Fahrbericht MZ 1000 S

Fahrbericht MZ 1000 S (2004)
Und sie bewegt sich doch

Zuletzt aktualisiert am 13.12.2003
Und sie bewegt sich doch
Foto: Foto: Jahn

Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.« Man war versucht, den MZ-Oberen bei jeder weiteren Ankündigung ihres Zweizylinder-Sporttourers mit dem berühmten Zitat
aus Goethes Faust zu antworten. Und nicht nur wegen der MZ 1000 S . Geplante 30000 Einheiten pro Jahr, GP-Projekt, Direkteinspritzer – aus all dem wurde bis heute nichts.
Wen wundert’s, dass nun, wo die MZ fertig ist, die Skepsis noch nachschwingt? Was kann man erwarten von einem Sporttourer, der bereits im Jahr 2000 der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt wurde und jetzt endlich fertig ist? Die andere Frage: Was darf man nicht erwarten von einem Hersteller, der zwar durch kühne Pläne glänzte, dessen entwicklungs- und produktionstechnisches Potenzial aber nach wie vor als Kampf des ostdeutschen Davids gegen die Goliaths dieser Welt beschrieben werden muss?
Ihren Charme jedenfalls hat die
MZ 1000 S seit ihrer Präsentation nicht
eingebüßt. Im Gegenteil: Ihre Designer bewiesen mit harten, teilweise gegenläufigen Linien und den vier Augen im Charaktergesicht ein glückliches Händchen. Die 1000 S sieht auch nach drei Jahren noch gut und vor allem dynamisch aus.
Das zweite Versprechen gibt sie mit dem Druck auf den Starter. Der Sound, der den zwei ovalen Schalldämpfern
bei jedem Gasstoß entweicht, spricht
die ganz eigene Sprache eines 1000er-Zweizylinder-Reihenmotors. Im Feld der V2-Riege ist das nicht nur Alleinstellungsmerkmal, sondern auch spannend. So
Unrecht hat MZ-Chef Petr-Karel Korous nicht, wenn er proklamiert, dass jeder, der ernsthaft Motorräder bauen wolle, auch
eigene Motoren herstellen müsse.
Angesichts der langen Entwicklungsgeschichte wird jedoch Korous mittlerweile wissen: Diese Aufgabe ist nicht leicht. Wo andere von Erfahrungswerten profitieren, mussten die MZler – nach-
dem sie den zunächst favorisierten 750er
von Swissauto/Weber verworfen hatten – praktisch bei null beginnen. Nicht nur, was die mechanischen Komponenten
angeht, sondern auch auf dem Gebiet
der Einspritz-Software.
Speziell den Kaltlaufeigenschaften und der Gasannahme der MZ 1000 S merkt man diese Schwierigkeiten an.
Kurze, schnell aufeinanderfolgende Gas-
stöße quittiert der Zweizylinder selbst warm gefahren mit gelegentlichem Verschlucken. Wichtiger für einen Sporttourer: der harte Lastwechselschlag,
auf den besonders im unteren Dreh-
zahlbereich eine kleine Verschnaufpause folgt, verdirbt einem besonders in kniffligen, unübersichtlichen Landstraßenpassagen schnell die flüssige Linie.
Überhaupt der untere und mittlere Drehzahlbereich: vielfach eine Stärke der dicken Zweier, aber keine ausgewiesene Stärke der MZ. Unterhalb von 3000/min reagiert die vorgestellte Maschine auf
Beschleunigungsbemühungen mit Anfällen von Schüttelfrost, darüber geht es recht verhalten vorwärts. Das ändert sich jenseits der 6000er-Marke schlagartig. Dann schiebt die 1000 S mit Nachdruck voran, bis bei 9500/min der rote Bereich zum Gangwechsel mahnt.
Hat man im Sächsischen den Schub im mittleren Drehzahlbereich zugunsten hoher Spitzenleistung geopfert? Der Eindruck drängt sich auf angesichts der von MZ versprochenen 114 PS bei 9000/min, mit denen die 1000 S bei den Sporttourern ganz vorne dabei wäre. Dass eine solche Charakteristik in Kombination mit der harten und unpräzisen Gasannahme gerade auf der Landstraße problematisch ist, wissen die Mannen um Entwicklungschef Jürgen Meusel. Am Mapping will man weiter arbeiten.
Auch was die Laufkultur angeht, besteht noch Handlungsbedarf. Der Twin gibt trotz einer Ausgleichswelle über den gesamten Drehzahlbereich deutliche Tätigkeitsnachweise in den doppelrohrigen Chrom-Molybdän-Brückenrahmen weiter, von dort landen diese in Fußrasten und Lenkerenden. Das stört auf der Landstraße weniger. Auf längeren Autobahnetappen hingegen schon.
Es ist also nicht alles Silber, was
bei der MZ 1000 S glänzt. Aber das
war angesichts der Rahmenbedingungen wohl auch nicht zu erwarten. Apropos Rahmen. In dieser Hinsicht fällt es der
MZ leichter zu überzeugen. Wunderbar handlich segelt die 1000er von eine Schräglage in die nächste, die Federelemente – vorn Marzocchi-Upside-down-Gabel, hinten Sachs-Federbein – sind mannigfaltig einstellbar, liegen von der Grundabstimmung her eher auf der
komfortablen Seite. Das passt gut zur vorderradorientierten, aber doch sehr kommoden Sitzposition, zum ordent-
lichen Windschutz, zu den defensiv
ausgelegten Bremsen – aber eben nicht zu der sportiven Motorcharakteristik.
Wer es gemütlicher angehen lässt,
ist mit dem Fahrwerk gut bedient, wird
mit dem Zweizylinder aber nicht glück-
lich werden. Wer sportliche Ambitionen hegt und häufig das gut schaltbare Sechsganggetriebe bemüht, vermisst die exakte Gasannahme, aggressivere und standfestere Bremsen, eine straffere Abstimmung und vielleicht einen Lenkungsdämpfer.
So gesehen wartet auf die Sachsen noch eine Menge Arbeit, die aber speziell im Fahrwerkssektor kein Hexenwerk
bedeutet. Beim Antrieb wird die Sache schwieriger. Doch allein die Tatsache,
das dieses Motorrad jetzt auf die Straße kommt, sollte den MZlern genug Ansporn sein. Weil nun auch der Rest der Welt
wieder an die MZ 1000 S glauben kann.

Der Irrtum

Der Irrtum

Die lange Entwicklungsgeschichte der MZ 1000 S ist auch die Geschichte eines Irrtums. Denn kurz nachdem auf der Münchner Messe Intermot im September 2000 der neue Sporttourer präsentiert und der Verkaufsstart für den Jahreswechsel 2001/2002 prognostiziert wurde, fiel in Zschopau eine folgenschwere Entscheidung: Der ehemals als Antrieb vorgesehene Swissauto/Weber-Zweizylinder mit 750 cm3 und einer obenliegenden Nockenwelle konnte trotz mehrjähriger Entwicklung, trotz zahlreicher Modifikationen und einer Hubraumerweiterung (siehe auch MOTORRAD 13/2000) die Ansprüche nicht erfüllen. Ein komplett neues, in Eigenregie zu entwickelndes Triebwerk musste her.Schon im Mai 2001 lief der neue Motor, weiter-hin ein Zweizylinder-Viertakter mit vier Ventilen pro Zylinder, nun aber mit 999 cm3 und zwei obenliegenden Nockenwellen, auf dem Prüfstand. Optisch nahezu unverändert, präsentierte sich die MZ 1000 S auf dem Mailänder Salon, der Produktionsstart verschob sich auf das Frühjahr 2002. Dann war es wieder still rund um Zschopau.Nächstes Lebenszeichen von MZ dann im Mai 2002. Anlässlich einer Testfahrt auf dem Sachsenring traf die MOTORRAD- auf die MZ-Mannschaft, die mit einem Prototypen Versuchsfahrten unternahm (MOTORRAD 12/2002). Gleichzeitig liefen, so erklärte man damals, Abstimmungsfahrten mit stark modifiziertem Zylinderkopf. Diese Änderungen seien tief greifend und würden zu beträchtlichen Verzögerungen des Projekts führen. Noch im Jahr 2002 würden jedoch die ersten Maschinen bei den Händlern stehen.Daraus wurde bekanntlich nichts. Bis MOTORRAD im Sommer 2003 die erste Vorserien-MZ 1000 S (16/2003) und jetzt das Präsentationsmodell fahren konnte.

Interview mit Petr-Karel Korous

Über die Fehler der Vergangenheit und die Zukunft von MZ.

Herr Korous, endlich können Sie die neue MZ 1000 S präsentieren. Haben Sie selbst noch daran geglaubt? Selbstverständlich hatten wir uns das leichter vorgestellt, aber wir haben niemals aufgegeben. Und wir hatten vorher mit dem modernsten 125er-Motor im Markt gezeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, auch Motoren selber zu entwickeln. Also ist die lange Entwicklungszeit vor allem auf den Motor zurückzuführen? Drei Jahre Entwicklungszeit für einen komplett neu gezeichneten 1000er-Zweizylinder sind keine lange Zeit. Aber natürlich, die Haupt-probleme lagen beim Motor. Die Öffentlichkeit hat diesen Zeitraum aber als sehr lang wahrgenommen. Es war im Nachhinein betrachtet sicher ein Fehler, mit der 1000er so früh an die Öffentlichkeit zu gehen. Das wird uns in Zukunft nicht mehr passieren. Stichwort Zukunft: Welche Ableger der 1000 S sind zu erwarten? Zunächst einmal müssen wir uns mit diesem Produkt auf eine gesunde Basis stellen. Dazu gehört die Zuverlässigkeit genauso wie die Händlerschulung und die Entwicklung sinnvollen Zubehörs. Wir bieten zum Beispiel auch Softbags, ein Topcase und einen Tankrucksack an. Außerdem ein sehr schön gemachtes Navigationssystem. Darüber hinaus denken wir über ein Naked Bike nach – aber wie schon gesagt, alles zu seiner Zeit. Welche Stückzahlen der MZ 1000 S sind geplant? Wir rechnen für das Jahr 2004 mit 2000 bis 2500 Einheiten in den Märkten Deutschland, Europa und USA. Wann stehen die ersten Exemplare bei den Händlern? Das wird Ende Dezember, Anfang Januar sein.

Technische Daten – MZ 1000 S

Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 52 mm, Motormanagement, geregelter Katalysator, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 450 W, Batterie 12V/12Ah.Bohrung x Hub 96,0 x 69,0 mmHubraum 999 cm³Verdichtungsverhältnis 11:1Nennleistung 84 kW (114 PS) bei 9000/minMax. Drehmoment 98 Nm (10,0 kpm) bei 7000/minKraftübertragung: Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring Kette, Sekundärübersetzung 42:17.Fahrwerk: Brückenrahmen aus Stahl-rohr, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, schwimmend gelagerte Bremsscheiben, Ø 320 mm, Vierkolbensättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Zweikolbensattel.Alugussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17Reifen 120/70 ZR 17; 180/70 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1425 mm, Lenkkopfwinkel 65 Grad, Nachlauf 103 mm, Federweg v/h 120/120 mm.Maße und Gewichte: L/B/H 2065/835/1165 mm, Sitzhöhe 820 mm, Gewicht vollgetankt 210 kg, Zulässiges Gesamtgewicht 400 kg, Zuladung 190 kg, Tankinhalt/Reserve 20/5 Liter.Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Silber, SchwarzPreis ohne Nebenkosten 11990 Euro