Fahrbericht Ducati ST 4

Fahrbericht Ducati ST 4 Alle Achtung

Viel Anerkennung erhielt bereits die 1997 präsentierte Ducati ST 2. Noch beachtlicher scheint die ST 4 geraten, die neben acht Ventilen über ein deutliches Mehr an Leistung verfügt.

Bologna, 8. Oktober 1998, frisch und leicht neblig. Eine Horde vermummter Gestalten nähert sich geschäftig der Menge von nicht weniger als 39 Motorrädern. Wie zum Domino-Rekord arrangiert, stehen die Ducati ST 4 da, alle über 1000 Kilometer weit eingefahren. Kein kleiner Aufwand, den die Ducati Motor SpA betreibt, um den neuen Vierventil-Sporttourer zu präsentieren.
Umberto Ucceli, Marketing-Chef der Ducati Deutschland GmbH, verteilt selbstbewußt lächelnd die Schlüssel für die Testmaschinen. Der erste Sporttourer der Italiener, die ST 2, fand europaweit fast 3000 Käufer, viele davon Ducati-Neulinge. Grund genug, optimistisch in die ST 4-Zukunft zu schauen.
Auf den ersten Blick gleicht die Neue ihrer »kleinen« Schwester aufs Haar. Alles beim alten also? Keineswegs: Der Seitenständer schnappt zwar immer noch selbständig zurück, läßt sich aber bedeutend sicherer »fußhaben«. Die Länge des Schalthebels paßt nun auch für mitteleuropäische Schuhgrößen. Leichtere Felgen sollen das Handling verbessern, der Scheinwerfer wird via Luftzufuhr vor Beschlag geschützt, und ein sattes Metallic-Blau rundet die Farbpalette ab. Der entscheidende Unterschied versteckt sich aber hinter der Vollverkleidung.
Dort schlägt das Desmo-Herz der 916, wobei sich das Triebwerk nicht ohne jegliche Änderungen in das ST 2 Fahrwerk transplantieren ließ. Die Zylinderköpfe bauten zu hoch und mußten neu gezeichnet werden. Layout, Steuerzeiten und Ventilabmessungen blieben zwar gleich, aber die Mittelachse der Auslaßnockenwelle wanderte um 15 Millimeter unter die der Einlaßschwester. Die dadurch megakurzen Führungen der Auslaßventile halten - so versicherten die anwesenden Techniker - den Belastungen locker Stand. Außer dem Kopflayout konnte alles bleiben, wie es war, denn der wassergekühlte Zweiventiler der ST 2 und der 916-Vierventiler bauen auf das gleiche Motorgehäuse auf. Unterschied im Verborgenen: Der Primärtrieb der ST-Modelle ist kürzer übersetzt als der des Sportmodells. Darum drehen die (identischen) Getriebewellen schneller, möglicherweise der Grund, warum das exakte und gut schaltbare Getriebe einen Tick ruppiger reagiert als das 916-Schaltwerk.
Der Motor erfreut mit seinen bekannten Talenten. Ein Druck auf den Anlasser, und schon ertönt, untermalt vom Rasseln der Trockenkupplung, appetitlicher Ducati-Sound. Nach kurzer Kaltlaufphase hängt der Vierventiler knackig und mit spritziger Drehfreude am Gas. Unterhalb von 3000/min reagiert er etwas unwillig und bisweilen heftig schüttelnd auf Gasbefehle, darüber geht´s dann aber munter zur Sache. Leistungsmäßig steht die ST 4 mit 105 PS voll auf der Höhe der Sporttourer-Konkurrenz. Wie beim 916-Bruder riegelt das Motormanagement bei 10000/min elektronisch ab.
Auch der von der ST 2 bekannte Arbeitsplatz weiß zu überzeugen. Das Arrangement aus Lenkerkröpfung und -höhe sowie Fußrasten- und Sitzposition genügt sowohl sportlichen als auch touristischen Ansprüchen. Die Beine nicht zu stark gewinkelt, der Oberkörper bequem aufrecht, genau richtig, um die ST 4 bei jeder Geschwindigkeit lässig zu kontrollieren. Bei ganz langsamer Fahrt können sich kleine Piloten an der großen Sitzhöhe stören, aber aufgrund der niedrigen Schwerpunktlage und der erfreulich schmalen Tank-Sitzbank-Linie können auch sie die ST 4 sicher rangieren.
Ein Grund zur Freude: verglichen mit früheren ST 2 verblüfft die ST 4 mit beinahe erstaunlicher Handlichkeit. Grund dafür könnte einerseits die geringfügig frontlastigere Gewichtsverteilung, andererseits die leichteren Felgen - die auch der 1999er Jahrgang der ST 2 erhält - sein, die dank geringerer Kreiselkräfte weniger Widerstand gegen Schräglage aufbauen. Ansonsten ist das Fahrwerk der ST 4 nämlich völlig identisch mit dem der ST 2. Auch ein stabiler Geradeauslauf zählt zu den Stärken der Italienerin. Ducati gibt 245 km/h Topspeed an, die der traditionell sehr genaue Tacho bestätigt. Bei derart hohen Geschwindigkeiten bringen Turbulenzen am Helm ganz leichte Unruhe in die Linie, der Windschutz ist aber insgesamt gut.
Wirklich zu Hause fühlt sich die ST 4 in Kurven aller Radien und Beschaffenheiten, was sie auf der Landstraße und dem kleinen Rundkurs von Varano beweisen durfte. Leichtfüßig und zielgenau lenkt sie ein, folgt immun gegen Störeinflüsse der gewählten Linie, büßt auch bei hohen Geschwindigkeiten wenig von ihrer Handlichkeit ein. Die voll einstellbaren Federelemente überzeugen mit sensiblem Ansprechen und großen Reserven: Eine derbe Bodenwelle, bei hoher Geschwindigkeit mit großer Schräglage zu überfahren, verursachte beispielsweise nicht mehr als einen kurzen Ruck.
Die serienmäßig montierten, erfreulich vielseitigen und für einen ausgesprochenen Tourenreifen sehr haftfreudigen Metzeler ME Z 4 tragen ihren Teil zu den guten Fahreigenschaften bei, auch dank ihrer bescheidenen, für die Kraft der Duc aber völlig ausreichenden Dimensionierung. Selbst sportlichen Ansprüchen genügt die Schräglagenfreiheit, lediglich der Hauptständer setzt unspektakulär auf. Wer noch schräger fahren will, kann über die Schubstange an der Federbeinumlenkung weitere zwei Zentimeter Bodenfreiheit gewinnen. Weniger erbaulich: die Bremsanlage der ST 4, baugleich mit der der ST 2. Zwar reicht die Bremsleistung jederzeit aus, die benötigten hohen nötigen Handkräfte verwässern aber die Dosierbarkeit. Zudem lassen die Stopper nach ein paar zügigen Runden deutlich in der Wirkung nach.
Unterm Strich hinterläßt die ST 4 bei ihrer ersten Präsetation einen guten Einmdruck. Für 23 840 Mark erhält der Kunde ein Motorrad, daß Appetit auf den ersten Vergleichstest macht.

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