Fahrbericht Triumph Sprint ST (2005)
Dreist

Im sonnigen Südafrika präsentierte sich die gründlich überarbeitete Triumph Sprint ST mit einem frechen Styling. Auch der jetzt 1050 Kubikzentimeter große Dreizylinder hat es faustdick hinter den Ohren.

Dreist
Foto: Foto: fact

Manche Menschen brauchen nicht viel zum glücklich sein. Motorradfahrern zum Beispiel reichen ein schmuckes Bike, eine Landschaft, deren kurvenreiches Terrain erkundet werden will,
und wenn dann noch Sonnenschein und sommerliche Temperaturen hinzukommen, sind sie glücklich wie ein Kind vor einer Dose voll mit Gummibärchen. Zu Winterszeiten sind diese Zutaten in Europa jedoch nur schwer zu bekommen, weshalb die Präsentation der brandneuen Sprint ST in Südafrika stattfand. Dort herrscht Sommer und traumhaftes Motorradwetter.
Nach dem Erscheinen 1999 und der
ersten Überarbeitung 2002 ist das 2005er-Modell die dritte Version des englischen Sporttourers. Da bei Triumph momentan ohnehin alles im Zeichen der Drei steht, finden sich sowohl Scheinwerfer wie Instrumente und Kontrollleuchten als auch Auspuffendrohre konsequenterweise jeweils in dreifacher Ausfertigung. Hinzu kommen allerorten dreieckige Designelemente. Durchgestylt von Kopf bis Fuß, macht die neue ST schon im Stand eine äußerst attraktive Figur.
Der Triple erwacht nach einem kurzen Druck auf den Starterknopf zum Leben. Mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl nimmt der Dreizylinder sofort sauber Gas an. Für die perfekt dosierte Menge an Kraftstoff, die ihm über die Einspritzanlage injiziert wird, ist der neue Zentralrechner von
Keihin zuständig. Im Vergleich zur Vorgängerin hat sich die Sitzposition nur leicht geändert. Der Abstand von Lenker und Sitzbank wurde etwas kürzer. Ansonsten blieb alles beim Alten. Sportlich, doch durchaus komfortabel untergebracht, finden auch größere Fahrer genügend Platz. Positiv fallen die großen Rückspiegel auf, die allerdings leicht vibrieren und daher nur eine verwackelte Rücksicht bieten.
Dies ist zwar nicht besonders schön, aber zu vernachlässigen, wenn die Drosselklappen für den jetzt 1050 Kubikzentimeter großen Dreizylinder voll geöffnet sind. So druckvoll, wie er die ST nach vorne treibt, verliert der rückwärtige Verkehr schnell an Bedeutung. Schon ab 3000 Umdrehungen reißt der Triple so bestialisch an, dass sich die ST leicht auf die Hinterhand stellt. Obwohl sie mit angegebenen 125 PS und 104 Nm nur fünf PS und vier Newtonmeter über dem letztjährigen Modell liegt, zeigt ein Blick auf die neuen Innereien, wie umfangreich die Modifikationen an dem Triebwerk waren.
Kurbelwelle, Kurbelgehäuse, Zylinderkopf, Kolben und Steuerzeiten sind geändert. Der um 94 Kubikzentimeter erhöhte Hubraum entsteht durch 6,4 Millimeter mehr Hub. Beeindruckender als die maximale Power ist die Art und Weise der Leistungsabgabe. Das maximale Drehmoment liegt schon bei 5000 Umdrehungen an und verleitet zum schaltfaulen Fahren. Zudem hinterließen die in Südafrika präsentierten Modelle einen sehr potenten Eindruck und schienen die Werksangabe von 125 PS locker zu erfüllen.
Wie der Dreizylinder wurden auch Getriebe, Kupplung und das Schaltgestänge überarbeitet. Angenehm bemerkbar machten sich die deutlich geringer gewordenen Handkräfte für die Kupplung. Darüber hinaus sind die Verbesserungen in diesem Bereich jedoch nicht signifikant. Die Gänge rasten zwar präzise ein, aber die Schaltwege sind nach wie vor recht lang, und vor allem bei harten Beschleunigungsorgien in den unteren Stufen wollen die Gänge mit Nachdruck eingelegt werden.
Bei solchen Manövern sollte besonders auf die Fahrbahnbeschaffenheit geachtet werden. Trifft das leicht werdende Vorderrad auf Bodenwellen, ist eine deutliche Kickback-Tendenz zu spüren. Abgesehen von der Neigung zum Lenkerschlagen
gibt das Fahrwerk auf den teilweise sehr welligen Pisten Südafrikas jedoch keinen Grund zur Klage. Die Federelemente sind straff abgestimmt, sprechen aber sensibel an und bieten ausreichend Komfort.
Aus Kostengründen ist die Telegabel mit Kartuschendämpfer nur in der Federbasis und das Federbein zusätzlich in
der Zugstufendämpfung einstellbar. Sehr positiv: Trotz der vielen Modifikationen und besserer Ausstattung mit einem umfangreichen Bordcomputer, der Informationen über Durchschnittsgeschwindigkeit, Reisezeit, Durchschnitts- oder aktuellen Verbrauch sowie die Restreichweite anzeigt, berechnet Triumph für das neue Modell ohne ABS keinen Cent mehr als für die Vorgängerin.
Ein Schönheitsfehler, oder eher ein Zugeständnis an die Lärmvorschriften, ist die stark gedämpfte Geräuschkulisse. Der unter der Sitzbank geführte Endschalldämpfer lässt nicht viel vom typischen
Triple-Sound nach außen dringen. Vorbildlich sind die beiden Katalysatoren, die der ST die Erfüllung der Euro-2-Norm ermöglichen. Wer auf den Sound nicht verzichten will, kann eine offene Auspuffanlage ordern – allerdings ohne ABE.
Neben der Auspuffanlage bietet Triumph ein reichhaltiges Zubehörprogramm an, das aus der eher sportlich ausgelegten Sprint ST einen etwas komfortableren Tourer macht. Die serienmäßige Verkleidungsscheibe ist zum Beispiel relativ flach, so dass man sich für einen effektiven Windschutz tief ducken muss. Möglicherweise schafft hier das höhere Modell aus dem Zubehör Abhilfe. Warmduschern, denen schon nach wenigen Stunden der Hintern weh tut – wie dem Autor –, könnte die
optional erhältliche Gel-Sitzbank helfen.
Besonders Tourenfahrer werden das Koffersystem zu schätzen wissen. Der Clou dabei: Jeder ST liegen ab Werk
drei Schlösser bei, die dann in die Koffer eingebaut werden. So lassen sich mit
dem Zündschlüssel auch die Koffer schließen. Besonders dankbar waren die Afrikafahrer für das Garmin-Navigationsgerät, das uns immer wieder zielsicher zum Ho-tel zurückgeleitet hat. Wer sich in dieser
Jahreszeit in heimischen Gefilden aufhält, der wird sicherlich mehr Wert auf die Heizgriffe legen.
Erhältlich ist die Sprint ST ab sofort in Blau und Silber. Ab April wird zusätzlich zum 800 Euro teuren Zweikanal-ABS von Nissin eine rote Variante lieferbar sein.
Mit ABS ausgerüstet, könnte der dreiste
Versuch, die Honda VFR-ABS von ihrem Thron zu stoßen, von Erfolg gekrönt sein. Zum ersten Showdown der großen Sporttourer kommt es in MOTORRAD 7/2005, in dem die Sprint ST leider noch ohne ABS antreten muss.

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