängen das Leben um einiges leichter macht. Bestens geeignet für lässiges
Dahingleiten, ein Twin für Genießer. Bis 7000/min ist die Neue der 15 PS stärkeren ST 4 S absolut ebenbürtig, doch auch über dieser Marke dreht das Triebwerk bei Bedarf munter weiter. Wer gerne und oft über Landstraßen tourt, sollte also den Dreiventiler in die engere Wahl ziehen.
Spürbare Unterschiede zum 2000 Euro teureren S-Modell offenbaren sich vor allem beim Fahrwerk. Das fühlt sich satter an, wirkt etwas erwachsener. Während die nur in der Federbasis einstellbare Gabel der ST 3 relativ straff abgestimmt ist, setzt das gut ansprechende Federbein von Sachs auf Komfort.
Dies freut beim Touren, begrenzt jedoch die sportlichen Talente der Ducati. Die Schräglagenfreiheit der ST 3 dürfte ruhig größer ausfallen. Speziell mit Zuladung setzt der Hauptständer zu früh und lange vor den Fußrasten auf. Schade, denn mit ihrem neutralen Fahrverhalten und der tollen Lenkpräzision fährt die ST 3 auf hohem Niveau, was auch an der hervorragenden Erstbereifung Pirelli Diablo liegt.
Ebenfalls lobenswert: Die neu gestaltete, deutlich höhere Verkleidung hält den Winddruck selbst bei hohen Geschwindigkeiten gering, die um 20 Millimeter
in der Höhe verstellbaren Lenkerhälften
und die stärker gepolsterte Sitzbank verbessern den Komfort auf längeren Touren deutlich. Schön außerdem, dass sich
die neuen, leuchtstärkeren Scheinwerfer im Stand per Stellmotor justieren lassen. Einfacher geht es nicht.
So eine elegante Lösung zum Regulieren der Leuchtweite bietet die 749
S nicht, dafür aber ein Top-Fahrwerk. Traumhaft stabil, handlich, präzise, ausgestattet mit einer der derzeit besten
Serien-Bremsanlagen von Brembo. Dazu gesellen sich hervorragende Federelemente von Showa. Die Tauchrohre der 43er-Upside-down-Gabel sind Titannitrid-beschichtet, um das Ansprechverhalten zu verbessern. Aufgrund seiner Stabilität flößt der Sportler selbst beim harten Bremsen unglaublich viel Vertrauen ein, überzeugt mit wunderbar neutralem und zielgenauem Einlenken bis hinunter in wahrhaft tiefe Schräglagen.
Die 749 S, ein Rennmotorrad wie
aus dem Bilderbuch. Zubehörverkleidung dran (spart Kosten), Rennreifen drauf (lässt einen das hervorragende Fahrwerk voll auskosten) und ab auf die Rennstrecke. Allerdings fehlte da bislang so ein
kleines Sahnehäubchen Leistung. Doch diese Zeiten sollen nun vorbei sein. In
einer ordentlichen Leistungskur (Details siehe Kasten oben) verpasste Ducati dem kleinen Testastretta satte sieben PS mehr. In der Supersport-Klasse mit ihrer hohen Leistungsdichte bedeutet das eine Welt.
Verifizieren lässt sich das freilich erst auf dem Prüfstand. Gefühlsmäßig jedenfalls hat das Triebwerk deutlich zugelegt. Vor allem die Drehfreude ist eine wahre Pracht. Der Twin schiebt über 7000/min beinahe aggressiv vorwärts. Mit seinem breiten nutzbaren Leistungsband erspart er einem auf der herrlichen und anspruchsvollen Strecke von Barcelona ein ums andere Mal lästige Gangwechsel. Was Lust auf mehr macht. Der erste
ausführliche Test folgt in Kürze, das gilt natürlich auch für die ST 3.
Technische Daten: Ducati ST 3
Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je eine obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, drei Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 50 mm, Motormanagement, ungeregelter Katalysator, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 520 W, Batterie 12 V/16 Ah.Bohrung x Hub 94 x 71,5 mmHubraum 992 cm3Verdichtungsverhältnis 11,3:1Nennleistung 75 kW (102 PS) bei 8750/minMax. Drehmoment 93 Nm (9,5 kpm) bei 7250/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch be-tätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 42:15.Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zweiarmschwinge aus Stahlprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 320 mm, Vierkolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Zweikolbensattel.Alugussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1430 mm, Lenkkopfwinkel 66 Grad, Nachlauf k. A., Federweg v/h 130/148 mm.Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Blau, Rot, GelbPreis 11195 EuroNebenkosten 200 Euro
Neuerungen ST 3 - Ducati ST 3
Das Dreiventilmodell ersetzt ST 2 und ST 4, die verbesserte Ergonomie
und frische Optik ziert auch die 2004er ST 4 S.
Die ST 3 avanciert zur starken Konkurrenz im eigenen Haus und verdrängt die betagte Ur-ST, deren Konzept Mitte der 90er entstand. Schnäppchenjäger, die mit einer ST 2 liebäugeln, werden noch günstige Angebote ergattern können. Gleiches Schicksal ereilt auch die 105 PS starke ST 4. Sie verfügt zwar über hochwertigere Fahrwerkskomponenten als die ST 3, kann aber in puncto Laufkultur und homogener Leistungsentfaltung aus unteren Drehzahlen nicht ganz mit dem Dreiventiler mithalten. Als Basis für diesen Motor dient das Kurbelgehäuse des luftgekühlten 1000 DS-V2, viel gelobter Antrieb der Multistrada, SS 1000 DS und Monster 1000. Die ST 3 verfügt über das gleiche Bohrung-Hub-Verhältnis wie die 1000er (94 x 71,5 Millimeter). Ebenfalls identisch: Kurbelwelle, Getriebe und der Primärtrieb inklusive der recht schwergängigen Kupplung. Die Zylinder, ähneln denen der Vierventiler, Zylinderkopf, Pleuel, Kolben und die Ventile (Durchmesser Einlass: 34, Auslass: 40 Millimeter) sind dagegen Neuentwicklungen. Die Ventile stehen im 40-Grad-Winkel zueinander.Bei der Zündung setzt Ducati wiederum auf das bewährte System mit zwei Zündkerzen je Zylinder. Die Italiener versprechen sich davon effizientere Verbrennung und geringere Schadstoffemissionen. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen soll deutlich reduziert werden, die thermische Belastung des Zylinderkopfs sinken. Außerdem verringert Doppelzündung bei magerem Gemisch die Gefahr von Fehlzündungen, was eine lange Lebensdauer der beiden Katalysatorenpatronen gewährleisten soll.
Technische Daten: Ducati 749 S
Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, je zwei obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodromisch betätigt, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 54 mm, Motormanagement, ungeregelter Katalysator, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/16 Ah.Bohrung x Hub 90 x 58,8 mmHubraum 748 cm3Verdichtungsverhältnis 12,3:1Nennleistung 81 kW (110 PS) bei 10500/minMax. Drehmoment 78 Nm (7,9 kpm) bei 8500/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 38:14.Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 320 mm, Vierkolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Zweikolbensattel.Alugussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1420 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 95 mm, Federweg v/h 125/128 mm.Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Rot, GelbPreis 14695 EuroNebenkosten 200 Euro
Änderungen 749 S
Die überarbeitete 749 S: für ambitionierte Hobby-Rennfahrer eine günstige Alternative zur 999.
Natürlich sind 14695 Euro für ein Motorrad der Supersportklasse kein Pappenstil. Doch erstens ist die nominell 124 PS starke 999 satte 2100 Euro teurer, zweitens bietet die 749 S die noblere Upside-down-Gabel, drittens ist der Leistungsunterschied beim 2004er-Modell nicht mehr so eklatant.Die sieben PS Mehrleistung, die Ducati für die überarbeitete Version verspricht (Mehrpreis im Vergleich zur 2003er-Version: 295 Euro), erreichten die Techniker durch Erhöhen der Verdichtung auf 12,3 zu 1, größere Einlassventile mit dünneren Schäften (Durchmesser 38 Millimeter). Außerdem entscheidend für den Kraftzuwachs: andere Nockenwellen, die für schärfere Steuerzeiten sorgen. Eine um 400 Gramm leichtere Kurbelwelle mit neu gestalteten Kurbelwangen soll die Drehfreudigkeit steigern. Der 749 S-Motor erreicht seine maximale Leistung bei 10500/min, dreht also 500/min höher als der Standard-749-Antrieb. Um einem erhöhten Verschleiß des Ventiltriebs vorzubeugen, setzt Ducati standfestere Kipp- und Schlepphebel ein.